Zwei im Großhandel tätige Wiener Unternehmer haben die Marke gekauft und wollen die Supermarktkette in ganz Österreich wiederbeleben. Eine Testfiliale eröffnet im November.
Ziemlich genau ein Jahr nach der Zielpunkt-Pleite sperrt „Zielpunkt“ wieder auf: Mit altem Design, altem Namen – aber neuen Besitzern. Manuela und Ramas Atanelov haben die Wortbildrechte aus der Konkursmasse des ehemaligen Besitzers Georg Pfeiffer erbworben – und wollen die ramponierte Marke wieder zum Leben erwecken. Das ambitionierte Ziel: Supermarktfilialen in ganz Österreich. Der erste Schritt ist eine Testfiliale in der Wallensteinstraße nahe der Friedensbrücke in der Wiener Brigittenau.
„Wir wollen hier unser Konzept für rund drei Monate testen und nächstes Jahr weitere Filialen in ganz Wien eröffnen“, sagt Manuela Atanelov (53). Es gebe noch immer sehr viele Grätzeln in der Stadt, wo die Nahversorgung sehr schlecht sei, man weit zu Fuß gehen oder gar mit dem Auto fahren müsse. In dieses Vakuum wolle man vordringen. Wo die neuen Standorte sein werden, wollten die frischgebackenen Zielpunkt-Chefs noch nicht verraten. Die Verhandlungen um Geschäftslokale seien in vollem Gange.
Hauptzielgruppe Familien
Das Scheitern der Supermarktkette Zielpunkt ist kein Einzelfall. Zumeist sind es nationale Unternehmen, die vom Markt verschwinden. Für den größten Aderlass sorgte der Niedergang des Konsums in den 90er-Jahren. Zumindest manche Marke hat unter einem neuen Eigentümer überlebt. "Die Presse" zeigt die größten Handelspleiten seit 1992 ... www.BilderBox.com
Drei Jahre vor dem Konsum erwischte es die Foto- und Elektronikhandelskette Foto Herlango. Die Überschuldung des Filialisten mit 93 Standorten wies stolze 138 Millionen Euro auf. betroffen waren 1100 Mitarbeiter sowie weit über 1000 Lieferanten. Das Unternehmen wurde um etwa acht Millionen Euro (115 Millionen Schilling) von Elektro Niedermeyer übernommen. www.BilderBox.com
Die größte Pleite in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte ist bislang der Bankrott des Einzelhandelsriesen Konsum. In den mehr als 1000 Standorten waren 17.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der angehäufte Schuldenberg des "roten Riesen" betrug 1,9 Milliarden € damals noch 26 Milliarden Schilling. Ein Hauptgrund für den Niedergang war, dass der Konsum den damals dynamisch wachsenden Lebensmittelfilialisten wie Billa und Spar nichts entgegensetzen konnte. APA
Die Holz-Steiner-Gruppe ging 1999 bereits zum zweiten Mal pleite. Bereits zehn Jahr zuvor war Holz Steiner zahlungsunfähig und musste den Ausgleich anmelden. 34 Fachmärkte fielen der Insolvenz zum Opfer, die Überschuldung schlug sich mit 61 Millionen Euro zu Buche. 274 Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. APA
Die Firma Kleider Bauer mit Sitz in Perchtoldsdorf wurde 2000 insolvent. Übernommen wurden der lange marktbeherrschende Bekleidungshändler von der österreichischen Investorenfamilie Graf, die etwa sieben Millionen Euro (über 100 Millionen Schilling) auf den Tisch gelegt haben soll. Immerhin blieben 30 der insgesamt 44 Filialen erhalten. Für Aufsehen sorgte die Familie Graf im Jahr 2004, als sie sich einen Teil der ebenfalls insolventen Hettlage-Filialen einverleibte. APA
