Der Außenminister umgarnt Unternehmer, wirbt um Griss-Unterstützer, stößt aber auch auf Widerstand.
Am Freitag der Vorwoche hatte Sebastian Kurz im Außenministerium namhafte Unternehmer um sich geschart. Nicht wenige von diesen hatten im Präsidentschaftswahlkampf Irmgard Griss unterstützt. Die Unternehmer sollten ihm ihre Sorgen und Nöte darlegen, erklären, wo der Schuh drückt. Kurz hörte interessiert zu. Ein Termin, den er nicht an die große Glocke hängte. Auch innerparteilich nicht.
Sebastian Kurz, der Außenminister, der nebenher auch noch den Wirtschaftsminister macht? Schon seit längerem berichten Unternehmer und Manager immer wieder begeistert, dass sie bei Kurz ein offenes Ohr fänden. Gelte es Hürden im Ausland aus dem Weg zu räumen, der Außenminister sei gerne behilflich. Oft genüge ein Brief an die jeweiligen ausländischen Stellen, um ein Problem zu beseitigen. Kurz, so wird erzählt, sehe sich selbst als Interessensvertreter der österreichischen Wirtschaft im Ausland. Jedenfalls vermittelt er diesen Eindruck.
Es muss wohl nicht eigens erwähnt werden, dass die Kurz-Performance bei den Unternehmern am Freitag der Vorwoche überaus gut ankam. Und jene, die in Wien tätig sind und über die dortigen Verhältnisse klagten, bekamen ein paar Tage später erneut eine von Kurz per Mail versandte Einladung (inklusive seiner Handynummer): für ein Treffen mit dem Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel, der sich ihrer Sache gerne weiter annehmen werden. Blümel, wie Kurz in der JVP sozialisiert, gehört zum politischen Freundeskreis des Außenministers.
Hier bereitet sich also einer, wie es aussieht, auf den Tag X vor. Auch wenn er selbst den amtierenden Parteichef Reinhold Mitterlehner stets seiner Loyalität versichert. Und sein Umfeld stets darum bemüht ist, ja nicht den Eindruck zu erwecken, dass da jemand nach Höherem strebe.
Und es ist auch nicht so, dass Kurz vor Ehrgeiz darauf brennt, unbedingt und vor allem jetzt schon, ÖVP-Chef werden zu wollen. Als dies nach der Niederlage bei der Präsidentenwahl schon einmal spruchreif war, war Kurz froh, dass der Kelch noch einmal an ihm vorüberging. Als Vizekanzler neben Christian Kern gibt es wenig zu gewinnen.
Allerdings: Der Tag wird kommen. Das ist auch Mitterlehner bewusst. Er wäre der erste ÖVP-Chef – abgesehen vom verunglückten Karl Schleinzer und dem erkrankten Josef Pröll –, dem es nicht einmal vergönnt wäre, eine Nationalratswahl zu schlagen. Dabei war er erst 2014 mit 99,1 Prozent zum Obmann gewählt worden war.
Es gibt aber durchaus auch noch Widerstand gegen einen Wechsel von Mitterlehner zu Kurz. Angeführt von Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer, der hinter seinem Landsmann steht. „Aber im Falle des Falles lassen wir uns von einer Lame duck sicher nichts vorschreiben“, sagt ein ÖVP-Nationalratsabgeordneter. Gemeint ist Pühringer, der bei der nächsten Landtagswahl in Oberösterreich nicht mehr antreten wird.
Sebastian Kurz hatte jüngst auch bei der Wahl der Rechnungshofpräsidentin seine Finger im Spiel. Er war auf der Seite jener – wie Reinhold Lopatka oder Erwin Pröll –, die mit Helga Berger, der Budgetsektionschefin im Finanzministerium, eine „schwarz-blaue“ Kandidatin forcierten. Parteichef Mitterlehner hatte Müh und Not, seine Abgeordneten davon abzubringen und sie auf die „schwarz-rote“ Margit Kraker einzuschwören, da der neue SPÖ-Chef Christian Kern sonst die Koalition aufgekündigt hätte.
Umfrage-Kaiser und Heldengeschichte
Dafür reichte Mitterlehners Autorität noch aus. Sollte die Koalition jedoch platzen – und selbst beim regulären Wahltermin –, wird diese nicht mehr ausreichen, dem Druck standzuhalten, zu Gunsten von Kurz zu verzichten. Dieser hat einfach auch die besseren Umfragewerte. Das ist selbst jenen in der ÖVP klar, denen der Außenminister in der Flüchtlingskrise zu rechts und populistisch erschien. Für die anderen hat Sebastian Kurz ohnehin eine Heldengeschichte abgeliefert: mit dem Schließen der Balkanroute nicht nur das kleine Österreich, sondern auch das große Deutschland, wenn nicht gleich ganz Europa gerettet.
Man darf allerdings davon ausgehen, dass Sebastian Kurz, wenn er dereinst Parteichef ist, sich selbst und die Partei (wieder) wesentlich breiter aufstellen wird. Die Einladung an die Griss-nahen Unternehmer kann als erstes Indiz gewertet werden.
Und was macht Reinhold Mitterlehner derweil? Er konzentriert sich auf seine Arbeit, versucht sein Profil zu schärfen und setzt darauf, dass der Tag X – aus welchem Grund auch immer – gar nicht kommt. Oder wie es einer aus der Mitterlehner-Fraktion formuliert: „In der Politik kann sich alles ja schnell wieder drehen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2016)