Im Mai galt er schon als neuer Präsident. Nun hat Alexander Van der Bellen den Einzug in die Hofburg noch klarer geschafft. Nach einer Tour quer durchs ganze Land.
Unter den Klängen von „We are the champions“ und „I am from Austria“ zieht Alexander Van der Bellen am Sonntagabend zur Wahlfeier in die Wiener Sofiensäle ein. Seine Fans jubeln frenetisch, sie halten VdB-Plakate in die Höhe, einige schwingen Regenbogenfahnen.
Van der Bellen lächelt entspannt, wie man ihn im Wahlkampf selten gesehen hat. Ein Kinderchor singt für ihn auf der Bühne die Bundeshymne. Als die Strophe „Heimat großer Töchter und Söhne“ korrekt in der neuen Version gesungen wird, brandet noch einmal extra Applaus auf. Van der Bellen nimmt das Mikrofon und sagt einfach nur ein lang gezogenes und erleichtertes: „Aaaaah!“ Der Saal jubelt. Van der Bellen ist am Ziel: Er wird neuer Bundespräsident der Republik Österreich.
„Wir haben gewonnen“, sagt Van der Bellen nun auf der Bühne. Und verweist darauf, dass sein Wahlsieg diesmal viel klarer ausgefallen ist als im Mai bei jenem Urnengang, den der Verfassungsgerichtshof später aufheben sollte. Van der Bellen verweist auf die europapolitische Bedeutung, die seine Wahl habe. „Wir haben ein rot-weiß rotes Signal ausgesendet. Und dieses Signal wird in den Hauptstädten Europas gelesen werden. Und nicht nur in den Hauptstädten!“
Sieger zollt Hofer Respekt
Mit einem derart klaren Wahlsieg hatte Van der Bellen selbst nicht gerechnet. „Man rechnet nicht mit so etwas, man hofft“, hatte der 72-Jährige schon am frühen Abend im ORF-Fernsehen erklärt. Er wolle nun auf die Wähler aller Parteien zugehen, betonte Van der Bellen. Er zollte Hofer ausdrücklich Respekt und erklärte, dass auch die Wähler der FPÖ „durchaus berechtigte Sorgen“ hätten. Diese „realen Befürchtungen“ müsse man ernst nehmen. In Richtung der rot-schwarzen Koalition sagte das künftige Staatsoberhaupt, er hoffe, dass keine vorzeitigen Nationalratswahlen nötig würden. Das habe jedoch nur das Parlament zu entscheiden.
Hunderte Menschen sind am Sonntagabend in die Sofiensäle in Wien-Landstraße gekommen und haben den Wahlsieg ihres Kandidaten, Alexander Van der Bellen, gefeiert. Zunächst hieß es aber warten auf die Hochrechnungen. Die Wartezeit überbrückten manche mit einem Glas Wein, andere mit einem Kartenspiel. (Von Heide Rampetzreiter) (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Die erste Hochrechnung wurde mit lautem Jubel begrüßt. Im Laufe des Abends wurde das Gedränge im Saal immer größer und die eingespielte Musik hymnischer. Getanzt wurde auch, etwa zu "Don't stop me now" von Queen. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Mit jeder Hochrechnung wurde die Stimmung besser. (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Auch Prominenz aus der SPÖ, etwa Rathaus-Klubchef Christian Oxonitsch, der ÖVP mit Othmar Karas oder Ferry Maier, aber auch seitens der Neos ließ sich blicken. Besonders viel Jubel aus dem Publikum gab es für Lothar Lockl, Van der Bellens Wahlkampfleiter. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Transparente mit der Aufschrift "Unser Präsident der Mitte" wurden verteilt. Bis der kam, dauerte es aber noch eine ganze Weile. (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Florentin, 18, meinte: "Es sollte sich vereinen lassen, dass man Tracht trägt und seine Heimat liebt und trotzdem positiv in die Zukunft in der EU blicken kann." Er war im Wahlkampf aktiv und hat am Telefon versucht, Menschen davon zu überzeugen, Van der Bellen ihre Stimme zu geben. (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Die zwölfjährige Amlie, die mit ihrer Mutter Susanne auf die Wahlfeier kam, hat ein Plakat für Van der Bellen gemalt. Das Video der Holocaust-Überlebenden Gertrude (mehr dazu hier) hat sie dazu motiviert. "Die hat selber als Siebenjährige einen Bürgerkrieg erlebt und sich gefragt, wie kann die FPÖ so etwas sagen?" (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Max und Heike und die sechsjährige Irina wohnen in der Nähe und haben sich spontan entschlossen, herzukommen. Sie sind "nicht nur gegen Hofer, sondern Van-der-Bellen-Fans und er war alternativlos in diesem Fall." Die drei sind Stammbesucher der Sofiensäle – vor allem wegen der Jüngsten im Bunde, denn der Prunk des neu aufgebauten ehemaligen Tanzsaales passt zu einer Prinzessin. (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Rapper Nazar, der mit seiner Unterstützung für die SPÖ bei der Wien-Wahl aneckte, kam ebenfalls vorbei: "Ich hab damit gerechnet. Ich bin positiv eingestellt und davon