Bundeskanzler Christian Kern will ein Pilotprojekt für die Wertschöpfungsabgabe, die ÖVP ist davon nicht begeistert.
Wien. Die am Samstag bekannt gewordenen Pläne von Bundeskanzler Christian Kern für eine Wertschöpfungsabgabe haben zu einem Schlagabtausch in der Koalition und unter den Sozialpartnern geführt. ÖVP, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung kritisierten die Pläne, die SPÖ bemängelte Diskussionverweigerung. Unterstützung bekam sie von der Gewerkschaft.
Wie „Die Presse“ exklusiv berichtete, will die SPÖ ein erstes Pilotprojekt für eine Umschichtung der Finanzierung der Sozialsysteme starten. Der Familienlastenausgleichsfonds, über den die Kinderbeihilfe ausbezahlt wird, soll nicht mehr rein über lohnabhängige Abgaben finanziert werden. Die Beiträge der Arbeitgeber sollen von derzeit 4,5 auf drei Prozent der Lohnsumme gesenkt werden, im Gegenzug sollen aber Abgaben auf Gewinne und Mieten und Pachten eingeführt werden. In diesem aufkommensneutralen Modell soll der Faktor Arbeit entlastet werden.
Für den Koalitionspartner ÖVP antwortete Generalsekretär Peter McDonald mit einem klaren Nein: Dies sei eine unnötige Debatte, kontraproduktiv für das aufkeimende Wirtschaftswachstum. Neue Belastungen werde es mit der ÖVP nicht geben. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler forderte die ÖVP daraufhin auf, Vorschläge zu diskutieren, anstatt reflexartig „Njet zu sagen“.
Auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl lehnt die Wertschöpfungsabgabe ab. Statt Umverteilungskonzepte zu präsentieren sollte über eine Entlastung der Betriebe durch Investitionsanreize, Arbeitszeitflexibilisierung und Bürokratieabbau nachgedacht werden. Der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, warnte davor, dass die Wertschöpfungsabgabe Jobs kosten würde. Die Entlastung von Löhnen sei zwar grundsätzlich gut, wäre aber auch ohne Umschichtung durch Einsparungen möglich.
Dem widerspricht ÖGB-Präsident Erich Foglar: „In Zeiten der Digitalisierung, in der immer mehr Branchen mit immer weniger Beschäftigten auskommen, ist es höchst an der Zeit, nicht nur die Arbeitseinkommen als Finanzierungsgrundlage für den Sozialstaat heranzuziehen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2016)