Pfusch: Schwarze Schafe vermehren sich

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Jede vierte Baufirma bei Gesetzesverstoß erwischt, Schwarzarbeit boomt. Nicht nur Mechaniker oder Putzfrauen, auch Architekten, Rechtsanwälte oder Berater verdienen „schwarz“ dazu.

Wien (ag./cim). Es gibt zumindest einen Arbeitsmarkt, der derzeit wächst. Der informelle. Kurzarbeiter und Arbeitslose versuchen, nebenbei „schwarz“ zu verdienen, andere schauen genauer auf jeden Euro, bevor sie ihn ausgeben. In Österreich soll der informelle Sektor heuer um fünf Prozent auf 20,5 Mrd. Euro, das entspricht etwa 8,5 Prozent des BIPs, wachsen. In Deutschland werde die Schwarzarbeit auf bis zu 14 Prozent des BIPs klettern, prognostiziert Friedrich Schneider, Volkswirtschaftsprofessor an der Uni Linz. Werden weitere 500.000 bis eine Million Menschen arbeitslos, werde die Schattenwirtschaft in Deutschland um acht bis zwölf Mrd. Euro wachsen.

In der Steiermark hat die Finanzsondereinheit Kiab Ende Juni eine Woche lang Baustellen kontrolliert. 203 Firmen wurden besucht, bei einer von vier wurde ein Verstoß gegen die Finanz- und Beschäftigungsgesetze festgestellt. 529 Arbeiter wurden bei der Schwerpunktaktion kontrolliert, 61 von ihnen waren nicht zur Sozialversicherung angemeldet. In Tirol hat sich die Kiab im gesamten vergangenen Jahr 2200 Betriebe vorgenommen: Dabei wurden mehr als 600 illegal Beschäftigte aufgegriffen, „hunderte Gesetzesverstöße“ habe man festgestellt, heißt es. Fast die Hälfte der Schwarzarbeiter wurde in Hotel- und Gastronomiebetrieben gefasst.

Eine umfassende Statistik zum Pfusch gibt es nicht, nur Schätzungen. Im Finanzministerium hält man die Zahlen der Uni Linz für zu hoch. Schließlich wird das Volumen des Sektors anhand von Indikatoren wie Bargeldumlauf, Arbeitszeiten oder Regulierungsdichte erfasst. „Dann hat man auch kriminelle Bereiche wie Drogenhandel und Prostitution dabei“, heißt es aus dem Ministerium.

Schwacher informeller Sektor

Der Pfusch, der sich in Österreich vor allem auf den Bau, die Gastronomie und das Transportwesen beschränkt, ist hierzulande im Europa-Vergleich relativ schwach verbreitet. In Ländern wie Griechenland, Italien oder Spanien macht der Sektor bis zu 25 Prozent des BIPs aus. Heuer werde die Schwarzarbeit in ganz Europa zulegen, prognostiziert Schneider. Die Zahl der heimischen „Vollzeit-Schwarzarbeiter“ soll 2009 auf 713.000 Menschen steigen, 1995 betrug die Zahl noch 575.000. Seit 2005 war die Schwarzarbeit hierzulande rückläufig, nun erlebt sie einen neuen Aufschwung.

Der Rechtsanwalt als Pfuscher

In Deutschland arbeiten laut Schneider etwa zehn Millionen Menschen schwarz. Dabei handelt es sich vor allem um Arbeitnehmer oder Selbstständige, die einen steuerpflichtigen Beruf ausüben, aber nebenbei 300 bis 400 Euro pro Monat dazuverdienen.

Aber es sind nicht nur Mechaniker oder Putzfrauen, die „schwarz“ dazuverdienen. Auch Architekten, Rechtsanwälte oder Berater bieten unter der Hand Dienstleistungen billiger an. Der Großteil der Bevölkerung nimmt ihnen das auch nicht übel. Bei einer Umfrage des Linzer Market Instituts zu Jahresbeginn haben 54Prozent der Befragten den Sätzen „Ohne Pfuscher kann man sich heute vieles nicht leisten“ und „Der Staat ist doch selbst schuld, dass es so viele Pfuscher gibt, die Steuern sind einfach zu hoch“ zugestimmt.

Die Steuern und Lohnnebenkosten sind es auch, an denen die Politik ansetzen sollte, empfehlen Experten. Schneider schlägt etwa die steuerliche Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen oder die Einführung von Mini-Jobs nach deutschem Vorbild vor. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bezeichnet der Schwarzarbeits-Experte hingegen als „Gift“. Bei einer solchen würde die Schattenwirtschaft weiter wachsen.

Auf einen Blick

Einer von vier. In der Steiermark verletzt eine von vier Baufirmen die Beschäftigungs- oder Finanzgesetze. Das hat eine Schwerpunktaktion der Finanzsondereinheit KIAB ergeben.

Schwarzer Boom. In der Krise legt der Pfusch wieder zu: In Österreich soll der informelle Sektor heuer um fünf Prozent auf 20,5 Mrd. Euro wachsen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2009)

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