Nachruf auf Peter Härtling: Ein Sachse schrieb uns Schubert nah

Einsamer Autor: Peter Härtling.
Einsamer Autor: Peter Härtling.imago/Rau
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Peter Härtlings Schwermut entsprang ein wundervoller Schubert-Roman: Zum Tod des deutschen, aber dem Österreichischen so nahen Schriftstellers.

Als er elf war, starb sein Vater 1945 in russischer Gefangenschaft. Die Mutter wurde im selben Jahr vor seinen Augen in Zwettl von russischen Soldaten vergewaltigt und nahm sich ein Jahr später das Leben. Aus Peter Härtling wurde so ein Schriftsteller, der sich freimütig als „depressiv“ bezeichnete, seine Lebensgeschichte in vielen Büchern aufarbeitete, aber auch über andere Künstler schrieb, denen er sich wesensverwandt fühlte: nah im Gefühl von Unglück und Einsamkeit. Deren Wesen versuchte Härtling in seinen Büchern gerecht zu werden, aber er modellierte sie sich auch zurecht – zu tröstlichen Vertrauten in seiner künstlerischen Ahnengalerie.

Die Schwermut des am Montag im Alter von 83 Jahren verstorbenen deutschen Autors hat wohl viele glücklich gemacht. Härtling hat dem Komponisten Franz Schubert mit einem vor 25 Jahren erschienenen „Schubert“-Roman die schönste literarische Hommage gemacht. Er hat Lenau in seinem hier und da fast postmodern anmutenden Frühwerk „Niembsch oder Der Stillstand“ ein Denkmal gesetzt, auch Hölderlin, Schumann, E.T.A. Hoffmann und zuletzt 2015 dem greisen Verdi. Schon Franz Werfel hat Verdi ja zum Romanthema gemacht, vielleicht hat er wie viele österreichische Autoren Härtling inspiriert. Bevor der gebürtige Sachse Härtling nämlich als Kind das für ihn schreckliche Jahr 1945 in Zwettl erlebte (das er literarisch wenig überzeugend in seinem frühen Roman „Zwettl“ verarbeitete), lebte er mit seiner Familie eine Zeitlang im mährischen Olmütz. Dort wurde er mit österreichischer Literatur vertraut. An ihr liebte er einen „eigentümlichen Tonfall“ und eine konservative, oft sentimentale, dabei „sanft rebellische“ Grundhaltung.

Die rettende Lebens-Form

Schubert, dem Härtling mehrere Bücher gewidmet hat (darunter eines über den Liederzyklus „Die Winterreise“), war nicht nur Österreicher, sondern auch Kind der Romantik; und deren Literatur, aber auch Musik beschäftigten Peter Härtling ein Leben lang. Er behandelte seine Bücher wie musikalische Kompositionen, gab ihnen Genrenamen wie „Suite“ oder „Fantasien“, betitelte Kapitel mit Tempoangaben. Sein Schubert-Roman zerfällt gegen Ende in fragmentarische Notizen, die Syntax löst sich auf – ein Spiegelbild der Seele des Komponisten. Die rettende Lebens-Form gegen diesen Zerfall war für Peter Härtling das unermüdliche Schreiben. Hinterlassen hat er uns dabei auch viele ernst-berührende Kinderbücher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2017)

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