Gastkommentar

Die „Ehe für alle“ wertet die Ehe auf

In Deutschland beschlossen, in Österreich kaum denkbar: Die gesellschaftspolitische Debatte geht weiter.

Ehe für alle? In Österreich derzeit kaum denkbar. Für die Forderung, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, gibt es keine parlamentarische Mehrheit. Anders dagegen die Lage in Deutschland. Dort hat der Bundestag am 30. Juni die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare beschlossen.

Die politischen Ereignisse in unserem Nachbarland, die sich binnen einer Woche überschlagen haben, werden auch hierzulande die gesellschaftspolitische Debatte neu befeuern. Was ist von der Ehe für alle grundsätzlich zu halten, und wie ist die Haltung der Kirchen zu beurteilen?

Da ist zunächst die politische Ebene. Ganz gleich, wie man zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare steht, ist es nicht gut, eine gesellschaftspolitische Entscheidung von derart fundamentaler Tragweite aus wahltaktischen Manövern übers Knie zu brechen, zumal gegen eine einfachgesetzliche Änderung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Das taktisch motivierte Hauruckverfahren hat die demokratische Kultur in Deutschland beschädigt. Dergleichen sollten wir in Österreich tunlichst vermeiden.

Rechtlich betrachtet ändert sich in Deutschland freilich weniger als die emotional geführte Debatte suggerieren mag. Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass eingetragene Partnerschaften der Ehe weitgehend gleichgestellt sind. Der letzte verbleibende Unterschied bestand im Adoptionsrecht. Künftig können homosexuelle Paare gemeinsam ein Kind adoptieren. Schon bisher konnte freilich ein Partner das leibliche Kind oder auch das Adoptivkind des anderen adoptieren.

In Österreich dürfen gleichgeschlechtliche Paare seit diesem Frühjahr gemeinsam Kinder adoptieren und sind sogar berechtigt, einen gemeinsamen Familiennamen zu führen. Das novellierte Fortpflanzungsmedizingesetz gilt auch für homosexuelle Paare, und seit Kurzem ist auch die Eintragung der Partnerschaft auf dem Standesamt möglich. Nur Ehe darf diese weiterhin nicht heißen.

Damit kommen wir zur religiös-weltanschaulichen Ebene. Die Ablehnung der völligen Gleichstellung von heterosexuellen und homosexuellen Lebensgemeinschaften wird meist damit begründet, dass allein die Verbindung von Mann und Frau, die miteinander Kinder bekommen können, die natürliche Keimzelle der Gesellschaft ist. Homosexuelle Verbindungen als Ehe zu bezeichnen komme einem Kulturbruch gleich. Christen, aber auch Juden und Muslime sehen in der Verbindung von Mann und Frau eine besondere Ordnung Gottes. Christen verweisen zudem auf Bibelstellen, die Homosexualität ausdrücklich verwerfen.

Kirchen sind gespalten

Die Kirchen sind in dieser Frage gespalten. Die römisch-katholische Kirche lehnt die Gleichstellung von Ehe und homosexueller Partnerschaft grundsätzlich ab. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat die Entscheidung des Bundestages begrüßt. Die einzelnen Landeskirchen sind in dieser Frage aber zerstritten, auch was die Möglichkeit einer öffentlichen Segnung von homosexuellen Paaren betrifft. In Österreich ist das nicht anders. Die im Jahr des Reformationsjubiläums beschworenen ökumenischen Gemeinsamkeiten sind somit weit geringer als uns offizielle Kirchenvertreter gern glauben machen.

Kritiker sagen, die Ehe für alle laufe auf die Abschaffung des biblischen Eheverständnisses hinaus. Die Ehe für alle sei am Ende eine Ehe für keinen. Ich meine hingegen, dass die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Gegenteil zu einer Aufwertung der Ehe führt, wobei für mich die für Kinder offene Verbindung von Mann und Frau weiterhin als biblisches Leitbild gilt.

Der Autor ist Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2017)

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