Wettskandal: Menschenraub-Vorwurf gegen Verdächtigen

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Deniz Z., der im Zuge der Ermittlunge festgenommen wurde, soll mit Komplizen einen Wettanbieter in einen Keller verschleppt und verprügelt haben. Der DFB hat unterdessen eine Task Force eingerichtet.

Die Ermittlungen zum Wettskandal bringen immer weitere Details ans Tageslicht. Am Montag wurde bekannt, dass dem seit Donnerstag in Untersuchungshaft sitzenden Deniz C. gewerbsmäßiger Bandenbetrug in acht Fällen sowie erpresserischer Menschenraub vorgeworfen wird. Das gab C.s Anwalt bekannt. "Ihm wird vorgeworfen, dass er im Juni 2008 einen Wettanbieter aus Nürnberg verschleppt und drei bis vier Tage in einem Keller in Herten eingesperrt habe, mit der Intention, von dieser Person 100.000 Euro Wettschulden zu bekommen. Er soll durch Dritte diese Person in dem Keller verprügelt haben lassen. Aufgrund dieser Maßnahme seien 50.000 Euro geflossen", meinte der Anwalt zur deutschen Presseagentur dpa.

Der 30-jährige C. aus Herten in Nordrhein-Westfalen soll mit fünf anderen Verdächtigen aus dem Ruhrgebiet auf manipulierte Partien in der Schweiz, Belgien, Türkei und Slowenien gewettet haben. Bei der Durchsuchung seien zahlreiche Wettscheine bei C. gefunden worden. "Er hat bei Wetten insgesamt mehr verloren als gewonnen", sagte sein Anwalt. Sein Mandant soll "enorme Summen" bis zu sechsstelliger Höhe bei einzelnen Live-Wetten eingesetzt haben.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat indes als Reaktion auf die Ermittlungen zum Wettskandal eine Task Force eingerichtet. Das sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger am Montag auf einer Pressekonferenz in Frankfurt. Zwanziger habe mit der Staatsanwaltschaft Bochum telefoniert und die Unterstützung des Verbandes zugesagt. "Ein Sportverband ist absolut überfordert, organisierte Kriminalität, auch noch mit internationalem Charakter, allein zu bewältigen", betonte der DFB-Präsident.

"Wahrheit wird ans Licht kommen"

Zwanziger appellierte auch an die Medien, mit Vorverurteilungen aufzupassen, so lange keine Beweise vorliegen. "Die Wahrheit wird ans Licht kommen", ist sich der DFB-Chef sicher. DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach, der den DFB am Mittwoch beim "Krisengipfel" mit der Uefa vertreten wird, erwähnte, dass er bei einer Tagung der Generalsekretäre "abstrakt" über ein sich abzeichnendes Problem bei den Sportwetten informiert worden sei.

Die Firma Sportradar, die im Auftrag der Uefa die Wettquoten überwacht, hat in Deutschland im vergangenen halben Jahr jedenfalls keine Auffälligkeiten registriert. "Wir haben auffällige Partien gehabt, aber keine in Deutschland, bei den Daten, die wir haben", sagte Geschäftsführer Carsten Koerl. Das Probleme sei, dass sich viele Firmen in einem illegalen Bereich bewegen und daher schwer zu überwachen seien. Die Firma ist nicht in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum involviert, weiß aber, "dass Spiele, die bei uns als auffällig registriert wurden, Gegenstand der Ermittlungen sind." Europaweit stehen mehr als 200 Partien unter Manipulationsverdacht, in Deutschland 32 Spiele ab der zweiten Bundesliga abwärts. Bis zwei Tage vor dem Uefa-Krisenmeeting gab es in Deutschland bisher 15 Haftbefehle.

ÖFB und Bundesliga reisen zum Krisengipfel

Bei diesem Meeting am Mittwoch wird Österreich durch ÖFB-Generaldirektor Alfred Ludwig und vonseiten der Bundesliga durch den Juristen Christian Ebenbauer (Vorstand Recht/Spielbetrieb) vertreten sein.

Bei dem mehrstündigen Treffen in der Uefa-Zentrale sollen die Ermittlungen der Bochumer Staatsanwaltschaft mit den betroffenen Verbänden erläutert werden. Laut Staatsanwaltschaft Bochum stehen ja auch elf Partien in Österreich unter Manipulationsverdacht.

Österreichs Vertreter hatten für Mittwoch ohnehin eine Reise nach Nyon an den Genfer See geplant, um Einsicht in die Akten zu nehmen. Nun lud die Uefa zu dem Krisengipfel, bei dem sich ÖFB und Bundesliga Klarheit darüber erhoffen, inwieweit Österreich in den Skandal involviert ist.

"Derzeit schwirren zahllose Gerüchte durch die Öffentlichkeit und ist Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Wir erwarten uns die Vorlage von Fakten, denn auf Basis von Vermutungen können auch wir nicht handeln. Darüber hinaus hat unsere Rechtsabteilung bereits um Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft Bochum angesucht", erklärte Ludwig in einer Aussendung.

