Landwirtschaftsminister Rupprechter (ÖVP) über Fehler bei den Verhandlungen und die Folgen des Brexit.
Die Presse: Die deutschen Sozialdemokraten haben das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA für beendet erklärt. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sieht das nun ebenso. War's das mit dem Freihandel?
Andrä Rupprechter: Ich könnte es mir leicht machen und sagen: „Ich hab das immer schon gesagt.“ Tu' ich aber nicht. Aber ich habe früh darauf aufmerksam gemacht, dass viele Teile von TTIP problematisch sind. Zum Beispiel, dass es von den USA keine Bewegung gab. Außerdem hätte es von Anfang an Transparenz bei den Verhandlungen gebraucht.
Aber eigentlich ist es ein historischer Sieg der Linken, der Gegner vom Freihandel.
Ich finde es jedenfalls schade, dass sich die Verhandlungen so entwickelt haben. Es braucht klare, faire Handelsabkommen.
Damit ist jedenfalls die Hoffnung dahin, dass der Freihandel zwischen EU und USA eine Chance gewesen wäre, auch etwas dem Aufstieg Asiens entgegenzuhalten.
Ja, wobei: Das könnte jetzt auch eine Chance für den Multilateralismus sein. Es ist in den letzten Jahren zwar zu bilateralen Abkommen gekommen. Aber eigentlich hätten wir schon mit dem WTO-Abkommen (der Welthandelsorganisation, Anm.) den Ansatz zum multilateralen Freihandelsraum schaffen können. Das ist ins Stocken geraten. Das sollte aber wieder unser Ziel sein.
Also ein neuer Anlauf.
Es muss einen neuen Anlauf für Mulitlateralismus geben. Natürlich müssen wir auch Handelsbeziehungen zwischen Europa und den USA vernünftig aufstellen. Da muss man neu anfangen.
Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die österreichische Landwirtschaft?
Diese Auswirkungen werden wir wohl erst im Rahmen des Austrittsabkommens zwischen Großbritannien und der EU klären. Für die Landwirtschaft sind die Auswirkungen aber nicht so dramatisch: Österreich exportiert Agrarprodukte im Wert von 200 Millionen Euro nach Großbritannien, wir importieren im Wert von bis zu 100 Millionen Euro. Wir haben also ein positives Saldo. Und auch nach dem Austritt wird sich Großbritannien nicht abschotten.
Die Türkei droht als Absatzmarkt wegzufallen. Sie haben von Türkei-Bashing abgeraten und gefordert, die Beziehungen aufrechtzuerhalten. Zu welchem Preis?
Wenn wir Handel betreiben, dann müssen wir grundsätzlich berücksichtigen, in welchen Ländern welche Standards bestehen. Wir sollten uns aber beständig darum bemühen, dass sich wirtschaftliche Beziehungen weiterentwickeln, und auch die politischen Beziehungen aufrechterhalten.
Ihre öffentliche Aufforderung zur Mäßigung ist also als Kritik an Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz sehen.
Bei aller berechtigten Kritik an der Türkei – und ich möchte keine Aussage der beiden relativieren: Man sollte auch die wirtschaftlichen Beziehungen im Auge behalten.
Als Sie in Alpbach auf Kurz als neuen ÖVP-Chef angesprochen wurden, haben Sie süffisant gelächelt und gesagt: „Die Zukunft ist gewiss.“ Wie nah ist denn diese Zukunft?
An dieser Diskussion möchte ich mich nicht beteiligen.
Ist das überhaupt noch eine Diskussion?
Nächste Frage, bitte.
Ist für Sie als Tiroler ein politischer Wechsel in die Heimat ein Thema?
Zur Pension werde ich mich dort mit Sicherheit niederlassen.
Und vorher?
Ich habe vor der Pensionierung noch einige Jahre, in denen ich gestalten möchte.
Auf Bundes- oder auf Landesebene?
Gibt es noch eine andere Frage? Im Ernst: Ich sehe meine Rolle klar definiert, und zwar bis zum Ende der Legislaturperiode in meinem jetzigen Ressort.
Werden Sie bei der Bundespräsidentenwahl einem Tiroler Ihre Stimme geben?
Da verweise ich auf das Wahlgeheimnis.
Wenn man Sie ein bisschen kennt, kann man sich schon vorstellen, wen Sie wählen werden.
Na dann passt es eh. Ich werde mich sicherlich nicht öffentlich äußern.
ZUR PERSON
Andrä Rupprechter (55) ist seit 2013 Bundesminister für Umwelt und Landwirtschaft. Der Tiroler studierte Agrarökonomie an der Boku in Wien. Seine politische Karriere begann er beim Bauernbund. Später sammelte er Erfahrung in den Kabinetten der Agrarminister Franz Fischler und Wilhelm Molterer. Von 1993 bis 1994 war er Mitglied der Expertenverhandlungsgruppe, die den EU-Beitritt Österreichs vorbereitete, später folgte ein Direktorenamt in der Generaldirektion des Rats in Brüssel.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2016)