Die Europäische Zentralbank verlängert ihr milliardenschweres Anleihenprogramm bis Ende 2017. Oder auch darüber hinaus.
Frankfurt/Rom/Wien. Spätestens am Montag, als der Ausgang des Verfassungsreferendums in Italien – und damit das Scheitern von Premier Matteo Renzi – bekannt war, hat Mario Draghi die geldpolitischen Kanonen der Europäischen Zentralbank (EZB) nachgeladen, um weiter aus allen Rohren schießen zu können. Gestern, Donnerstag, bestätigte der EZB-Boss, was von Volkswirten erwartet worden war: Die EZB geht mit ihrem billionenschweren Anleihen-Programm in die Verlängerung. Die Wertpapier-Käufe sollen nicht wie geplant Ende März 2017 auslaufen, sondern werden bis Dezember 2017 fortgesetzt und ausgeweitet. Auch Bonds mit einer Laufzeit von nur einem Jahr werden erworben. Vorausgesetzt die Lage entspannt sich, will die EZB ab April monatlich 60 statt 80 Mrd. Euro in den Markt pumpen.
Auch die Zinsen – so man bei null Prozent überhaupt davon sprechen kann – bleiben erwartungsgemäß unangetastet. Auf dem Rekordtief liegt der Satz seit März. Banken müssen auch weiter 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht überschüssige Liquidität bei der Notenbank horten.
Nach dem Nein der Italiener zur Verfassungsreform, dem für Festland-Europa gravierenden Austritt Großbritanniens aus der EU und der mehr als wackeligen Erholung der Wirtschaft im gesamten Europa blieb Draghi nichts anderes übrig, als die lockere Geldpolitik zu verlängern. Zumal das Polit-Vakuum Italien am völlig falschen Fuß erwischt: Das Land steht wirtschaftlich extrem schlecht da, die Banken müssen möglicherweise vom Staat aufgefangen werden. Erst am Mittwoch hat die Bank Monte dei Paschi di Siena um eine Verlängerung der Frist für ihre fünf Mrd. Euro schwere Rettung gebeten. Auch das war Thema des EZB-Gremiums.
Die Ratingagentur Moody's hat noch Öl ins Feuer gegossen und ihren Ausblick für Italien wegen der hohen Schuldenlast von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt. Damit werden Kredite für Italien noch teurer. Moody's meint, dass die Schulden noch steigen werden. Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum seien bescheiden, die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung Fortschritte bei notwendigen Reformen machen werde, sei gesunken, so die Ratingagentur.
Seit März 2015 kauft die EZB Staatsanleihen und andere Wertpapiere in gigantischem Umfang: Heuer im März wurde das Programm verlängert, aufgestockt und auf Unternehmenspapiere ausgeweitet. Das Programm hatte bisher ein Volumen von 1,74 Billionen Euro. Jetzt kommen weitere Geldsalven in Höhe von 540 Mrd. Euro hinzu.
Kampf um höhere Inflation
Vorerst. Denn ein Ende ist nicht in Sicht: Draghi kündigte an, die monatlichen Käufe (Quantitative Easing/QE) könnten wieder aufgestockt werden, sollte die Inflationsentwicklung hinter den Erwartungen zurückbleiben. Die EZB strebt eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent an – im November lag die Teuerungsrate in der Währungsunion bei 0,6 Prozent.
War die ganze Geldschwemme also nur ein Placebo, um Sorgen über ein Wiederaufflammen der Euro-Schuldenkrise zu zerstreuen? Die EZB hält sich zugute, eine Deflation verhindert zu haben. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Anschaffungen aufschieben, weil sie hoffen, dass es noch billiger wird. Die Folge: eine Abwärtsspirale aus schrumpfenden Preisen und wirtschaftlicher Talfahrt.
Kritiker des EZB-Kurses weisen darauf hin, dass die Entwicklung der Teuerungsrate zum großen Teil mit dem Ölpreis zu tun hat. Die niedrigen Zinsen wiederum haben zwar Kredite und Immobiliendarlehen historisch günstig gemacht. Doch Einlagen bringen nichts mehr, viele Banken erhöhen die Gebühren. Versicherer und Pensionsfonds können Geld kaum noch mit Gewinn anlegen. Das erzeugt Druck auf Lebensversicherungen und Betriebspensionen. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, warnte insgesamt vor allzu großen Erwartungen: „Die Vorstellung, Notenbanken könnten mit billigem Geld die Ursachen von Finanz- und Staatsschuldenkrise, von Globalisierungsängsten oder aufkommendem Populismus bekämpfen, ist gefährlich.“(eid/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2016)