Hüftschwünge, für die sich seine Tanztutorin schämt: George Clooney als TV-Moderator, der mit Tänzchen auf seine dubiosen Anlagetipps einstimmt – bis ein durch sie Ruinierter die Sendung stürmt . . .(c) Sony Pictures
In Cannes lief Jodie Fosters Thriller „Money Monster“ mit George Clooney und Julia Roberts: Als Suspensestück unterhaltsam, als Morallektion zur Finanzkrise plump.
George Clooney ist kein guter Tänzer. Davon kann man sich in Jodie Fosters Film „Money Monster“ überzeugen, der gestern in Cannes Premiere hatte. Bei der Pressekonferenz gab der gut gelaunte Schauspieler zu, sein Hip-Hop-Hüftschwung im Film sei nicht choreografiert: Als er ihn vor seiner Tanztutorin ausprobierte, ließ sie ihn nur unter der Bedingung gewähren, dass man sie nicht dafür verantwortlich macht. Macht nichts: „Money Monster“, der außer Konkurrenz gezeigt wird und am 26. Mai auch in den heimischen Kinos startet, ist kein Musical, sondern Systemkritik im Genrekostüm.
Bei den 69. Filmfestspielen von Cannes laufen 21 Filme im Wettbewerb, sechs weitere - darunter der Eröffnungsfilm "Café Society" von Woody Allen - außer Konkurrenz. Die Wettbewerbsfilme kurz vorgestellt: (her) Im Bild: Das Cannes-Plakat zeigt heuer eine Szene aus "Die Verachtung" von Jean-Luc Godard, gedreht in der Villa Malaparte auf Capri (c) Filmfestival Cannes
von Andrea Arnold (Großbritannien) Der neuen Film der britischen Regisseurin erzählt von einer jungen Frau (Sasha Lane), die sich in den USA einer Gruppe reisender Magazinverkäufer anschließt. Sie fährt mit ihnen durch den Mittleren Westen - und wird in ein wildes Leben hineingezogen. (c) Filmfestival Cannes
von Kleber Mendonca Filho (Brasilien) Clara (Sonia Braga) ist eine 65-jährige pensionierte Musikkritikerin und Witwe. Sie ist die einzige noch verbliebene Bewohnerin des Apartmentkomplexes Aquarius. Eine Firma hat die anderen Wohnungen aufgekauft und versucht, Clara aus ihrer Wohnung zu drängen, doch sie wehrt sich dagegen. (c) Filmfestival Cannes
von Cristian Mungiu (Rumänien) Für das Abtreibungsdrama "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage" wurde der Regisseur 2007 mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. ''Bacalaureat'' handelt von den Kompromissen und Begleiterscheinungen der Elternrolle, wie es in der Beschreibung heißt. Die Hauptrolle spielt Maria-Victoria Dragus. (c) Filmfestival Cannes
von Paul Verhoeven (Niederlande) Der "Basic Instinct"-Regisseur drehte "Elle" mit Isabelle Huppert. Die Französin spielt die unantastbar wirkende Michele, Chefin einer Videospielfima. Doch dann wird die rücksichtslose Frau von einem Unbekannten in ihrem eigenen Zuhause angegriffen. (c) Filmfestival Cannes
von Asghar Farhadi (Iran) Der iranische Regisseur bekam für sein Scheidungsdrama "Nader und Simin - eine Trennung" 2012 den Goldenen Bären der Berlinale. Auch "Forushande" handelt von Beziehungsschwierigkeiten. Ein Paar (Taraneh Alidoosti, Shahab Hosseini) probt das Arthur-Miller-Stück "Tod eines Handlungsreisenden" und verliert sich dabei aus den Augen. (c) Filmfestival Cannes
von Ken Loach (Großbritannien) Der vielfach preisgekrönte Meister des sozialen Dramas Ken Loach stellt seinen neuen Film in Cannes vor. Daniel Blake (Dave Johns) ist Tischler und benötigt nach einem Unfall Pflege. Er lernt eine alleinerziehende Mutter (Hayley Squires) kennen, die sich in einer ähnlich tristen Situation befindet. (c) Filmfestival Cannes
von Pedro Almodovar (Spanien) Unter großer Geheimhaltung hat der spanische Regisseur sein neues Werk geschaffen. Die Hauptrolle spielt Adriana Ugarte. Die Titelfigur setzt sich in dem Film mit ihrer Vergangenheit und ihrer Tochter auseinander. Wie man Almodovar kennt, werden dabei wohl ein paar düstere Familiengeheimnisse auf dramatische Weise gelüftet werden. (c) Filmfestival Cannes
von Xavier Dolan (Kanada) Das 27-jährige kanadische Regie-Wunderkind präsentiert nach "Mommy" seinen zweiten Film im Hauptwettbewerb von Cannes. Zuletzt sorgte er mit dem Musikvideo zu Adeles Hit "Hello" für Furore. In "Juste la fin du monde" kehrt der todkranke Schriftsteller Louis (Gaspard Ulliel) nach Hause, um seiner Familie mitzuteilen, dass er sterben wird. In dem Drama spielen außerdem Marion Cotillard, Léa Seydoux und Vincent Cassel mit. (c) Filmfestival Cannes
von Jean-Pierre and Luc Dardenne (Belgien) Zwei Goldene Palmen haben die Dardenne-Brüder, die zu den Dauergästen in Cannes gehören, schon zu Hause stehen. In "La fille inconnue" versucht eine Ärztin (Adèle Haenel) die Identität einer Patientin zu klären, die gestorben ist, nachdem diese sich der Behandlung verweigert hat. (c) Filmfestival Cannes
