Brasiliens Übergangspräsident Michel Temer will die Staatskasse füllen. Sein oberstes Ziel sei es, in Politik und Wirtschaft Ruhe zu bringen.
Brasília. Er wurde am Wochenende mit Protesten im ganzen Land „begrüßt“: Der brasilianische Übergangspräsident Michel Temer hat die ersten Maßnahmen seiner Regierung angekündigt. Demnach will Temer Staatsausgaben zurückfahren und die Arbeitslosigkeit verringern. Sein oberstes Ziel sei es, in Politik und Wirtschaft Ruhe zu bringen, sagte Temer am Sonntag in einem Fernsehinterview.
Beliebte Sozialprogramme, die in der seit 13 Jahren dauernden Regierungszeit der Arbeitspartei der abgesetzten Präsidentin Dilma Rousseff aufgelegt wurden, wolle er allerdings nicht anrühren. Um die Kassen zu füllen, prüft die Regierung einem Medienbericht zufolge den Verkauf von Anteilen an staatlich kontrollierten Firmen wie der Post, Energieversorgern und Versicherern. Über die Anhebung des Pensionsalters wird auch diskutiert. Temer kündigte an, nicht erneut kandidieren zu wollen, wenn er bis Ende der Amtszeit 2018 Präsident bleibe. Somit kann er auch unpopuläre Einschnitte durchführen.
Minister unter Verdacht
Der frühere Stellvertreter Rousseffs bleibt Interimspräsident bis zum Ende des Verfahrens gegen sie. Rousseff wurde für ein halbes Jahr wegen Korruptionsvorwürfen suspendiert. Nun soll geklärt werden, ob sie Budgetregeln verletzt hat, um ihre Wiederwahl 2014 zu sichern. Rousseff bestreitet das und spricht von einem Putschversuch. Beobachter gehen allerdings nicht davon aus, dass sie wieder ins Amt kommt.
Die Regierung der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas ringt um Wirtschaftsreformen in der Rezession. Das Land kämpft mit einer steigenden Arbeitslosigkeit, einem enormen Budgetdefizit und einer fast zweistelligen Inflationsrate. Und selbst in der neuen Regierung aus ausschließlich weißen Männern sitzen sieben Minister, die unter Korruptionsverdacht stehen. Ihr Amtsantritt schützt sie vorübergehend vor den Ermittlungen. (APA/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2016)