Vierschanzentournee: Beflügelt durch innere Leichtigkeit

Die Weitenjagd findet am Mittwoch in Innsbruck ihre Fortsetzung. Lokalmatador Stefan Kraft fordert Kamil Stoch im Kampf um den Tourneesieg.
Die Weitenjagd findet am Mittwoch in Innsbruck ihre Fortsetzung. Lokalmatador Stefan Kraft fordert Kamil Stoch im Kampf um den Tourneesieg.(c) APA/AFP/CHRISTOF STACHE
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Der Pole Kamil Stoch hat unter Trainer Stefan Horngacher zu Ruhe und alter Stärke gefunden und tritt am Mittwoch als Führender in Innsbruck an. „Ich genieße die Situation.“

Innsbruck. Weit über 100 Meter segeln die Skispringer bei der Vierschanzentournee, insgesamt acht Mal, und doch könnten am Ende Zentimeter entscheiden. 0,8 Punkte Vorsprung, umgerechnet exakt 44 Zentimeter, bringt Kamil Stoch als Gesamtführender an Vorsprung auf Lokalmatador Stefan Kraft in den dritten Bewerb am Mittwoch in Innsbruck (14 Uhr, live in ORF eins) mit. „Ich denke nicht an den Gesamtsieg. Ich liebe Skispringen und genieße die jetzige Situation“, sieht der Pole das enge Duell gelassen.

Dank zweier zweiter Plätze hat sich Stoch an die Spitze gesetzt. Dass man für den Tourneesieg nicht zwingend gewinnen muss, hat Janne Ahonen in der Saison 1998/1999 demonstriert. „Ich muss nicht der Beste sein. Mir reicht es, wenn ich nach einem Sprung happy bin“, lautet das Credo des 29-Jährigen. Als freundlich und bescheiden galt der Mann aus Zakopane seit jeher, die Gelassenheit und Ruhe hat er jedoch seinem neuen Trainer zu verdanken. Der Tiroler Stefan Horngacher hat Stoch im Sommer aus dem Tief geholt, ihm den extremen Hang zum Perfektionismus ausgetrieben. „Er hat mir beigebracht, nicht darüber nachzudenken, was ich nicht geschafft habe, sondern das zu genießen, was ich erreicht habe“, sagt der Schützling.

Dabei ist die Erfolgsliste des Spätstarters, der erst 2011 sein erstes Springen gewann, beachtlich: 16 Weltcupsiege, WM-Gold 2013, Doppel-Olympiasieg in Sotschi 2014 sowie Gesamtweltcupsieg im selben Jahr. In Polen wurde Stoch als würdiger Nachfolger von Adam Małysz gefeiert, ehe ihn vor der Saison 2014/15 eine Knöcheloperation aus der Bahn warf. In der Comebacksaison sprang er noch zu zwei Siegen und WM-Bronze mit der Mannschaft, Zweifel und Verunsicherung aber blieben – und wurden größer: Vergangene Saison war ein sechster Rang das höchste der Gefühle.

Mit Akribie zum Erfolg

Im Sommer heuerte dann Horngacher, bis dahin Co-Trainer im deutschen Team, bei den Polen an. „Mir war klar, woran ich arbeiten muss“, erinnerte sich der zweimalige Team-Weltmeister, der Stoch bereits von seiner früheren Assistententätigkeit (unter Heinz Kuttin) kannte. Neben der richtigen Einstellung wurde vor allem an der Anfahrtshocke gefeilt, weitere Details wollte das Duo nicht verraten. „Wir haben natürlich ein paar Geheimnisse, aber in erster Linie akribisch gearbeitet“, meinte Horngacher.

Der Erfolg stellte sich rasch ein: Im Dezember gewann Stoch in Lillehammer erstmals nach fast einem Jahr wieder im Weltcup und schaffte in Oberstdorf und Garmisch die Podestplätze, die ihn nun auf seinen ersten Tourneesieg – den zweiten polnischen nach Małysz 2001 – hoffen lassen. Der 29-Jährige will aber nicht vorausblicken, sondern die „vielen sehr speziellen“ Momente genießen. „Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in Oberstdorf auf dem Podest, zum ersten Mal in Garmisch, zum ersten Mal führe ich die Tournee an.“ Für Horngacher wird die innere Stabilität entscheiden: „Wer den ersten Fehler macht, ist weg.“

In Innsbruck ließ Stoch die Qualifikation aus und trifft damit im K.-o.-Duell auf Sieger Kraft. Neben dem Duo darf sich auch Garmisch-Gewinner Daniel-André Tande aus Norwegen (6,6 Punkte Rückstand) Hoffnungen machen. Zehn Österreicher sind am Bergisel dabei, vorab absolvierte Gregor Schlierenzauer Trainingssprünge für das Comeback in Wisla am 13. Jänner.


Innsbruck-Qualifikation: 1. Kraft 143,1 Punkte 2. Kot (POL) 139,5 3. Zyla (POL) 137,7 4. Hayböck 137,0 5. Tande (NOR) 136,6. Weiters u. a.: 7. Fettner 131,4 17. Schiffner 123,5 19. Aigner 122,1 21. Kofler 121,7.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2017)

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