Vergleich: Was Kopenhagen besser als Wien kann

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Vorbild Kopenhagen? Umweltpolitisch ist das unmöglich. Aber Wien könnte sich auch so gut verkaufen.

WIEN. Die Grünen schwärmen ohne Ende. Egal, was beim Klimagipfel (nicht) herauskommt, Kopenhagen heißt das große Vorbild für städtische Grünparteien. So wiederholte die Oppositionspolitikerin Maria Vassilakou am Freitag einmal mehr ihr Kopenhagen-Mantra: In fünf Jahren sollen 50 Prozent aller Wege in der dänischen Hauptstadt mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Heute sind es schon 35 Prozent, in Wien lächerliche fünf. Und 2025 will die Stadt, die von der sozialdemokratischen Oberbürgermeisterin Ritt Bjerregaard regiert wird, CO2-neutral sein. Das heißt, es soll weniger Kohlendioxid produzieren als binden.

Vassilakou hat sich vor Kurzem einige Tage lang – nicht zum ersten Mal – beim großen Vorbild umgeschaut, um Ideen und Ziele für Wien zu finden und zu formulieren. Interessantes Detail: Während in Kopenhagen fast alle Parteien die Maßnahmen zum Klimaschutz mittragen, ist die Grünpartei vor Ort nicht ernst zu nehmen. „Bei uns sind alle Parteien mehr oder weniger grün“, meint einer, der an diesem Wochenende und den kommenden Konferenztagen viel zu tun hat: Architekt Bo Christiansen organisiert Touren durch die neuen Entwicklungsgebiete der Stadt wie Orestadt, das dank Erschließung von neuen U-Bahn-Verbindungen durch Nachhaltigkeit punktet. Und wo – was den Grünen ebenfalls gefällt – Stararchitekten wie Jean Nouvel und Daniel Libeskind bauen. Dass es dort keine lokale Infrastruktur gibt, sondern das Shopping-Center große Erfolge feiert, ist nur ein Schönheitsfehler.

Christiansen weist mit verblüffender Offenheit darauf hin, dass einige der gefeierten, ästhetisch formschönen Bauten nicht unbedingt mit besonderer Wärmedämmung oder alternativem Energiekonzept punkten: „Wir sagen nicht, dass alles nachhaltig und ökologisch ist. Sondern dass wir uns als Stadt auf unser Öko-Branding verständigt haben.“ Das ist das eigentliche Zauberwort: Öko-Branding. Soll heißen: Kopenhagen propagiert die ökologisch saubere Weste als internationale Visitenkarte und Positionierung zwecks mehr Individual- und Kongresstourismus. Da wird eine neue U-Bahn als revolutionäre Maßnahme gegen den Klimawandel so präsentiert, dass man den Eindruck gewinnt, die Kopenhagener hätte es erfunden...

Auch an diesem Wochenende wird jeder Biokübel, jeder Fisch, der aus dem eigenen Meer kommt, jedes Hotelhandtuch, das wiederverwendet wird, als Öko-Heldentat gefeiert. Wenn das angebliche Biorestaurant die Butter von weit einführen lässt oder Importbier aus Dosen getrunken wird, ändert das lange nichts an der guten, fröhlichen Stimmung der Stadt. Kein Gast verlässt sie ohne Dossier über das neue grüne Gewissen der Welt. Eine so geschickte Inszenierung, ein so lockeres Selbstbewusstsein zu entwickeln, wäre eine lohnende Aufgabe für die hungrigen Beamten des Presse- und Informationsdienstes des Rathauses und die zahlreichen PR-Agenturen der Stadt. Doch eines fehlt Wien: der politische Wille, etwas zu ändern. In Kopenhagen wird der Motorverkehr bewusst gebremst, der Preis für einen Pkw ist dank Luxusbesteuerung enorm. Fahrräder haben fast immer Vorrang: Kleine für Zweiräder reservierte Boulevards mit garantiert grüner Welle ziehen sich durch die Stadt.

In einem weiteren Punkt ist Kopenhagen kaum erreichbares Vorbild für Wien: Dank der neuen Brücke über den Öresund wachsen das schwedische Malmö und Kopenhagen zusammen, sie sind heute nur eine halbe Stunde Zugfahrt voneinander entfernt, zwischen Wien und Pressburg bräuchte man nicht einmal eine Brücke...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2009)

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