Wie Alexander Van der Bellen die Bundespräsidenten-Stichwahl erneut - noch deutlicher - gewann. Und was das für das politische System Österreichs bedeutet.
Wien. Letztlich hat der Favorit dann doch gewonnen. Als der Wahlkampf im Jänner 2016 begann, war Alexander Van der Bellen in allen Umfragen vorangelegen. Das sollte auch bis zum ersten Durchgang im April so bleiben. In diesem war allerdings Norbert Hofer vorn. Bei der Stichwahl im Mai, die doch nicht die entscheidende sein sollte, war aber wieder Van der Bellen auf Platz eins. Und nun auch jetzt bei der Wiederholung der Stichwahl: Alexander Van der Bellen erreichte gestern 53,3 Prozent.
Es hat nichts genutzt. Im TV-Duell im ORF am Donnerstag hat Norbert Hofer noch einmal versucht, mit einem aggressiven Auftritt die eigenen Wähler und Anhänger zu mobilisieren. Die beiden Kombattanten redeten zeitweise völlig aneinander vorbei, jeder versuchte, seine Zielgruppe zu erreichen. Vor allem Hofer hatte das nötig. Denn die FPÖ hatte ein Mobilisierungsproblem. Sie musste zum dritten Mal ihre eigene Klientel geschlossen zu den Urnen bringen – und noch etliche darüber hinaus.
Van der Bellen ist den gesamten Herbst über relativ komfortabel vorangelegen. Die Analyse aus der ersten Stichwahl war offensichtlich: Links der Mitte räumte Van der Bellen alles ab. Das ÖVP-Lager war gespalten: Rund die Hälfte seiner Wähler hatte laut Sora für Van der Bellen gestimmt, die andere für Hofer. Also wurde versucht, noch mehr ÖVP-Wähler zu Van der Bellen zu ziehen. Der Kandidat tingelte von Volksfest zu Volksfest, zeigte sich in Tracht und sogar beim Erntedankfest der ÖVP-Jungbauern. Zudem wurden ÖVP-Bürgermeister überredet, für Van der Bellen öffentlich zu werben. Der Unsicherheitsfaktor war dann die Wahl Donald Trumps. Wie sich diese auswirken würde, konnte niemand so recht beurteilen. Am Ende überstand der Vorsprung Van der Bellens auch die US-Wahl. Eine Trendwende zugunsten Hofers gab es offenbar nicht.
Was bedeutet die Wahl Van der Bellens nun für das politische System? Es wird fürs Erste mehr oder weniger alles beim Alten bleiben. Das Amt des Präsidenten wird Van der Bellen wohl im bedächtigen Stil Heinz Fischers weiterführen. Das Interesse Europas und der Welt an Österreich wird abrupt wieder abflauen. Und mit einem Auseinanderbrechen der Regierung von SPÖ und ÖVP ist nach Van der Bellens Wahlsieg auch nicht zu rechnen. Jedenfalls nicht gleich.
Heikel wird es, sollte tatsächlich ein Freiheitlicher nach einem Wahlsieg bei Nationalratswahlen den Anspruch auf den Kanzler erheben. Van der Bellen hat lang daran festgehalten, Heinz-Christian Strache nicht angeloben zu wollen. Allerdings wird dann möglicherweise nicht mehr so heiß gegessen wie gekocht. Selbst die SPÖ hat die „Ausgrenzung“ der FPÖ zuletzt ausgesetzt, wenn nicht aufgegeben. Und Van der Bellen ist politisch wahrscheinlich flexibler als Heinz Fischer und weniger stur als Thomas Klestil.
Seine Fans könnten sich noch wundern
Es wäre möglich, dass sich viele seiner Anhänger noch über Alexander Van der Bellen in der Hofburg wundern werden: Denn die Positionen, die er etwa in seiner Biografie „Die Kunst der Freiheit“ vertritt, sind nicht immer ganz nach dem Geschmack eines durchschnittlichen Grünen. Political Correctness findet er teilweise albern, Freihandel findet er gut – auch gegen TTIP und Ceta hatte er da noch nichts. Dafür beklagte er im Buch die „freiwillige Gleichschaltung“ der Medien. Etwa in Bezug auf Russland.
Norbert Hofer kündigte gestern an, auch 2022 wieder als Bundespräsidentschaftskandidat antreten zu wollen. Hofer gegen Van der Bellen, die Vierte (oder Fünfte) also?