Die Insolvenz der Autozubehör-Kette Forstinger ging als eine der größten Pleiten 2001 in die Geschichtsbücher ein. 90 Millionen Euro machte die Überschuldung aus. Zehn der 121 Filialen wurden damals geschlossen, 50 Mitarbeiter verloren ihren Job. Nach einer geglückten Sanierung stand das Handelsunternehmen 2009 abermals auf wackeligen Beinen. Nach der Insolvenz der Forstinger-Mutter FHS Beteiligungsverwaltungs GmbH wurde die Firma von der niederösterreichischen Alcar-Gruppe komplett übernommen. Forstinger Handel und Service G
Im Juni 2001 musste der vom Buchhändler zum Onlinehändler mutierte Libro-Konzern mit 240 Millionen Euro Schulden den Ausgleich anmelden. Im Juni 2002 kam es zum Anschlusskonkurs, als Bankenverhandlungen scheiterten. Die Passiva beliefen sich auf 349 Millionen Euro. Während die Amadeusfilialen 2002 von der Buchgruppe Thalia übernommen, kaufte im November 2002 ein Konsortium um den Industriellen Josef Taus Libro um fünf Millionen Euro aus der Konkursmasse heraus. APA
Die Pleite der deutschen Konzern-Mutter Arcandor riss auch den Österreich-Ableger des Versandhändlers mit. Mit der Insolvenz haben 1100 Quelle-Mitarbeiter ihre Jobs verloren. Die Überschuldung betrug 88 Millionen Euro. Der Name „Quelle“, lange das Synonym für Versandhandel und die 1500 Seiten starken Kataloge, die halbjährlich an 1,2 Millionen Haushalte verschickt wurden, verschwanden. Otto-Versand erwarb die Namensrechte. APA/rubra/RUDOLF BRANDSTÄTTER
Betroffen von der Cosmos-Insolvenz waren etwa 1160 Dienstnehmer und rund 1500 Gläubiger. Die 27 Filialen wurden geschlossen. 2005 hatte Sanierer Erhard Grossnigg, als er Cosmos kaufte, 25 Prozent Marktanteil im Auge. Doch die Preisschlacht gegen MediaMarkt/Saturn, die bei 30 Prozent Marktanteilhalten, ging verloren. APA/HANS KLAUS TECHT
Am 2. April 2013 meldete Niedermeyer Insolvenz an - mit 29 Millionen Euro Schulden. 53 der 98 Filialen wurden sofort geschlossen, der Rest wenige Monate später. 580 Beschäftigten waren von der Insolvenz betroffen. Niedermeyer war kein klassischer Computerhändler sondern verkaufte Fotoapparate, Fernseher, Stereoanlagen, etc. Am Ende wurde dem Unternehmen wohl das Internet zum Verhängnis. APA/HERBERT PFARRHOFER
Die Drogeriemarktkette dayli war eine der spektakulärsten Handelspleiten. Erst 2012 hat Rudolf Haberleitner die Österreich-Tochter der insolventen deutschen Schlecker-Gruppe übernommen und daraus dayli gemacht. Für das insolvente Unternehmen hat sich kein Investor gefunden. Es hat Passiva in der Höhe von 67 Millionen Euro angehäuft. 3500 Mitarbeiter, vornehmlich Frauen, haben ihren Job verloren. APA/GEORG HOCHMUTH
DiTech war eines von Österreichs Vorzeigeunternehmen. 1999 von Damian und Aleksandra Izdebski gegründet, expandierte DiTech schnell und baute in ganz Österreich Filialen auf. Im Jahr 2014 wurde das Unternehmen geschlossen. Denn DiTech ist mit der Suche nach einem Investor gescheitert. Von der Schließung waren 22 Standorte und rund 250 Mitarbeiter betroffen. APA/HERBERT NEUBAUER
Die Tochter der Pfeiffer-Gruppe mit 2500 Beschäftigten hat den langen Kampf ums Überleben verloren. Pfeiffer will die zur Rettung notwendigen 60 Millionen Euro nicht aufbringen. Anfang Dezember will Zielpunkt einen Insolvenzantrag stellen. >>> mehr dazu lesen Sie hier Die Presse (Clemens Fabry)
Die Textilkette Charles Vögele muss nun auch in Österreich Insolevenz anmelden. Zuletzt waren in 102 Filialen 711 Mitarbeiter beschäftigt. Zuletzt gehörte das Unternehmen zum italienischen Modekonzern OVS, der 2016 als Retter der angegrauten Marke angetreten war. >>> mehr dazu lesen Sie hier: APA/HERBERT PFARRHOFER
Handel: Die größten Pleiten seit 1992
