"Man muss wissen, wann es Zeit ist", sagt Niederösterreichs Landeshauptmann. Laut Informationen der "Presse" steht die frühere Innenministerin Mikl-Leitner als Nachfolgerin fest.
Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) wird im März sein Amt abgeben. Verantwortung bedeute auch, zeitgerecht zu übergeben, sagte Pröll am Dienstag. Viele hätten ihn ermuntert, zu bleiben. Aber: "Man muss wissen, wann es Zeit ist." Er habe die Entscheidung gemeinsam mit seiner Familie getroffen und schaffe damit "klare Verhältnisse".
Laut Informationen der "Presse" steht die frühere Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als Nachfolgerin fest. Pröll selbst wollte sich dazu am Dienstag nicht äußern. Seine Nachfolge werde bei einer Sitzung des Landesparteivorstands am Mittwoch geklärt.
Pröll hält derzeit als einziger Landeshauptmann in Österreich mit seiner ÖVP die absolute Mehrheit. Er gilt - unabhängig vom jeweiligen Bundesparteiobmann - seit Langem als einer der mächtigsten Politiker der gesamten Volkspartei.
Seine "sehr persönliche Entscheidung" begründete Pröll am Dienstag auch mit seinem Alter: Er stehe "im 71. Lebensjahr" und somit "im sechsten Jahr über dem Pensionsalter. Bei der Landtagswahl 2018 wäre ich im 72. Lebensjahr."
Keiner seiner Vorgänger hat länger durchgehalten: Fast 25 Jahre lang herrschte Erwin Pröll über Niederösterreich, nun gab er seinen Rücktritt bekannt: "Man muss wissen, wann es Zeit ist", kommentierte er seine Entscheidung. Als "Landesfürst" von Österreichs größtem Bundesland geschah auch in der Bundes-ÖVP zumeist sein Wille - wie er erst im Vorjahr unter Beweis gestellt hat: Wochenlang wurden ihm Rosen gestreut, doch er kandidierte nicht als schwarzer Bundespräsidentschaftskandidat. Zuletzt schaffte er es hingegen ungewollt in die Schlagzeilen: Seine "Erwin Pröll Privatstiftung" geriet in die Kritik und wird nun vom Rechnungshof geprüft. APA/ERWIN SCHERIAU
Pröll wurde am 24. Dezember 1946 in eine Weinbauernfamilie in Radlbrunn, Bezirk Hollabrunn, hineingeboren. 69 Jahre später ist er noch immer ein Radlbrunner. (Bild: Pröll im Brandlhof in Radlbrunn) Die Presse
Pröll besuchte die Volksschule in Radlbrunn und die Hauptschule in Ziersdorf. Schließlich maturierte er in Tulln an der Donau. Nach dem Präsenzdienst führte ihn sein Weg an die Universität für Bodenkultur Wien, wo er das Studium der Agrarökonomie wählte, welches er 1976 als Dr. nat. tech. abschloss. Dissertationsthema: "Entwicklungschancen der Landwirtschaft im politischen Bezirk Hollabrunn". APA
Noch vor seiner Promotion wurde der Niederösterreicher 1972 in den Österreichischen Bauernbund als wirtschaftspolitischer Referent geholt. Mit 33 Jahren folgte der Schritt in die niederösterreichische Landesregierung - als Agrarlandesrat -, im Jänner 1981 wurde er Landeshauptmann-Stellvertreter. APA
Am 22. Oktober 1992 wurde Pröll als Nachfolger Siegfried Ludwigs zum Landeshauptmann von Niederösterreich gewählt - und avancierte damit vom Vize zum "ersten Diener Niederösterreichs", wie er es nennt. Auch wenn es heute schwer vorstellbar scheint, folgte auf die Kür zum "Landesfürsten" ein Wahlflop: Bei der Landtagswahl 1998 war die absolute Mandatsmehrheit passé. Zehn Jahre später holte Pröll sie zurück. Und baute sie 2008 aus: 54,4 Prozent stimmten für Prölls Landespartei – und das in einem Jahr, indem die ÖVP bei der Nationalratswahl bei 26 Prozent landete. (c) APA/GERHARD SCHNABL (GERHARD SCHNABL)
