Ewig in der Prinzenrolle

Charles und Camilla mit dem Gründer der Slow Food-Bewegung, Carlo Petrini (r.), in Florenz.
Charles und Camilla mit dem Gründer der Slow Food-Bewegung, Carlo Petrini (r.), in Florenz. (c) APA/AFP/POOL/MAURIZIO DEGL´INNOC
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Seit Jahrzehnten übt sich Prinz Charles, der ab heute Wien besucht, in den Aufgaben des Thronfolgers. Seit seinem letzten Wien-Besuch, 1986, hat sich dennoch einiges geändert.

Wien und die Thronfolger – das ist so eine Geschichte, nicht nur bei den Habsburgern. Wenn heute Prinz Charles zum ersten Mal seit 1986 Österreichs Hauptstadt offiziell einen Besuch abstattet, dann tut er dies in derselben Funktion wie vor 31 Jahren: als Thronfolger. Kein Herrscher in der britischen Geschichte hat bisher so lange auf das Szepter gewartet: Am 9.September wird er mit 59 Jahren, einem Monat und 15 Tagen auch der am längsten amtierende Prince of Wales seit Schaffung des Titels im 12.Jahrhundert sein.

Der letzte Besuch, 1986, war überstrahlt von Charles' damaliger Frau, Prinzessin Diana, aber nicht nur von ihr: Mit Helmut Zilk und Dagmar Koller trafen sie damals den König und die Königin von Wien. Die Viererfahrt im Fiaker durch die Innenstadt wurde zum Triumphzug, zu dem sich 30.000 Schaulustige eingefunden hatten. „Gemma Diana schaun“, hieß die Parole. Das Kleid, das Diana an jenem Tag trug, ist heute im Londoner Kensington Palace ausgestellt.

Wegen Charles war niemand gekommen. Zu Recht, wie man auf historischen Fotos sehen kann. Wo seine Begleiter das Bad in der Menge genossen, hob er nur linkisch die Hand zum Gruß und fühlte sich sichtlich fehl am Platz. Beim abendlichen Bankett umschwärmte Helmut Zilk die junge Prinzessin gänzlich ungeniert und pries sie als „britische Antwort auf unsere Kaiserin Sisi“, während Charles offenbar die ruhige Gegenwart des damaligen Bundespräsidenten, Rudolf Kirchschläger, zu schätzen wusste.

Gefährtin seines Lebens

Wie die Welt wenig später erfuhr, stand es schon damals um die 1981 geschlossene Ehe zwischen Charles und Diana dramatisch schlecht. Und ein großer Schauspieler war der Prince of Wales noch nie gewesen. In seiner Ausbildung, über die er sich in späteren Jahren bitterlich beklagen sollte, wurde auf Pflichtbewusstsein und Gefühlskälte größter Wert gelegt, nicht aber auf Selbstdarstellung. Die einzige Rolle des Prinzen war die Prinzenrolle. Diana hingegen wurde zur „Prinzessin der Herzen“, spätestens nach ihrem tragischen Unfalltod vor 20 Jahren in Paris.

Seither wendete sich auch – langsam, aber beständig – für Charles das Blatt. Mit Camilla Parker-Bowles, die er 2005 endlich heiraten durfte, hat er wohl die Gefährtin seines Lebens gefunden. Die heutige Herzogin von Cornwall, mit der er schon vor und während der Zeit mit Diana eine Beziehung hatte, kann die Schrullen des Thronfolgers offenbar ertragen wie niemand sonst. Seine Eigenarten sind Legende: vom Butler für das Ausdrücken der Zahnpasta bis zu Charles' Auslassungen über Fragen der Menschheit von Architektur bis Zusatzmedizin aus dem Geist des 16.Jahrhunderts. Früher hätte sich Camilla mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen wenigstens auf eine rasche Zigarette auf einen Balkon der Hofburg davonstehlen können. Auch das ist vorbei.

Prinz Charles' Termine in Wien
Prinz Charles' Termine in WienDie Presse

Heute ist Charles um vieles gelassener und gelöster. Nichts hat seinem Image besser getan als das herzliche Verhältnis zu seinen Söhnen aus der Ehe mit Diana, William und Harry. Obwohl Charles mittlerweile auf die 70 zugeht, ist er zudem immer noch ein aktiver Förderer vieler Wohltätigkeitsorganisationen, darunter des 1976 von ihm gegründeten Prince's Trust. Er engagiert sich für ökologische Projekte, betreibt eine Musterlandwirtschaft.

Seine Hauptaufgabe freilich, so heißt es auf seiner Website, bestehe darin, die Queen als „Kristallisationspunkt nationalen Stolzes“ zu unterstützen, Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten zusammenzubringen, Stabilität auszustrahlen sowie Leistung, Einsatz und freiwilliges Engagement hervorzuheben. So versprach er auf einem Markt in Florenz dem Slow-Food-Gründer Carlo Petrini, regionale Produzenten aus der Erdbebenregion um Amatrice zu unterstützen und besichtigte das verwüstete Dorf gleich selbst (während Camilla in der Kirche San Marco ihrer Urgroßmutter Alice Keppel gedachte; die berühmte Kurtisane war Mätresse König Edwards VII. und starb in Florenz).

Sein ganzes Leben ist Charles dabei für nur eine einzige Aufgabe herangezogen worden: die Thronfolge. Noch nie also hat jemand so lange auf das Antreten dieser Aufgabe gewartet. Jeder Tag mehr, den er wartet, ist ein Tag weniger, den er einst regieren wird. Das Warten gelernt zu haben wird vielleicht einst als größte Lebensleistung von Prinz Charles vermerkt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2017)

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