„Mix aus Präzision und Dreck“: Maskuline Grooves statt Virtuosität

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Symbolbild.(c) imago sportfotodienst
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Raphael Wressnig zieht die Aura einer abgeschundenen Hammondorgel jeglicher Elektronik vor. Jetzt gibt er ein rares Gastspiel im Porgy & Bess.

Selbst nachmittags in einem Wiener Kaffeehaus strahlt Raphael Wressnig eine Aura von Voodoo aus. Drei Halsketten trägt er im Stil des legendären New-Orleans-Musikers Dr. John auf der breiten Brust. Der gebürtige Radkersburger, der heuer sein Zwanzig-Jahr-Bühnenjubiläum gefeiert hat, ist nicht nur ein von vielen Größen in Soul und Blues gebuchter Hammondorgelspieler, sondern vor allem ein Künstler von eigener Statur.

Eben veröffentlichte er mit „Soul Connection/Captured Live“ eine im brasilianischen São Paolo mit amerikanischen und südamerikanischen Musikern aufgenommene Doppel-CD, die flamboyant zwischen Soul, Funk und Blues changiert. Kongeniale Partner waren ihm dabei der brasilianische Bluesgitarrist Igor Prado und die amerikanischen Soulsänger Wee Willie Walker, Leon Beal und David Hudson.

Gemeinsam zelebrierte man Soulklassiker wie „Trying to Live My Life without You“ und „Turning Point“. Spektakulär sind vor allem auch Wressnigs schwelgerische Instrumentals. So ist etwa der von allerlei Bläsern umsäumte zarte Orgelgroove von „Grazing in the Grass“ eine Delikatesse.

Warum hat sich der 1979 geborene Wressnig ein so sperriges und altes Instrument wie die Hammond B3 auserkoren? „Weil hierzulande eher wenig Hammondorgeln in Kinderzimmern herumstehen, habe ich mal mit dem Klavier begonnen“, sagt er. „Später habe ich all die klassischen Sounds zwischen Fender Rhodes und Clavinet ausprobiert, bin aber bei der Hammondorgel hängen geblieben. Einfach, weil sie den kernigsten und expressivsten Ton hat.“ Die Herausforderung sei, junge Leute, die sonst House und Techno hören, mit diesem etwas behäbigen Klang der Hammond zum Tanzen zu bringen. Als Orgler brauche man heutzutage eine gute Portion Sturheit.

Viele Blueslegenden getroffen

Wressnig hat schon früh gewusst, wohin es ihn zieht. Einen konventionellen Beruf hat er erst gar nicht erlernt. Seine Eltern waren nicht begeistert, aber sie ließen ihn gewähren. In der Südsteiermark dockt er erst einmal bei Oliver Mally an. Ein Jahr später wird er schon vom amerikanischen Gitarristen Larry Garner engagiert und auf Tourneen mitgenommen. In den 15 Jahren, in denen er mit ihm auf die Walz ging, hat Wressnig viele Blueslegenden persönlich kennengelernt. Und diese Bekanntschaften und Freundschaften sind die Basis für im Ausland produzierte fantastische Alben wie „Soul Gumbo“ und „The Soul Connection“. Ersteres hat er in New Orleans, der Wiege von Blues und Jazz, eingespielt. In nur eineinhalb Tagen und mit Musiklegenden wie George Porter, dem Bassisten der legendären Meters. Wressnig fühlt sich wohl in der Welt der Afroamerikaner, ist Gast bei Hochzeiten und Begräbnissen.

Ausländerproblematik gibt es in seiner Welt keine. „Ich bin gewohnt, der Exot in der Band zu sein. Mein Glück ist, dass immer wieder gute Musiker viel von mir halten. Ich liebe das afroamerikanische Milieu, aber auszuwandern kam für mich nie infrage.“ Wenngleich die jeweilige Küche mit zur steirischen Kost verführerischen Parallelen aufwartet. Den zünftig eingebrannten New-Orleans-Eintopf Gumbo tauschte er heuer gegen den brasilianischen Feijoada, einen Schwarzbohneneintopf mit Schweinefleisch. Und so glückte auch das in São Paolo aufgenommene „The Soul Connection“ überaus gut.

„Gewisse Schlampigkeit“

„Favela Style“ nannte Wressnigs Gitarrist Prado passend ihre grundsätzliche Spielweise. „Es ist ein Ghettoklang. Unser maskuliner Groove resultiert aus einer gewissen Schlampigkeit.“ Wressnigs Hammond B3 zischt, faucht und ächzt wie in der goldenen Backhendlzeit des Soul Jazz der frühen Siebzigerjahre. Immer wieder stellt Wressnig seine Manuale scharf. „Die Tastatur immer wieder nachzustellen, das tun sich die wenigsten an. Dabei ist es unglaublich effektiv. Es ist dieser Mix aus Präzision und Dreck, der die Magie macht. Auf einem herkömmlichen Keyboard könnte man den Dreck nur simulieren. Das ist nichts für mich.“ Exakt diese Denkweise katapultierte den Südsteirer in die weite Welt. „Die Akzeptanz der internationalen Musikgemeinschaft war mir immer wichtiger, als von Ö3 gespielt zu werden.“

Auf einen Blick

Release. Der 37-jährige Steirer Raphael Wressnig tritt am 28. Dezember um 20.30 Uhr im Porgy & Bess auf. 2016 brachte er u. a. das Album „The Soul Connection“ (Pepper Cake/ZYX) und das Livealbum „Captured Live“ (Pepper Cake/ZYX) heraus.

Web: www.raphaelwressnig.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2016)

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