überzeugt, dass die Angstmacherei der Proleten-Medien nicht der Meinung der Menschen in Österreich entspricht", sagte er. (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Damien gehörte zum Team der Unterstützer. "Ich habe 100 Prozent Hoffnung in Van der Bellen gelegt, aber gezittert", sagte er, sichtlich erleichtert. "Ich sehne mich nach einem Bundespräsidenten, der nicht die Spaltung, sondern die Inklusion sucht. Österreich ist zu wichtig, um Experimente zu machen." (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Ruth und Leopold "wären auch gekommen, wenn wir traurig gewesen wären". Sie schätzen an Van der Bellen "seine ruhige und bedächtige Art. Wie ein Vater, der das Land versteht – dieses Bild kommt rüber", sagte Ruth. Leopold findet "seine menschenachtende Einstellung, seine Offenheit und seine Freude an Europa und der Welt" gut. "Außerdem ist er g'scheit." Die Wahl Van der Bellens habe zudem den Ruck "nach 'unangenehm rechts'" ein wenig eingebremst. (c) Presse (Rampetzreiter)
George feiert den Sieg, auf den er zwar gehofft hatte, aber gerechnet hat er damit, dass es mindestens "wieder sauknapp" werden würde. "Van der Bellen steht für was Wertvolles, Verbindendes, G'scheites", sagte er. "Außerdem will ich weiterhin, wenn ich auf Urlaub fahre, sagen: 'Nicht Deutschland, Österreich!'" (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Frida war beim Wählerkomitee und hat aktiv im Telefondienst mitgewirkt, "weil ich ein ausgesprochener FPÖ-Gegner bin und unbedingt Hofer nicht als Präsident wollte und weil ich in den meisten Fällen Van-der-Bellen-Anhäger bin". (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Lena, Alex, Armin, Philipp, Julia und Karoline (v.l.n.r.) stoßen auf den Wahlsieg van der Bellens an. Karoline hat im Wahlkampf online auf Facebook, Instagram und Snapchat mitgeholfen. Ob sie Fans sind? "Ich bin einfach ein Österreicher", sagte Alex. "Das war eine Wahl für die Menschen." (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Sascha und Christoph haben Flyer verteilt, etwa auf der Mariahilfer Straße und in der lesbisch-schwulen Szene. "Die haben gefragt, wieso wir im eigenen Teich fischen, aber auch Stammwähler sollen das Gefühl haben, dass sich jemand um sie kümmert", sagte Sascha. Auch am Vorabend waren die beiden noch auf Wahlkampf-Tour. "Und letzte Woche waren wir in einem Cafe, da war eine Runde mit 50 Leuten – und ein einziger Hofe-Wähler war darunter. Der ganze Tisch hat den dann von Van der Bellen überzeugt, wir mussten gar nichts mehr machen." (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Kurz vor 21 Uhr hieß es dann: Van der Bellen kommt. Dass den Veranstaltern bis dahin das Bier ausgegangen war, entpuppte sich als Falschmeldung. Speisen (darunter Würstel) und alkoholische Getränke waren kostenpflichtig. Trotzdem gönnten sich viele ein Glas Wein, Sekt oder Bier zum Anstoßen. (c) Presse Digital (Heide Rampetzreiter)
Von der Bühne aus gab es Appelle, Platz zu machen für den kurz nach 21.30 Uhr erwarteten Einzug Van der Bellens. Auf der Bühne drängten sich Medienvertreter, Transparente wurden geschwenkt. (c) APA/AFP/JOE KLAMAR (JOE KLAMAR)
Mit minutenlangem Gejohle, "We are the Champions"-Gesang, Rock-Rhythmen und einem Wald aus hochgehaltenen Transparenten wurde der Sieger der Bundespräsidentenwahl begrüßt. "Wir haben gewonnen", lauteten seine trockenen Begrüßungsworte, die mit Riesenjubel quittiert wurden. (c) APA/AFP/JOE KLAMAR (JOE KLAMAR)
Van der Bellen meldete sich dann nur kurz zu Wort. Man habe Europa gezeigt, was möglich sei, meinte er, nämlich mit einer klar pro-europäischen Haltung und den Idealen Freiheit, Gleichheit und Solidarität eine Wahl zu gewinnen. "Diese Bilder heute werden durch die europäischen Hauptstädten gehen", sagte er. "Wir haben ein rot-weiß-rotes Signal ausgesandt, und dieses Signal wird gelesen werden, nicht nur in den Hauptstädten." Lächelnd und winkend ging Van der Bellen dann ab, während zunächst "Sascha, Sascha"-Rufe ertönten und dann auch noch "Lothar, Lothar" für seinen Wahlkampfleiter Lothar Lockl zu hören war. Mit "Ein Hoch auf uns" von Andreas Bourani war der offizielle Teil damit vorbei. (c) APA/AFP/ALEX HALADA (ALEX HALADA)
Van der Bellens Wahlparty: "Österreich ist zu wichtig für Experimente"
Auf die Frage, ob er eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung angeloben würde, gab sich Van der Bellen aber dann doch wieder deutlich distanziert. Und verwies darauf, dass gerade diese Bundespräsidentschaftswahl gezeigt habe, dass die Österreicher einen pro-europäischen Kurs haben wollten.
