Rechts von der CSU ist jetzt kaum noch Platz

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Obergrenze, christliche Leitkultur und Kritik an Österreich: CSU-Chef Seehofer legt ein Migrationspapier vor, das an die AfD (und die FPÖ) erinnert. Und den Konflikt mit Merkel weiter anheizen wird.

Berlin/München. Rechts von der CSU, hat Parteilegende Franz Josef Strauß einmal gesagt, dürfe kein Platz mehr sein. Das neue Flüchtlingspapier der bayrischen Unionshälfte zeigt, dass seine Erben diesen Satz beherzigen. Es handelt sich um eine fünfseitige Beschlussvorlage für die Klausur des CSU-Vorstands am Freitag und am Samstag in der Oberpfalz. Darin werden Verschärfungen in der Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik gefordert. Das meiste – wenn nicht alles – könnte auch von der AfD stammen. Oder der FPÖ. Zum Beispiel dieser Satz: „In Zukunft muss gelten: Vorrang für Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis.“

Die CSU um ihren heutigen Chef, Horst Seehofer, geht damit in Opposition zu Kanzlerin Angela Merkel, die bisher alle Forderungen aus Bayern ausgeschlagen hat und ihren liberalen Kurs beibehalten möchte. Erst am Mittwoch hat Merkel im Bundestag erklärt, dass sie keinen Grund zur Sorge sieht: „Deutschland wird Deutschland bleiben – mit allem, was uns daran lieb und teuer ist.“

„Deutschland muss Deutschland bleiben“, fordert nun Seehofer. „Wir sind dagegen, dass sich unser weltoffenes Land durch Zuwanderung und Flüchtlingsströme verändert“, heißt es in dem Papier. In der bayrischen Landesverfassung will die allein regierende CSU eine „Leitkultur“ verankern, die vorerst als „das Gegenteil von Multikulti“ definiert ist. „Nicht wir haben uns nach den Zuwanderern zu richten, sondern umgekehrt.“

Für den Bund soll dasselbe gelten. Seehofer verlangt eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Über das Bleibrecht soll in „Transitzonen“ entschieden werden. Das setzt natürlich Grenzkontrollen voraus. Und sobald der Fluchtgrund weggefallen sei, sollten die Menschen konsequent in ihr Heimatland abgeschoben werden. Sie würden dort zum Wiederaufbau gebraucht.

Im Inland will die CSU neue Integrationsregeln. „Wo immer dies rechtlich möglich ist“, soll das Tragen von Burka und Niqab, dieser „Uniformen des Islamismus“, untersagt werden. Es dürfe „keine Multikulti-Sonderformate“ wie eigene Badezeiten für Muslime geben. Doppelstaatsbürgerschaften sollten abgeschafft werden. Visa-Erleichterungen für Türken lehnt man ebenso ab, nicht aber das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei.

Sobotka weist die Kritik zurück

Auch Österreich wird in die Pflicht genommen. Die CSU begrüßt die Drohung von Innenminister Wolfgang Sobotka, Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, wenn es weiterhin keine Flüchtlinge zurücknimmt, erwartet aber, dass Österreich nun das Gleiche mit Flüchtlingen aus Deutschland tut. Er habe die vielen österreichischen Busse an der deutschen Grenze noch gut vor Augen, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der „Passauer Neuen Presse“. Sobotka versteht die Kritik nicht: Österreich würde alle Dublin-Fälle binnen 14 Tagen zurücknehmen. Man halte sich also an die Regeln.

Für die CSU ist Österreich ohnehin nur ein Nebenaspekt, es geht ihr vor allem darum, Druck auf Merkel aufzubauen. Seehofer glaubt, dass die aufstrebende AfD nur dann in Zaum gehalten werden kann, wenn die Union weiter nach rechts rückt. Schon länger droht er der Kanzlerin mit einem eigenen CSU-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017. Jüngstes Indiz für die Verstimmungen: Merkel hat bisher noch keine Einladung für den CSU-Parteitag im November erhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2016)

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