In einer Rede zur Lage der Nation wandte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch ungewöhnlich emotional an ihre Kritiker. Deutschland werde Deutschland bleiben.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat am Mittwoch die Generaldebatte im Bundestag über den Haushalt 2017 für eine Rede zur Lage der Nation genützt oder, wenn man so will, für eine Selbstverteidigungsrede. Nach der scharfen Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik und der Wahlschlappe am Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern (die CDU wurde von der AfD auf Platz drei verdrängt) versuchte Merkel, die Vorwürfe gegen ihre Person zu entkräften: "Hinter uns liegt ein Jahr, in dem uns viel abverlangt wurde. Aber die Situation heute ist um ein Vielfaches besser als noch vor einem Jahr." Und dies gelte für alle in Deutschland, nicht nur für Flüchtlinge.
Dabei leugnete die Kanzlerin nicht, dass es nach wie vor viele Probleme gebe. Etwa bei den Rückführungen: „Denen, die kein Bleiberecht haben, müssen wir sagen: Ihr könnt nicht bleiben." Und natürlich sei die Integration noch lange nicht abgeschlossen.
Merkel verteidigt Türkei-Deal
Und dann wäre da noch die Situation in der EU. „Ja es ist richtig. Die Solidarität in Europa lässt zu wünschen übrig", sagte Merkel. Daran müsse gearbeitet werden. Aber man habe auch viel erreicht. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex sei neu aufgestellt, in der Ägäis eine Nato-Mission gestartet worden, und man habe - „in beiderseitigem Interesse" - ein Abkommen mit der Türkei geschlossen. "Wenn man Schleppern nicht die Hoheit über die Geschäfte überlassen und Menschen ertrinken lassen will, muss man mit dem Nachbarn sprechen", verteidigte Merkel den Deal mit der Türkei – und wurde dabei ungewöhnlich emotional. Bevor es dieses Abkommen gegeben habe, seien hunderte Kinder und Frauen ertrunken. Da könne man doch nicht einfach zusehen.
Dann sprach die Kanzlerin über Mecklenburg-Vorpommern. Man habe einen Wahlsonntag erlebt, an dem nur die AfD gewonnen habe. Wählerbeschimpfungen seien nicht angebracht. Sie habe diese nie für richtig gehalten. "Uns alle treibt die Frage um, wie gehen wir mit so einer Situation um? Die AfD sei nicht nur eine Herausforderung für die CDU, "sie ist eine Herausforderung für uns alle in diesem Hause", rief Merkel unter Beifall. "Jeder von uns muss sich an die eigene Nase fassen."
An CSU-Chef Horst Seehofer, ihren schärfsten Kritiker in der Union, verschickte Merkel eine subtile Botschaft: Die Politik müsse sich im Ton mäßigen. „Wenn auch wir anfangen, in unserer Sprache zu eskalieren, gewinnen nur die, die auf Parolen und scheinbar einfache Antworten setzen." Und auch die SPD, die sich zuletzt von der gemeinsamen Asylpolitik distanziert hatte, ging nicht leer aus: "Wenn wir untereinander nur den kleinen Vorteil suchen, um zum Beispiel noch irgendwie mit einem blauen Auge über einen Wahlsonntag zu kommen", dann helfe das nur der AfD.
„Veränderung ist nichts Schlechtes"
Am Ende ihrer Rede richtete die Kanzlerin den Blick in die Zukunft: „Welches Land wollen wir im 21. Jahrhundert sein", fragte sie in die Runde. Welche Rolle solle Deutschland in der EU spielen? International? Wie solle man der Globalisierung begegnen, wie den Menschen Halt und eine Perspektive geben in einer Welt, die sich gerade so gewaltig verändere?
Die Antwort der Kanzlerin: „Wir dienen unserem Land am besten, wenn wir uns an den deutschen Werten orientieren: Freiheit, Sicherheit, Gerechtigkeit, Solidarität." Deutschland habe sich immer wieder verändert. „Veränderung ist nichts Schlechtes." Sie selbst habe das nach der Wende erlebt, sagte Merkel. Aber „Liberalität, Demokratie, Rechtsstaat und soziale Marktwirtschaft" würden die Grundsäulen des Staates bleiben. „Das wird sich nicht ändern. Deutschland wird Deutschland bleiben – mit allem, was uns daran lieb und teuer ist."