Ähnlich argumentierte Bundesliga-Vorstand Georg Pangl. "Ich erwarte, dass dieses Meeting Klarheit über die den österreichischen Fußball betreffenden Verdachtsmomente bringt. Wichtig wird es sein, möglichst bald Fakten beziehungsweise eine Präzisierung der Vorwürfe zu haben", sagte Pangl.

Schweiz: Thun und Gossau im Visier

In der Schweiz ist nach dem Zweitligisten FC Thun, der den Stürmer Omar Faye gesperrt hat, ein weiterer Verein von Ermittlungen betroffen. Der Zweitligist FC Gossau hat seinen Mittelfeldspieler Mario Bigoni suspendiert. Das bestätigte Vereinspräsident Roland Gnägi in der Zeitung "Blick" (Montagausgabe). Bigoni sei geständig, berichtet die Zeitung. Laut Gnägi hat der 25-Jährige zugegeben, "dass in der letzten Rückrunde bei einem Spiel nicht alles sauber gelaufen" sei.

Dem Zeitungsbericht zufolge hat ein Mitspieler Bigoni mit den Worten angesprochen: "Du, da ist Geld zu verdienen". Dazu müsse es nur "ein gewisses Resultat" geben. Das sei ja kein Problem, da der FC Gossau ohnehin schon abgestiegen war. Bigoni habe ihm aber nicht gesagt, ob er auf das Angebot eingestiegen sei, sagte Gnägi.

Neun Festnahmen in Italien

In Italien kamen am Montag neun Festnahmen hinzu. Die Polizei hat unter anderem den Präsidenten des Drittligisten Potenza SC, Giuseppe Postiglione, festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Festgenommenen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Wettbetrug vor. "Die Vorwürfe basieren auf Fakten", betonte der leitende Staatsanwalt in der süditalienischen Stadt Potenza, Giovanni Colangelo. "Wir haben klare Beweise gefunden, wonach es Drohungen und Einflussnahmen gegeben hat, um Spielergebnisse zu manipulieren", erklärte Colangelo.

Potenzas Klub-Chef Postiglione und seine Komplizen stehen unter dem Verdacht, das Zweitligaspiel zwischen Ravenna und Lecce (1:3) am 26. April 2008 manipuliert zu haben. Nach Angaben italienischer Medien soll Postiglione auf das Spiel gewettet und 86.000 Euro gewonnen haben. Im Visier der Ermittler seien außerdem weitere sieben Spiele der dritten Liga, in der Potenza seit drei Jahren spielt.

Potenzas Antimafia-Staatsanwalt Francesco Basentini ermittelt derzeit gegen etwa 20 Verdächtige. Neben Postiglione wurden am Montag dessen Mitarbeiter Pasquale Giuzio sowie der Manager des Clubs Pro Vastese, Luca Evangelista, festgenommen.

Um den Wettbetrug in Zukunft einzudämmen, hat sich auch Franz Beckenbauer gegen zu viele Variationsmöglichkeiten bei Fußball-Wetten ausgesprochen. "Ich wusste gar nicht, wie viel Wetten du machen kannst: Ich dachte immer Sieg, Niederlage, Unentschieden. Jetzt kannst du ja wetten, wer die ersten grauen Haare bekommt, wer den ersten Elfmeter macht, wer die erste Gelbe Karte bekommt. Damit machst du das Spiel ja manipulierbar. Solche Dinge würde ich nicht mehr erlauben", sagte der Präsident des FC Bayern München.

Ungarn: "Wussten von Wetten"

Nach Aussagen des Präsidenten des Ungarischen Fußball-Verbandes (MLSZ), Istvan Kisteleki, hatte die Uefa bereits seit Monaten Kenntnis vom internationalen Wettbetrugs-Skandal. "Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Luftballon platzen würde", erklärte der Verbandschef am Montag im ungarischen Sport-Portal nemzetisport.hu. "Auch ich wusste von der Existenz illegaler Wetten", sagte er. "Bereits auf dem Uefa-Kongress im März war das ein Thema. Ein eigener Tagesordnungspunkt war der modernen Betrügerei gewidmet, und wir hielten fest, dass etwas dagegen getan werden müsse."

Nach Ermittlungen der Bochumer Staatsanwaltschaft sollen auch 13 Spiele der ungarischen ersten Liga von den Wettbetrügern manipuliert worden sein. Kisteleki wollte zu den ungarischen Verstrickungen wegen angeblich fehlender Informationen nicht substanziell Stellung nehmen. "Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas übereilen müssen", sagte er. Der MLSZ werde sich auf einer Präsidiumssitzung am 16. Dezember mit diesem Thema auseinandersetzen. "Wenn uns Entwicklungen mit ungarischem Bezug zur Kenntnis gebracht werden, werden wir natürlich die entsprechenden Maßnahmen ergreifen - vorher nicht."

MLSZ-Sprecher Peter Szerenyi bestätigte, dass ungarische Verbandsfunktionäre an dem Treffen der Uefa mit den neun betroffenen Verbänden am Mittwoch in Nyon teilnehmen. Der MLSZ werde dabei durch den Präsidiumssekretär Peter Horvath und den Auslandsdirektor Gusztav Bienerth vertreten sein.

(Ag./Red.)

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