Es gehe im Abkommen gar noch nicht so sehr um Handel. Er sehe aufgrund der Kritik an der Globalisierung bis jetzt aber noch keine protektionistischen Tendenzen, sagte der Nobelpreisträger.
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman sieht die sogenannten Freihandelsabkommen "sehr ambivalent" und spricht sich tendenziell gegen TTIP aus. Der US-Ökonom würde das geplante EU-USA-Abkommen nicht umsetzen. Die Kritik an der Globalisierung sei ein bequemer Sündenbock für die Migrationsproblematik. Eine aktive Klimapolitik könnte eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme sein.
"Die Abkommen heißen ja nur Freihandelsabkommen. In Wahrheit geht es bei den wichtigen Teilen der Verträge gar nicht um freien Handel", sagte Krugman in einem "Standard"-Interview. Vielmehr gehe es um geistiges Eigentum, um Schiedsgerichte. "Es ist alles andere als klar, ob man als Fan des Freihandels diese Verträge unterstützen sollte. Ich sehe sie sehr ambivalent", sagte Krugman.
Schlichtungsstellen könnte man hinterfragen
Patentschutz und Schlichtungsstellen in den Abkommen könne man beides gut begründet hinterfragen, sagte Krugman vor kurzem auch zur "Neuen Züricher Zeitung" (NZZ) und führte dort aus: "Müssen wir uns die Forderungen der Pharmakonzerne zu eigen machen, in Entwicklungsländern monopolistisch aufzutreten? Müssen wir staatliche Befugnisse an Private übertragen? Ich bin tendenziell gegen TTIP und würde das Abkommen nicht umsetzen", so der Ökonom.
Protektionistische Tendenzen aufgrund der Kritik an der Globalisierung sehe er bis jetzt aber noch keine. Viele Fachleute hätten geglaubt, dass die Länder in der globalen Rezession protektionistisch agieren werden. "Es ist nicht passiert. Auch jetzt nicht. Der Handel wird mit diesen Abkommen ja nur ein klein wenig einfacher", so Krugman im "Standard".
Globale Standards fraglich
Das Argument der Befürworter, die USA und die EU sollten Standards setzen, bevor es die Chinesen tun, hält Krugman nicht für überzeugend. "Ich bin mir nicht sicher. Es ist nicht klar, ob es je globale Standards geben wird", so der Ökonom. Auch die Befürworter würden sagen, dass es ökonomisch nicht so wichtig sei. Es gehe mehr um die geopolitische Symbolik, solche Abkommen zu schließen.
"Ich weiß nicht, ob der hypothetische Aufstieg Chinas als Argument reicht, wenn man die Abkommen ökonomisch nicht rechtfertigen kann", so Krugman. Wenn TTIP ein limitierteres Abkommen wäre und die Schiedsgerichte nicht so industriefreundlich ausschauen würden, hätten ihn die geopolitischen Argumente vielleicht überzeugt. "Was wir in puncto Handelsabkommen machen, wird keinen großen Unterschied machen an der Rolle Chinas in der Welt", so der Ökonom.
Krugman: Euro nicht abschaffen
Zum Thema Euro und Währungsunion meinte Krugman, dass die Transferunion, die es bräuchte, damit der Euro funktioniert, vom Tisch sei. Er würde aber - anders als sein Kollege Joseph Stiglitz - nicht für eine Abschaffung des Euro plädieren. Er glaube aber noch immer, dass Griechenland den Euro hätte verlassen sollen. Die Kosten für eine Auflösung der ganzen Währungsunion wären aber hoch. "Das System ist es wert, noch einen letzten Rettungsversuch zu starten, um es zu reparieren", so Krugman.
Generell rät Krugman mehr über das "Klima" zu reden. Alles andere sei in der Relation völlig unbedeutend. Das Klima könnte auch eine Lösung für die wirtschaftspolitischen Probleme sein, die wir haben. "Eine aktive Klimapolitik wäre ein wirtschaftlicher Stimulus für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Es ist erstaunlich, wie wenig wir darüber reden, auch wenn die Evidenz immer größer wird, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern", so der Ökonom.
>> Artikel in "NZZ"
(APA)