Ihro stadträtliche Gnaden und die Fach-Halawacheln

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Die Welt steckt ja voller Unverständnis.

Als kürzlich Wiens Umweltstadträtin öffentlich bekannte, sich über die Juryentscheidung eines Architekturwettbewerbs hinweggesetzt zu haben, schlicht deshalb, weil ihr das Ergebnis, kurz gesagt, nicht passte, waren seitens des hiesigen Kleingeists alsbald Vergleiche mit Zeiten kaiserlich-absolutistischer Machtentfaltung zur Hand. Einmal abgesehen davon, dass es nicht nur unter Kaisern, sondern genauso unter Herzögen, Grafen und Baronen üblich war, die Urteile subalterner Fach-Halawacheln zu ignorieren: Was ist schon Schlimmes dran? Ist es denn nicht ein schönes Zeichen gelebter Tradition, wenn jemand oder vielmehr eine Jemandin im 21. Jahrhundert das tut, was unter den Majestäten unserer Vor- und Vorvorväter selbstverständlich war?

Dazu passt die hochherrschaftliche Grandezza, mit der im gegenständlichen Fall nicht nur ein Siegerprojekt, sondern gleich das Vorhaben insgesamt – dem Vernehmen nach ein Bürogebäude für die MA 48 – sistiert wurde. Einen Wettbewerb für etwas auszuschreiben und durchführen zu lassen, auf das man bei Nichtgefallen mir nix, dir nix auch verzichten kann, dafür bedarf's eines Adels, der weit mehr als nur einer des Herzens ist.

Überhaupt: Es ist schon etwas Wunderbares um Wiens umweltstadträtliche Nobilität, erst recht, wenn sie sich gelegentlich unters gemeine Volk mischt; dank des emsigen Wirkens der rathäuslichen Hofberichterstatter dürfen wir ja davon verlässlich in Wort und Bild erfahren, egal, ob sich gerade ein Bezirksvorsteher, ein verwaistes Hunderl oder ein Gackerl-Sackerl-Spender der hochlöblich-stadträtlichen Gunst erfreut. Und seien wir ehrlich: Wie leer, wie schmuck-, wie seelenlos wäre dieses Wien des Jahres 2016 ohne die zahllosen charmanten Informationstäfelchen und -tafeln, von denen uns Ihro Stadträtinnengnaden mild entgegenlächelt, als wäre sie nicht, was sie ist, sondern fast jemand so wie wir. Ja, in diesem Lager ist Österreich: So aristokratisch können nur hierzulande Demokraten sein.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)

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