von Jeff Nichols (USA) Joel Edgerton und Ruth Negga spielen das Ehepaar Richard und Mildred Loving, das 1958 in Virginia zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, weil die Heirat zwischen Weißen und Afroamerikanern dort verboten war. Jeff Nichols' Film basiert auf realen Ereignissen. Die Lovings setzten ihr Recht auf die Eheschließung vor dem obersten Bundesgericht der USA durch - und wurden zu Helden der Bürgerrechtsbewegung. (c) Filmfestival Cannes
von Bruno Dumont (Frankreich) Das Verschwinden mehrerer Menschen führt zwei Polizisten im Sommer 1910 an die Küste des Ärmelkanals - und zu zwei schrägen Familien, deren Schicksale sich verweben. Mit Juliette Binoche und Valeria Bruni Tedeschi (c) Filmfestival Cannes
von Park Chan-Wook (Südkorea) Mit dem Psychothriller "Oldboy" landete der südkoreanische Regisseur 2003 einen Welterfolg. Sein neuer Film dürfte weniger actionreich, aber ähnlich verstörend sein. In "Agassi" wird eine junge Frau (Tae Ri Kim) Dienerin einer reichen Erbin (Min-hee Kim). Doch die Angestellte intrigiert gegen ihre Herrin. (c) Filmfestival Cannes
von Brillante Mendoza (Philippinen) Mendoza bekam 2009 mit seinem Horrordrama "Kinatay" den Preis für die beste Regie in Cannes. Für "Ma'Rosa" bekam er seine dritte Einladung zum Filmfestival. Ma' Rosa, die Hauptfigur (Jaclyn Jose), ist Mutter von vier Kindern und führt gemeinsam mit ihrem Mann einen kleinen Laden in Manila. Um über die Runden zu kommen, verkauft das Paar auch Drogen. Als es verhaftet wird, wollen die Kinder sie von der korrupten Polizei freikaufen. (c) Filmfestival Cannes
von Nicole Garcia (Frankreich) Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard spielt in dieser Verfilmung von Milena Agus' Roman "Die Frau im Mond" die junge Gabrielle. Sie träumt von der großen Liebe, wird aber während des Zweiten Weltkriegs an einen Witwer verheiratet, den sie nicht liebt. Jahre später verliebt sie sich während einer Kur in einen Kriegsheimkehrer. (c) Filmfestival Cannes
von Jim Jarmusch (USA) "Star Wars"-Bösewicht Adam Driver hat die Titelrolle im neuen Film des US-Meisterregisseurs Jim Jarmusch ergattert. Er spielt einen Busfahrer und Poeten. An Drivers Seite: Golshifteh Farahani. (c) Filmfestival Cannes
von Olivier Assayas (Frankreich) Der französische Regisseur drehte zum zweiten Mal mit dem US-Star Kristen Stewart. Die erste Kollaboration, "Die Wolken von Sils Maria" mit Juliette Binoche, wurde mehrfach ausgezeichnet. "Personal Shopper" ist eine Geistergeschichte, die in der Modebranche in Paris angesiedelt ist. Auch die Österreicherin Nora von Waldstätten ist darin zu sehen. (c) Filmfestival Cannes
von Alain Guiraudie (Frankreich) Mit dem homoerotischen Thriller "Der Fremde am See" holte sich der Regisseur vor drei Jahren den Hauptpreis in der Cannes-Nebenschiene Un Certain Regard. Der Nachfolger "Rester Vertical" läuft nun im Hauptwettbewerb. Der junge Drehbuchautor Leo (Damien Bonnard) sagt sich darin von seinem bisherigen Leben los, um in Südfrankreich Wölfe zu sichten. Bei einem Streifzug stößt er auf die Schafhirtin Marie (India Hair), beginnt mir ihr eine Affäre und schwängert sie. (c) Filmfestival Cannes
von Cristi Puiu (Rumänien) Auch der rumänische Regisseur wurde in der Nebenschiene Un Certain Regard bereits ausgezeichnet, für "Der Tod des Herrn Lazarescu" (Moartea domnului Lăzărescu). In "Sieranevada" versammelt sich eine Familie am Todestag des Patriarchen. (c) Filmfestival Cannes
von Sean Penn (USA) Die Chefin einer Hilfsorganisation (Charlize Theron) lernt im krisengeschüttelten Libyen einen Arzt (Javier Bardem) kennen. (c) Filmfestival Cannes
von Nicolas Winding Refn (Dänemark) Mit seinen hochästhetischen und extrem gewalttätigen Filmen wie "Drive" und "Only God Forgives" sorgt der dänische Regisseur immer wieder für Debatte. In dem Horrormärchen "The Neon Demon" zieht Jesse (die 18-jährige Elle Fanning) nach Los Angeles, um als Model Karriere zu machen. Dort gerät sie an eine Gruppe von Frauen, die von Schönheit und Jugend besessen sind (Christina Hedricks, Jena Malone). (c) Filmfestival Cannes
von Maren Ade (Deutschland) In der deutsch-österreichischen Produktion spielen Peter Simonischek und Sandra Hüller die Hauptrollen. In dem Drama besucht ein Vater seine Tochter, zu der er ein kompliziertes Verhältnis hat, in Bukarest. Als sein Besuch zu eskalieren droht, überrascht er sie mit einem "Amoklauf aus Scherzen" - und in der Aufmachung einer Frau namens Toni Erdmann. (c) Filmfestival Cannes
Cannes: Die Filme im Wettbewerb
Jodie Foster hat sich dabei zweifellos von einem Medienereignis inspirieren lassen. 2009 verspottete der US-Satiriker Jon Stewart in seiner Sendung „The Daily Show“ den bekannten TV-Finanzberater Jim Cramer für dessen irreführende Spekulationstipps kurz vor der Börsenkrise. Bald darauf hielt er ihm in einem Interview eine Standpauke, die sein Gast angesichts der Belege für die Unzuverlässigkeit seiner Prognosen reumütig über sich ergehen ließ. Er gab zu, Fehler gemacht zu haben, und versprach, sich zu bessern.
