Bukarest widerruft den Straferlass für korrupte Politiker. Die Verantwortung für das fatale Dekrets wälzt der Regierungschef auf seine Strohmänner auf der Regierungsbank ab.
Bukarest. Die geplante Selbstbegnadigung von Rumäniens ins Visier der Justiz geratenen Politikern ist gescheitert. „Wir haben die Stimme der Straße gehört“, kündigte der sozialdemokratische Premier, Sorin Grindeanu, nach tagelangen Protesten am Wochenende den Rückzug des umstrittenen Dekrets an, das im Karpatenstaat für die größten Massendemonstrationen seit dem Sturz des sozialistischen Diktators Nicolae Ceauşescu 1989 gesorgt hatte: Auch auf Druck der EU-Partner und selbst der rumänisch-orthodoxen Kirche hat die Regierung die Eilverordnung zum teilweisen Straferlass für korrupte Amtsträger wieder kassiert.
Erneut waren am Wochenende Hunderttausende in den Großstädten gegen den Amnestie-Erlass auf die Straße gezogen. Das Dekret sah vor, dass Amtsmissbrauch nur noch bei einer Schadenssumme von mindestens 45.000 Euro strafbar sein sollte. Gleichzeitig kündigte die von der sozialdemokratischen PSD geführte Regierung zur angeblichen Entlastung der Gefängnisse eine Gesetzesinitiative zur Amnestie für alle Straftäter mit einer Haftstrafe von unter fünf Jahren an.
Dreister Coup
Profitiert hätten von dem dreisten Coup zahlreiche wegen Korruption verurteilte Regierungspolitiker – nicht zuletzt der wegen Wahlmanipulation bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilte PSD-Chef Liviu Dragnea. Der Dekret-Persilschein hätte dem eigentlichen Machthaber des Karpatenstaats, gegen den auch noch ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs läuft, den versperrten Weg zur Übernahme des Premierpostens frei gemacht.
Die Verantwortung für die von ihm forcierte Verabschiedung des fatalen Dekrets wälzt der PSD-Chef nun auf seine Strohmänner auf der Regierungsbank ab. Tatsächlich hat Dragnea aus reiner Machtgier Rumänien in eine der schwersten Krisen seit dem Abschied vom Sozialismus gestürzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2017)