Weniger positiv fiel ein Auftritt Prölls im Juli 1997 aus: Burgschleinitz im Bezirk Horn feierte damals sein 30-Jahr-Jubiläum als Großgemeinde. In einer Festrede verwies ein Pfarrer aus dem Ort auf die Gehaltsunterschiede zwischen "kleinen Leuten" und "Landeshauptleuten". Daraufhin verlor Pröll die Fassung und warf dem Geistlichen vor, die Veranstaltung zu "versauen". Sein Gehalt rechtfertigte er damit, dass er Verantwortung trage, während der Pfarrer sich nach der Feier niederlege. Fazit: "Legen Sie sich nicht mit mir an, sonst müssen wir woanders weiterreden." APA/HERBERT PFARRHOFER
Pröll gilt als Verfechter der Großen Koalition aus ÖVP und SPÖ. Im Jahr 2000 war er noch Befürworter von Schwarz-Blau, zwei Jahre später trat er als Gegner dieser Variante auf. Zudem ist Pröll, der ein gutes Verhältnis zu Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) pflegt, einer der mächtigsten Politiker der ÖVP. So richtete er im Sommer 2012 beispielsweise seinem damaligen Bundesparteichef Michael Spindelegger aus, dass eine Volksbefragung über die Wehrpflicht stattzufinden habe - am 20. Jänner 2013 wurde sie abgehalten. (Bild: Die Landeshauptleute Michael Häupl, Erwin Pröll, Hermann Schützenhöfer und Josef Pühringer) APA/ERWIN SCHERIAU
Zudem saßen vertraute Niederösterreicher wie Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger und insbesondere Ex-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wohl nicht ganz zufällig in der Bundesregierung. Auch Ernst Strasser, vormals Innenminister und später "Lobbyist" in Brüssel, stammte aus Prölls "Stall" - wie auch sein Neffe, der frühere Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll. (Bild: Josef und Erwin Pröll) APA/HERBERT PFARRHOFER
Bereits im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2010 wurde Pröll als möglicher schwarzer Kandidat gehandelt - doch er lehnte ab, stattdessen führte er seine Partei drei Jahre später erneut als Spitzenkandidat in die Landtagswahl und verteidigte die "Absolute" - trotz leichter Verluste und dem Antreten von Frank Stronach. Beobachter orten den Erfolg des Politikers auch in seiner Geselligkeit: Er ist in Niederösterreich geradezu omnipräsent, schüttelt Hände, herzt die Menschen bei Kirtagen und tritt auch bei Katastrophen auf - wie dem Hochwasser im April 2006 in Dürnkrut. Diese Stärke soll auch da und dort Journalisten verleitet haben, das System Pröll nicht allzu kritisch zu hinterfragen. APA
Zum Jahreswechsel 2015/16 zeigte sich Prölls Macht in der Volkspartei neuerlich deutlich: Nach langem Bitten und Werben entschied sich der 70-Jährige dennoch, nicht bei der Hofburg-Wahl anzutreten: Seit September 2014, als ihm erstmals in einem Interview die Frage gestellt wurde, ob er kandidieren wolle, hatte er vehement betont: Das sehe seine "Lebensplanung" nicht vor. Auch zahlreiche Bekundungen seitens seiner Parteikollegen, wonach er ein "sehr guter Kandidat" wäre, konnten daran nichts ändern. Die Presse
Privat ist der 70-Jährige, der bekennt, nur ein Buch in seinem Leben fertig gelesen zu haben ("Der Schatz im Silbersee", Autor Karl May), mit der in Wien geborenen Elisabeth Pröll (ehemals Terebesy) verheiratet und hat mit ihr vier Kinder. Er gilt als leidenschaftlicher Radfahrer. Aber er hat auch andere Hobbys, wie aus der Biografie "Erwin Pröll - Profil eines Politikers", verfasst von den Journalisten Christiane Scholler und Helmut A. Gansterer, zu erfahren ist. Darin wird der "Landesfürst" wie folgt zitiert: "Ich beobachte gern per Feldstecher von der Terassentür aus die Vogelwelt. Besonders hat es mir ein schöner Buntspecht angetan." APA/HANS KLAUS TECHT
''Man muss wissen, wann es Zeit ist''
Erst vor wenigen Tagen war Prölls Privatstiftung wegen öffentlicher Fördergelder durch das Land Niederösterreich in die Kritik geraten. Der Rechnungshof hat eine Prüfung der Angelegenheit angekündigt. Pröll sagte dazu am Dienstag, die Stiftung sei "eindeutig und klar gemeinnützig". Sie habe "Menschen geholfen" und "ist korrekt".
