Der Kanzler beharrt auf einen Kurswechsel in der EU-Wirtschaftspolitik - und sieht sich durch Kommissionspräsident Juncker bestätigt. Finanzminister Schelling verteidigt seine Kritik.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat die ÖVP-Kritik an seinen Vorschlägen zur Reform der EU-Wirtschaftspolitik, die er in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) geäußert hatte, zurückgewiesen. Sie sei "Ausdruck einer bestimmten rechten Ideologie", sagte Kern am Mittwoch im Ö1-"Mittagsjournal". Damit nahm er wohl insbesondere auf Äußerungen von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) Bezug. Letzterer hatte Kern - ebenfalls in der FAZ - einen "linken Ideologieträger" genannt.
Weiters betonte Kern, sich auf einer Linie mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu sehen, der kein Sozialdemokrat sei, wie der SPÖ-Bundesparteivorsitzende festhielt. Auch verwies er darauf, dass eben Juncker am heutigen Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union eine Verdoppelung des EU-Investitionsfonds gefordert habe, um Beschäftigung anzuregen. "Das ist das, was ich auch möchte. Der Herr Juncker ist ja bekanntlich Mitglied der Europäischen Volkspartei und nicht der Sozialdemokraten."
Ist Juncker "nun auch ein 'linker Ideologieträger'"?
In die gleiche Kerbe schlug der rote Klubobmann Andreas Schieder. Er schrieb in einer Aussendung in Anspielung auf Schellings Kritik an Kern, dass Juncker für die ÖVP "nun auch ein 'linker Ideologieträger'" sein müsste. Juncker habe nämlich Kerns Forderung nach mehr öffentlichen Investitionen unterstützt, "gegen die die ÖVP heute unverständlicherweise Sturm läuft".
Schelling verteidigte unterdessen seine Kritik, er habe "keine negative Assoziation" mit dem Begriff "linker Ideologieträger", den er im "FAZ"-Interview verwendet hatte. Die Aussage sei "nicht persönlich" gemeint, sagte der Finanzminister in einem Interview in der ORF-Sendung "ZiB". Kern sei "die Speerspitze der sozialdemokratischen europäischen Regierungen" beim Vorantreiben des Projekts. Außerdem beklagte der ÖVP-Politiker, dass Kern seinen Vorstoß nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt habe. "Der Bundeskanzler fordert Teamgeist von der Bundesregierung ein. Wenn man solche Überlegungen anstellt, wäre es gut, dass man es als Regierungslinie anstreben würde", meinte der frühere Wirtschaftskammer-Vizepräsident.
Mittwochnachmittag stärkte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner Schelling den Rücken. Der ÖVP-Obmann warf Kern ein "gewagtes Ablenkungsmanöver" vor, nachdem dieser sich auf einer Linie mit dem christdemokratischen Juncker präsentiert hatte. "Gewagtes Ablenkungsmanöver mit Juncker: Kern-Frage ist, ob wir in Europa auf neue Schulden oder Reformen setzen", teilte Mitterlehner über Twitter mit. "Bin im Team Marktwirtschaft."
(Red./APA)