Christian Kern will neue Jobs schaffen. Ob durch öffentliche Investitionen oder durch Entlastung der Wirtschaft, gilt es jetzt zu klären.
Wien. Es ist das erste große Projekt des neuen Bundeskanzlers – und gleichzeitig auch jenes, das über Erfolg und Misserfolg von Christian Kern entscheiden wird: Der neue Bundeskanzler wiederholte bei seinem ersten Auftritt im Parlament am Donnerstag seine Absicht, seinem Koalitionspartner, der ÖVP, einen „New Deal“ vorzuschlagen. Das Ziel: kurzfristig die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft zu stärken und neue Jobs zu schaffen.
Wie das funktionieren soll? Der Kanzler hält sich noch bedeckt. Er spricht von einer Verzahnung der öffentlichen und privaten Investitionen, geht aber nicht ins Detail. Auch in seinem Umfeld blockt man ab. Jetzt werde verhandelt, dann ein Ergebnis präsentiert. Punkt. Dafür wittert man beim Koalitionspartner und in Interessenvertretungen Morgenluft. In der ÖVP wolle man dem Bundeskanzler zwar nicht „Forderungen vor den Latz knallen“, sieht aber doch eine Chance, langjährige Wünsche umzusetzen. Ganz oben auf der Liste: die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die auch im Regierungsprogramm steht. Bisher ist der Wunsch, bei Bedarf bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten zu können, aber an der Gegenforderung der Gewerkschaft einer sechsten Urlaubswoche gescheitert. Auch ein Bürokratieabbau sowie die Deckelung der Mindestsicherung stehen ganz oben auf dem Wunschzettel der ÖVP.
„Aus dem ewigen Abtauschen müssen wir herauskommen“, fordert der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer. Man müsse jetzt rasch einige Maßnahmen umsetzen, um die Investitionen anzukurbeln. Neben flexibleren Arbeitszeiten seien das auch ein Abbau von bürokratischen Hürden und ein Investitionsfreibetrag. Zudem müsse man den Forschungsbereich weiterhin stärken. Mittelfristig wünscht sich der IV-General eine „Bildungsrevolution“. Und natürlich große Strukturreformen in den Bereichen Pensionen und Bildung. Ähnlich lauten die Positionen der Wirtschaftskammer: Präsident Christoph Leitl plädierte am Donnerstag für einen Investitionsfreibetrag von 20 Prozent sowie für eine Erhöhung der Abschreibegrenze für geringfügige Wirtschaftsgüter.
Anleihen bei Franklin D. Roosevelt?
Dass allerdings der „New Deal“ des Bundeskanzlers darin bestehen wird, einfach lang erhobene Forderungen des Koalitionspartners und von Interessenvereinigungen umzusetzen, darf bezweifelt werden. Zumal Kern den Begriff „New Deal“ wohl nicht zufällig gewählt hat. Denn in diesem Programm des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt gegen die Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren spielte die Liberalisierung der Wirtschaft eine eher untergeordnete Rolle. Wesentliche Elemente waren Beschäftigungsprogramme für Arbeitslose, die Einführung von Mindestlöhnen und Sozialstandards und die Regulierung des Finanzmarkts sowie eine expansive Geldpolitik.
Investitionsanreize durch die öffentliche Hand dürften im Programm Kerns eine wesentliche Rolle spielen. Schließlich spricht er nicht nur von einer Verzahnung von öffentlichen und privaten Investitionen, sondern auch davon, dass er sich bemühen werde, im europäischen Kontext „Spielräume für öffentliche Investitionen zurückzugewinnen“. Diese werden derzeit im Wesentlichen durch die Maastricht-Kriterien, also durch Obergrenzen für Defizit und Staatsverschuldung, eingeschränkt. Möglich wären verstärkte öffentliche Investitionen in Bereichen wie Wohnbau, Infrastruktur, vor allem aber in der Forschung.
Seit seiner Angelobung als Bundeskanzler hat Kern noch nicht viel über seine wirtschaftspolitischen Ziele gesprochen. In seiner Zeit als ÖBB-Chef hat er das vereinzelt schon getan – mit unterschiedlichen Akzenten. Mit seiner Forderung nach Vermögensteuern und höheren Einkommensteuern für Reiche lag er voll auf SPÖ-Linie. Nicht so mit dem Wunsch, die Pragmatisierung abzuschaffen, und zwar nicht nur bei Eisenbahnern, sondern im ganzen öffentlichen Dienst.
NEW DEAL
US-Präsident Franklin D. Roosevelt verkündete 1933 den „New Deal“: Arbeitsbeschaffungsprogramme, Mindestlöhne, Sozialstandards und eine Regulierung des Finanzmarkts sollten die Wirtschaftskrise beseitigen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)