Mitterlehner: "Respekt und Anerkennung"
ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sprach Pröll "im Namen der gesamten Volkspartei seinen Respekt und seine Anerkennung" aus. Pröll habe für Niederösterreich "enorm viel geleistet und erreicht" und sein Amt als Landeshauptmann "vorbildlich" wahrgenommen. Er übergebe ein "gut bestelltes Haus". Der erfolgreiche Weg des Landes werde weitergehen, so Mitterlehner: "Sowohl unsere Landespartei als auch das Bundesland Niederösterreich werden auch in Zukunft in verantwortungsvollen Händen liegen."
"Für mich steht heute der Respekt vor der Lebensleistung Erwin Prölls im Mittelpunkt", sagte die die wohl künftige Landeshauptfrau Mikl-Leitner. "Und zu diesem Respekt zählt für mich auch, heute keine weiteren Kommentare abzugeben."
Die frühere Innenministerin Johanna Mikl-Leitner folgt dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (beide ÖVP) nach. Was für die 53-Jährige eine große Ehre ist, könnte zur ziemlichen Belastung werden. Denn die Fußstapfen ihres Vorgängers und Mentors Erwin Pröll sind verdammt groß. Seine Traumergebnisse bei Landtagswahlen zu erreichen, wird für die hemdsärmelige Weinviertlerin keine leichte Übung, doch sie gibt sich optimistisch: "Ich habe das politische Handwerkszeug von Erwin Pröll gelernt", bedankte sie sich "mit Demut" für die einstimmige Nominierung durch den Landesparteivorstand. APA/HELMUT FOHRINGER
Im April 2016 hatte Pröll Mikl-Leitner zurück nach Niederösterreich beordert - zunächst als seine Stellvertreterin und Finanzlandesrätin. Zuvor war soe so etwas wie der Vorposten Prölls in Wien gewesen. Von ihm ins Innenressort dirigiert, vertrat die Innenministerin in der Tradition Ernst Stassers und Liese Prokops nicht nur im eigenen Ressort die Interessen ihres Bundeslands. Praktisch war dabei, dass sich Mikl-Leitner unter Michael Spindelegger auch noch die ÖAAB-Obmannschaft schnappte und ihre Machtbasis so nicht unwesentlich erweiterte. (c) APA
In den Monaten vor ihrer Rückkehr nach Niederösterreich war Mikl-Leitner fast ausschließlich mit der Flüchtlingskrise beschäftigt. Monatelang kämpfte sie mit den Ländern verbissen um jeden Quartier-Platz, legte Vorschlag um Vorschlag zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms vor und sorgte nebenbei ab und an mit ungeschickter Rhetorik für Stirnrunzeln. Auch wenn das Vorgehen der Ministerin manchmal erratisch wirkte, würde es deutlich zu kurz greifen, ihr die alleinige Schuld an der anfangs chaotischen wirkenden Flüchtlingspolitik der Regierung umzuhängen. Die Spitzenpolitik ließ sie nämlich großteils alleine im Regen stehen. Geschickt ausgenützt hat Mikl-Leitner jedenfalls die allgemeine Terror-Angst, um viel Geld und Personal für die Exekutive herauszuschlagen. Entsprechend schlugen ihr aus dem eigenen Apparat kaum kritische Töne entgegen. (c) APA
