Goldene Felsen in der Brandung

17,5 Kilogramm wiegt dieser Goldziegel.
17,5 Kilogramm wiegt dieser Goldziegel.(c) Bloomberg
  • Drucken

In den ersten Stunden nach dem Brexit-Votum weiß niemand recht, wohin mit dem Geld. Viel spricht dafür, erst einmal abzuwarten. Oder Sicherheit in Goldminen-Aktien zu suchen.

Wer nach dem Versagen der Meinungsforscher vor dem ersten Durchgang der österreichischen Bundespräsidentenwahl den Prognosen und Buchmachern vor dem britischen Brexit-Referendum noch irgendwie geglaubt hat, sollte jetzt endgültig geheilt sein. Die Euphorie der Märkte vor dem Referendum am Freitag über den Austritt Großbritanniens aus der EU ist vielleicht am ehesten damit zu erklären, dass die Wahrnehmung der Welt eben doch eine selektive ist und die Finanzwelt in den Metropolen eine potenziell abweichende Stimmung in der Peripherie nicht adäquat zur Kenntnis nimmt. Einzelne Händler und Diplomaten geben das immerhin zu.

Wie auch immer: Der Freitag wurde auch an der Börse zum schwarzen. Sie bildet ja vorausahnend ab, was da an Schwierigkeiten im Zuge der Scheidung der Briten von der EU noch daherkommen mag. Die Credit Suisse ist pessimistischer – oder realistischer? – als andere und erwartet nun, dass die britische Wirtschaft im zweiten Halbjahr in eine Rezession rutscht und 2017 statt mit den prognostizierten 2,3 Prozent mit nur 1,0 Prozent wächst. Die Eurozone dürfte glimpflicher wegkommen, wobei eine Senkung der Prognose für 2017 von 2,0 auf 1,0 Prozent auch alles andere als hoffnungsvoll ist.

Vor diesem Hintergrund hätte der Absturz der Börsen am Freitag – sieht man von den geprügelten Banken ab – auch schlimmer ausfallen können. Unter dem Strich gingen die europäischen Indizes nach anfänglichen Schockverkäufen mit einem Minus von sechs bis zehn Prozent aus dem Handel. Nervöser war man in Italien und Spanien, die ein Minus von mehr als zehn Prozent aufwiesen (siehe auch Artikel unten).

„Nach den ersten panikartigen Reaktionen an den Aktien- und Devisenmärkten dürfte es schnell zu einer Stabilisierung kommen“, meint Henning Vöpel, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts HWWI. Voraussetzung hierfür sei jedoch die Art und Weise, wie die Politik in Großbritannien und in der EU nun reagiere.

Das sind zu große Unbekannte, um eine Tendenz für die Börse erahnen zu können. Nicht zufällig kursieren seit dem Brexit die widersprüchlichsten Einschätzungen. Alles in allem ein Hinweis darauf, dass die Erfahrung für solche Situationen fehlt und noch niemand ein rechtes Gefühl dafür hat, wie die Entscheidungsträger damit umgehen werden. Kein Umfeld also, wo man als Kleinanleger dabei sein muss.

Auf eines aber kann man sich verlassen: Dass die Leute vorerst einmal die größtmöglichen Sicherheiten suchen. Und diese liegen nach wie vor im Gold. Allein Internetnutzer in Großbritannien, wo das Pfund den heftigsten Kursverlust seit 30 Jahren erlitt, googelten am Freitag sechsmal häufiger „Gold kaufen“ als sonst, wie der Internet-Konzern eruierte. Das Edelmetall verteuerte sich um bis zu 8,2 Prozent.

Wer den Run auf Gold hebeln möchte, muss zu Goldminenaktien greifen, wie dies an dieser Stelle schon öfters angemerkt wurde. Zwar sind die Minen-Titel nach einer fünfjährigen Talfahrt seit Jahresbeginn schon sehr heißgelaufen. Aber die neuen Unsicherheiten verleihen weiter Auftrieb, zumal es bis zu den einstigen Höchstständen weit ist. Finanzspekulant George Soros hat wegen des von ihm erwarteten Brexit neulich Gold und Anteile an Goldminen erworben – etwa von Barrick Gold(ISIN CA0679011084). Diese und andere Goldminenaktien haben am Freitag nach einem kurzzeitig extremen Kurssprung mit einem Plus von fünf bis zehn Prozent geschlossen. Zwar ist auch hier mit temporären Rücksetzern zu rechnen, aber große Fehler kann man mit einem Engagement nicht machen. Alternativen zu Barrick Gold sind Newmont Mining(ISIN US6516391066) oder EndeavourMining(ISIN KYG3040R1589).

Und wenn nicht goldenes Gold, dann sollte man künftig das sogenannte Betongold im Auge behalten. Auch Immobilien sind nämlich in unruhigen Zeiten ein begehrtes Investment. Immobilienwerte wie die deutsche Vonovia(ISIN DE000A1ML7J1) oder Buwog(ISIN AT00BUWOG001) in Österreich verzeichneten beim Börsenabsturz am Freitag die geringsten Abschläge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Zentralbanker als Brexit-Feuerwehr

Die großen Notenbanken versprechen, die Folgen des Brexit an den Aktienmärkten zu lindern. Die BIZ warnt derweil davor, den Zentralbanken zu viel umzuhängen.
Auch noch Tage nach dem Referendum demonstrieren Jugendliche im Regierungsviertel für einen Verbleib in der Europäischen Union.
Europa

"Eine schreckliche Kluft zwischen den Generationen"

73 Prozent der 18- bis 24-jährigen Briten haben für einen Verbleib in der EU gestimmt. Jetzt machen sie ihrem Ärger über die Älteren Luft, die ihnen eine Zukunft in der EU verwehrt haben.
Themenbild
International

Brexit: Die Revolution der Alten

Seit jeher sorgte der Generationenvertrag für Prosperität und sozialen Frieden. Er wurde gebrochen. Der Brexit zeigt, wie aus einem demografischen ein demokratisches Problem wird.
International

Alle Anlegeraugen auf Spanien

Nach dem Brexit zittern die Anleger bereits vor den heutigen Wahlen in Spanien. Die linken EU-Kritiker machen Angst.
Europa

EU kann Briten nicht zu raschem Antrag zwingen

Pieter Cleppe vom britischen Thinktank "Open Europe" zufolge bräuchten die Briten Zeit für eine Verhandlungsposition.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.