Es ist das Ende eines langen Wahlkampfs, in dem Van der Bellen weite Wege gegangen war. Vor allem am Land, das eher Hofer präferiert, hatte Van der Bellen beim Urnengang im Frühjahr Defizite gehabt. Dieses, versuchte sein Team diesmal auszuräumen, in dem man Van der Bellen hinaus aufs Land schickte. Ein Kirtag hier, ein Volksfest da und Fotos in Tracht sollten zeigen, dass der 72-Jährige gar nicht der abgehobene „Dr. Van der Bellen“ ist, als den ihn Kontrahent Norbert Hofer darstellte. Mehrfach betonte Van der Bellen, dass er als Kind im Tiroler Kaunertal aufgewachsen sei. Und er setzte – für einen einstigen Grünen-Obmann eher unüblich – diesmal noch stärker auf das Thema Heimat.
Volksnähe und Europa
Stimmengewinne brachte der volksnahe Wahlkampf nicht nur in vielen ländlichen Gemeinden, die Van der Bellen diesmal von Hofer gewinnen konnte. Auch der Wiener Arbeiterbezirk Simmering – zuletzt in der Hand des blauen Kontrahenten Hofer – votierte diesmal mehrheitlich für den grünen Professor. Damit liegt Van der Bellen nun in allen Bezirken der Bundeshauptstadt voran.
Inhaltlich präsentierte sich Van der Bellen auch in diesem Wahlkampf wieder stark als der verlässlichere, im Ausland anerkannte und europafreundliche Kandidat. Gleichzeitig lief – finanziert mit Geld des Industriellen Hans Peter Haselsteiner – eine Anti-Hofer-Kampagne an, die den FPÖ-Kandidaten als Befürworter des Öxit darstellten. Van der Bellens Kampf um ÖVP-Wähler
EU-Austritt oder nicht?
Mit verheerenden Folgen für Österreich, wie die Kampagne erklärte, die mit ihren simplen Parolen dem populistischen Wahlkampfmuster der FPÖ um nichts nachstand. Aber Norbert Hofer, der nun im Wahlkampf zigfach erklären musste, keinen EU-Austritt Österreichs zu wollen, wurde bei dem Thema so in die Defensive getrieben. Umgekehrt geriet aber auch Van der Bellen im Wahlkampf zeitweise in die Defensive. Als Hofer ihn eine Woche vor der Wahl in der Debatte auf ATV in die Nähe von Kommunisten rückte, weil diese auch zur Wahl von Van der Bellen aufrufen würden, fiel dem früheren grünen Obmann wenig ein. Er verabsäumte es, die Vorwürfe der FPÖ klar zurückzuweisen, obwohl gerade die vorgeworfene Nähe zum Kommunismus in ländlichen Wählerschichten seine negative Wirkung nicht verfehlte.
Am Donnerstag vor der Wahl in der ORF-Diskussion bot Van der Bellen zu dem von Hofer wiederholten Vorwurf aber schon viel besser Paroli. Van der Bellen betonte, dass er nach dieser Logik etwa auch ein Schwarzer sein müsste, weil ihn ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner unterstützte.
Ein guter Schachzug, zumal es gerade die ÖVP-Wähler waren, die Van der Bellen für sich gewinnen musste. Grün-, SPÖ- und Neos-Wähler hatte Van der Bellen ohnedies schon stark auf seiner Seite. Doch um die ÖVP-Wähler gab es bis zuletzt einen Kampf mit Hofer. Die Zersplitterung in der schwarzen Reichshälfte zeigte sich am Ende darin, dass der schwarze Klubchef Reinhold Lopatka sich entgegen der Meinung des Parteichefs Reinhold Mitterlehner für Hofer aussprach.
Zentral blieb der Appell, den Van der Bellen schon im Mai ausgesandt hatte. Und nun im Herbst erneuerte. Auch jene, die ihn vielleicht nicht so mögen, aber Hofer noch weniger gern in der Hofburg sehen würden, mögen zur Wahl gehen und für ihn stimmen, erklärte Van der Bellen. Ein Appell, der seine Wirkung nicht verfehlte.
„Schau, da ist unser Bundespräsident!
Freilich will der neue Bundespräsident künftig dann auch von diesen Wählern nicht mehr nur als das kleinere Übel gesehen werden. Sein Ziel, so sagt Van der Bellen, sei, dass die Leute im Lauf der Zeit über ihn sagen, „Schau, da ist ,unser' Bundespräsident."