Die Hauptzielgruppe der neuen alten Supermarktkette sind Familien, die knapp bei Kasse sind. „Viele Familien ernähren sich ungesund, weil gewisse Waren in vielen Supermärkten sehr teuer sind – das muss aber nicht sein“, sagt Manuela Atanelov, die mit ihrem Geschäftspartner und Exmann Ramas (57) seit drei Jahrzehnten im Großhandel mit unterschiedlichsten Produkten tätig ist. So waren sie etwa Hauptlieferanten der Ladenkette „Bestpreis“, die mehr als 90 Filialen hatte. Derzeit beliefern die Anatelovs hauptsächlich Großhändler von Supermärkten (vor allem türkische) mit Obst und Gemüse.Mit ihrem Know-how um Grünzeug wollen sie punkten. Im neuen Zielpunkt soll es eine breitere Obst- und Gemüse-Auswahl sowie sonst im Supermarkt weniger gängige Sorten geben. „Es gibt so tolles Gemüse, das aber nur selten in den Regalen zu finden ist. Wir wollen unseren Kunden diese Vielfalt zeigen. Unsere Filialen sollen Marktflair verströmen“, sagt Ramas Atanelov. Neben Gemüse soll im Zielpunkt vor allem Fleisch günstiger als woanders zu bekommen sein – denn Rindfleisch etwa sei in vielen Supermärkten für Familien schlicht zu teuer. Neben den Standbeinen billiges Obst, Gemüse und Fleisch ist eine Zielpunkt-Eigenmarke in Ausarbeitung, die wie bei Rewe oder Spar besonders günstige Produkte enthalten soll. Ein besonderes Augenmerk will man bei Zielpunkt künftig auch auf internationale Lebensmittel legen, die Heimatgefühle der großen Migrantencommunites befriedigen sollen. „Ethno-Food“ ist ein Konzept, das auch Rewe und Spar verstärkt verfolgen und ganze Regale mit Produkten aus der Türkei und Exjugoslawien füllen. Bei Zielpunkt sollen dazu etwa auch Lebensmittel aus Russland angeboten werden – Ramas Atanelov selbst hat georgische Wurzeln.
Noch immer viele arbeitslos
Dass der Name „Zielpunkt“ nach der Pleite so beschädigt ist, dass die Marke ihrem Geschäftsvorhaben mehr schaden als nützen könnte, das glauben die neuen Eigentümer nicht. „Man wird neugierig sein, wird es sich ansehen wollen – allein das bringt uns schon Kunden“, sagt Ramas Atanelov.
Die Filiale in der Wallensteinstraße soll im November eröffnen, weitere Geschäfte sollen ab 2017 folgen. Die Finanzierung für die Expansion sei gesichert. „Es gibt viele angesehene Geschäftsleute, die mit uns arbeiten wollen“, sagt Ramas Atanelov, Konkretere Details dazu will er allerdings noch nicht nennen.
Die Brigittenauer Filiale wird 13 Angestellte haben – viele haben auch zuvor bei Zielpunkt gearbeitet, bevor im Herbst 2015 Konkurs angemeldet wurde. Österreichweit wurden 2700 Mitarbeiter in 229 Filialen von einem Tag auf den anderen arbeitslos. In Wien betrieb die Supermarktkette 126 Filialen, in Niederösterreich 53, im Burgenland 23 und in der Steiermark 27.
In der Hauptstadt sind laut AMS nach wie vor 250 ehemalige Mitarbeiter auf Jobsuche – weitere 100 machen mit Unterstützung des AMS Wien eine Um- oder Höherqualifizierung, wie etwa einen fehlenden Lehrabschluss, um bessere Jobchancen im Handel zu haben, oder die Branche zu wechseln. Viele der Arbeitslosen sind Frauen.
Beim neuen Zielpunkt sind die ehemaligen Zielpunkt-Mitarbeiter willkommen. „Jetzt muss einmal die Testphase gut über die Bühne gehen, aber wenn wir dann expandieren, freuen wir uns sehr über Bewerbungen“, sagt Manuela Atanelov. „Ich brauche Leute, auf die ich mich verlassen kann. Mir ist das egal, ob sie alt oder jung sind. Wenn jemand gerne arbeiten will, ist er bei mir richtig.“