Das Ziel von Wahlsieger Alexander Van der Bellen ist es, dass die Leute im Laufe der Zeit sagen: "Schau, da ist 'unser' Bundespräsident". Er wolle nun auf die Wähler aller Parteien zugehen, auch auf jene der FPÖ. Noch am Samstag, am Tag vor der Wahl, habe er sich gedacht: "Uff, ich weiß nicht", am Sonntag sei er aber wieder "frohgestimmt" gewesen. APA/AFP/JOE KLAMAR
Er sei "traurig", nicht als erster durchs Ziel gegangen zu sein, kommentiert Norbert Hofer (FPÖ) seinen zweiten Platz. Er sei "gealtert" im Wahlkampf, es sei "unglaublich spannend" gewesen. "Sehr ausschlaggebend" für das Ergebnis sei wohl die Wahlempfehlung von ÖVP-Chef Mitterlehner gewesen, aber er sei "nicht böse". Seinen Wählern gibt Hofer auch ein Versprechen: "Es wird wieder Präsidentschaftswahlen geben und ich werde wieder antreten." APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist "überzeugt, dass wir mit Van der Bellen einen Präsidenten bekommen, der Österreich in hervorragender Art und Weise im In- und Ausland vertreten wird". APA/GEORG HOCHMUTH
ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gratuliert Van der Bellen zum Sieg und "gleichzeitig Norbert Hofer Respekt erweisen". Man habe einen sehr emotionalen Wahlkampf erlebt. Der neue Staatschef müsse nun "Weltoffenheit" leben und die Österreicher zusammenbringen. Für die Bundesregierung bedeute die Wahlentscheidung, nun mit "Sacharbeit weiterzumachen". APA/GEORG HOCHMUTH
FPÖ-Chef Heinz Christian Strache führt die Niederlage seines Kandidaten auf eine "Angstkampagne" und eine "massive Walze des Systems gegen Norbert Hofer" zurück. Dennoch sei es das historisch erfolgreichste Ergebnis in der Geschichte der FPÖ. APA/HANS KLAUS TECHT
Höchst erfreut ist Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig. "Das ist ein historischer Tag, eine historische Zäsur", sagt sich nach den ersten Hochrechnungen. Für Österreich sei es eine gute und deutliche Entscheidung. APA/BARBARA GINDL
Neos-Klubobmann Matthias Strolz sieht das Ergebnis der Wahl positiv: "Wir freuen uns". Die Türen der Hofburg stünden nun offen "für eine weltoffene, klar pro-europäische Haltung". Die Presse
Der grüne Wahlkampfmanager Lothar Lockl verspürt "unglaubliche Dankbarkeit und Erleichterung". Mit Alexander Van der Bellen sei eine Persönlichkeit gewählt worden, die sowohl fachlich als auch menschlich in höchstem Maße für das Amt geeignet sei. APA/GEORG HOCHMUTH
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl dankt allen Hofer-Wähler und dem freiheitlichen Kandidaten selbst, "der in den letzten zehn Monaten unmenschliches in diesem Wahlkampf geleistet hat". Man habe trotz des Nicht-Sieges "ein historisches Ergebnis in der Geschichte der freiheitlichen Partei erreicht und eine hervorragende Ausgangsbasis für weitere Wahlgänge gelegt". Es "war eine Situation einer gegen alle". Die Presse
Der Wiens SPÖ-Parteichef und Bürgermeister Michael Häupl sieht im Wahlergebnis eine Bestätigung: "Österreich und Wien im Speziellen haben einmal mehr seine Weltoffenheit bewiesen." APA/GEORG HOCHMUTH
Als wichtige und richtige Entscheidung bezeichnet Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Nachfolger von Heinz Fischer. Die Österreicher hätten mit ihrem Votum "dafür gesorgt, dass die politische Stabilität Österreichs in Europa weiterhin gewährleistet ist". APA/GERT EGGENBERGER
Eine "unglaublich lange Wahlkampfzeit mit einer starken Polarisierung" liege hinter Österreich, sagt Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Er wünscht dem neuen Staatsoberhaupt die Kraft, "die Menschen zusammen zu führen und als Türöffner für die heimische Wirtschaft Österreich in den aktuell herausfordernden Zeiten gut nach außen zu vertreten". APA/HANS KLAUS TECHT
Die Israelitische Kultusgemeinde sieht in der Kür Alexander Van der Bellens zum Bundespräsidenten ein "positives Signal an Europa". Die Bevölkerung habe sich "für einen Präsidenten entschieden, der Weltoffenheit und Unparteilichkeit garantiert und das Wohl des Landes voranstellt". Zum ersten Mal seit der Gründung habe man sich veranlasst gesehen, eine deutliche Wahlempfehlung auszusprechen, erinnerte IKG-Präsident Oskar Deutsch. Das Wahlergebnis interpretiert er als "klares Bekenntnis zu Europa und zur Demokratie". APA/HERBERT PFARRHOFER
Reaktionen: Von ''uff, ich weiß nicht'' bis ''einer gegen alle''
Der grüne Abgeordnete Peter Pilz über die Lehren aus der Bundespräsidentenwahl und warum Christian Kerns Kuschelkurs gegenüber den Freiheitlichen den Grünen hilft.
Linke, Liberale und moderate Konservative rückten zusammen. Die grüne Partei ging vor allem Letzteren entgegen. ÖVP-Wähler zu gewinnen war das eigentliche Ziel der Kampagne.
Van der Bellens Sieg bei der Bundespräsidentenwahl habe in Europa einen "Seufzer der Erleichterung" ausgelöst, kommentieren internationale Medien. Allerdings: Zu viel Euphorie sollte nicht aufkommen.
Der neue Bundespräsident hofft, dass die Stichwahl diesmal nicht angefochten wird: "Aber wir müssen abwarten". Ein knappes Wahlergebnis sei jedenfalls nichts Ungewöhnliches.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.