Ihr hartes Law&Order-Image kontrastiert stark mit Mikl-Leitners Auftreten abseits der medialen Aufmerksamkeit. Die künftige Landeshauptfrau, die übrigens mit einer Zwillingsschwester aufwuchs, gehört zu den leutseligsten und allüren-ärmsten Politikerinnen des Landes. Diese Talente der studierten Wirtschaftspädagogin aus Hollabrunn erkannte man in der niederösterreichischen Volkspartei früh. Der damalige Landesparteisekretär Ernst Strasser engagierte sie als Marketingleiterin, wirklich auffallen konnte sie erstmals mit der Organisation der "Initiative für Erwin Pröll" bei der Landtagswahl 1993. Fünf Jahre später überantwortete ihr der Landeshauptmann die Geschäftsführung der Landespartei. (c) APA
Seither ist Mikl-Leitner aus dem Machtzirkel der niederösterreichischen Schwarzen nicht mehr wegzudenken, auch wenn sie bei Wirtschafts- und Bauernbund seit jeher nicht nur Freunde hat. Nach einem kurzen Intermezzo im Nationalrat holte Pröll sie 2003 zurück in die Heimat, wo sie als Landesrätin unter anderem für Europa- und Familienagenden, zuletzt auch für Soziales zuständig war. (c) APA
Ein erster Schritt in den Bund war der Posten der Vize-Parteiobfrau unter Josef Pröll. Als der damals neue ÖVP-Chef Michael Spindelegger sie ins Innenministerium rief, war die verheiratete Mutter von zwei Töchtern, die mit ihrer Familie in Klosterneuburg lebt, für Wien bereit. Ihr vielleicht größter Erfolg war da die Volksbefragung zur Wehrpflicht, für deren Erhalt sie die ÖVP an die vorderste Front schickte. Dass sich Fleiß und unermüdliche Parteitreue auszahlen können, bestätigt sich jetzt. Der Lohn für Mikl-Leitner ist kein schlechter.
Steckbrief: Johanna Mikl-Leitner, geboren 9.2.1964 in Hollabrunn, verheiratet, zwei Töchter, abgeschlossenes Studium an der Wiener Wirtschaftsuniversität (Mag. rer. soc. oec.), ab 1989 Lehrerin an der Handelsakademie Laa/Thaya, ab 1990 Unternehmensberaterin. Politischer Werdegang: 1995 Marketingleiterin der Volkspartei Niederösterreich, 1998 ÖVP-Landesgeschäftsführerin, 1999-2003 Nationalratsabgeordnete, 2003-2011 Landesrätin in Niederösterreich, 2011-2016 Innenministerin und Obfrau des ÖAAB. (c) Presse/ Michaela Seidler
Mikl-Leitner ist erste Landeshauptfrau Niederösterreichs
Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zollte Pröll seinen Respekt für dessen politisches Lebenswerk. "Er hat die Politik in Österreich über die Grenzen seines Bundeslandes hinaus geprägt. Ich bedanke mich bei ihm für diesen Einsatz und dieses Engagement", sagte Kern.
Das St.-Pölten-Syndrom unterscheidet sich vom Stockholm-Syndrom nur darin, dass man sich in Niederösterreich freiwillig, ja sogar mit absoluter Mehrheit in Geiselhaft begibt.
Mikl-Leitner wird die dritte Frau an der Spitze eines Landes. Klasnic und Burgstaller mussten sich noch mit der Frage, ob man „Landeshauptfrau“ sein kann, herumschlagen. Sie wurden im Volk rasch populär, stürzten aber tief.
Der Vorstand der niederösterreichischen ÖVP hat die frühere Innenministerin einstimmig zur Nachfolgerin von Landeshauptmann Pröll nominiert. Sie sprach von "großen Fußstapfen", in die es zu treten gelte.
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