„Mad Money“-Show war reales Vorbild
„Money Monster“ heißt im Film eine Show, die deutlich an Cramers „Mad Money“ angelehnt ist: Moderator Lee Gates (Clooney) ist mehr flamboyanter Entertainer als seriöser Konsultant. Für ihn ist alles nur ein Spiel: Sein Publikum stimmt er mit den erwähnten Tänzen und leicht bekleideten Backgroundtänzerinnen auf seine dubiosen Anlagevorschläge ein, und bei Gesprächen mit Wall-Street-Granden hält er sich grundsätzlich an deren Fragenkataloge. Doch die Wirklichkeit holt ihn ein, als der verzweifelte Kyle (Jack O'Connell) in seine Livesendung platzt. Mit Waffengewalt zwingt er Gates, eine Bombenweste anzuziehen, und fordert Schadenersatz: Auf die Empfehlung des TV-Stars hin hat er sein ganzes Geld auf die Firma Ibis Clear Capital gesetzt, deren Aktienkurs abstürzte – vorgeblich aufgrund eines Softwarefehlers.
Gates verspricht Aufklärung. Zunächst will er nur Zeit schinden, doch bald macht ihn das Stockholm-Syndrom zum Gewissenskrieger. Zusammen mit seiner resoluten Produktionsleiterin Patty (Roberts), mit der er über Funkkopfhörer verbunden ist, versucht er, den Ibis-Chef, Walt Camby (Dominic West), vor die Kamera zu bekommen, um die Wahrheit hinter dem Crash ans Licht zu bringen – bevor die Lage eskaliert. Die Polizei hat den Schießbefehl, die Spannung steigt, doch die Genre-Struktur ist letztlich vorgeschoben. Im Kern ist „Money Monster“ ein Moralstück, wie es Frank Capra geliebt hätte, grauzonenfrei und schulmeisterlich ausgeführt.
Clooney ist aufgrund der Janusköpfigkeit seines Images ideal besetzt. Vom aalglatten Schmähführer, den man aus Nespresso-Werbungen kennt, mutiert er zum rechtschaffenen Wutbürger auf heiliger Mission: Am Ende hat man ihm als Zuschauer alles verziehen. Sein panischer Geiselnehmer wirkt vergleichsweise inkompetent: Insofern ist der Film eher Appell an die mediale Verantwortung gegenüber dem „kleinen Mann“ als Emanzipationsfantasie. Ein Bevormundungsbeigeschmack bleibt, verstärkt durch das Theaterhafte – permanent schneidet Foster zum staunenden Fernsehpublikum, wie um zu sagen: Ihr seid gemeint! Empört euch! Als Suspensestück macht „Money Monster“ eine Zeit lang durchaus Spaß, doch im Vergleich zu anderen Finanzkrisen-Filmen der letzten Jahre („Margin Call“, „The Big Short“) wirkt sein Botschaftseifer plump – im Grunde bedient er sich derselben Mittel, die er anklagt. In Cannes, wo Milliardäre ihre Luxusjachten parken, ergibt das vielleicht sogar Sinn.
„Toni Erdmann“ von Maren Ade ist der erste deutsche Anwärter auf die Goldene Palme seit 2008. Zu Recht, die kraftvoll-witzige Vater-Tochter-Geschichte mit Burg-Star Peter Simonischek begeisterte nahezu universell.
Neue Impulse sucht man anderswo − bei den 69. Filmfestspielen an der Côte d'Azur stehen etablierte Stars im Mittelpunkt. Etwa Woody Allen, mit dessen Nostalgiefilm „Café Society“ das Festival eröffnet wurde.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.