Klimagipfel: Die unbequeme Wahrheit von Kopenhagen

Ein großer Wurf dürfte auch diesmal ausbleiben. Grundsätzlich besteht Einigkeit, dass die Treibhausgasemissionen bis 2050 halbiert werden sollen. Aber der Teufel steckt im Detail.

Kyoto 1997. Kopenhagen 2009. Zwölf Jahre sind seit dem Klimagipfel in Kyoto vergangen, nun soll in einem neuen, international bindenden Vertrag die Beschränkung von Treibhausgasemissionen fixiert werden: „Wenn wir das nicht schaffen, dann droht der Menschheit und dem Land eine Katastrophe“, warnte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon unlängst. Die steigende Konzentration von Kohlendioxid, das bei Verbrennungsprozessen frei wird, gilt als wichtigster Verursacher des Klimawandels. Die Emission dieses Treibhausgases soll nach Wunsch der Umweltdiplomaten wirkungsvoll begrenzt werden.

Grundsätzlich besteht Einigkeit, dass die Treibhausgasemissionen bis 2050 halbiert werden sollen – ein Ziel, das von den G8-Ländern 2008 bekräftigt wurde. Aber der Teufel steckt im Detail. Das Kyoto-Protokoll von 1997 sah eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 5,2Prozent von 1990 bis 2012 vor. Doch die USA, heute für 21,44Prozent der Treibhausgase verantwortlich, haben das Abkommen nie ratifiziert.

Hinter den USA versteckt

Für viele Länder war dies bequem: China (für 18,8Prozent der Emissionen verantwortlich) oder auch Indien konnten sich hinter den USA „verstecken“. Solange der weltgrößte Klimasünder USA sich an keine Emissionsbeschränkungen gebunden fühlte, akzeptierten auch die Entwicklungsländer keine. Und solange der frühere US-Präsident George W. Bush eine Beteiligung der USA mit der Begründung, das Klimaabkommen würde das Wachstum der USA gefährden, ablehnte, sahen auch die ärmeren Länder keine Veranlassung zum Klimaschutz. Denn sie brauchen dringend Wachstum, um Millionen Menschen aus der Armut zu heben.

Mit Präsident Barack Obama kam die Umkehr in der US-Klimapolitik: Plötzlich spricht Washington von Emissionshandel und der Förderung erneuerbarer Energien. Der US-Präsident machte Klimaschutz zu einem Gesprächsthema bei seiner Peking-Visite vor einigen Wochen. Als der indische Premier Manmohan Singh kürzlich die USA besuchte, war die Kopenhagener Klimakonferenz ebenfalls auf der Agenda. Das freut die Europäer: Seit Jahren werben sie bei den Amerikanern für mehr Engagement beim Klimaschutz.

Fonds für Entwicklungsländer

Ein Durchbruch ist in Kopenhagen dennoch nicht zu erwarten: Während die Industrienationen Anstrengungen auch von den Entwicklungsländern verlangen, kontern diese mit der Forderung, Europa, die USA und Japan sollen ihre Treibhausgasemissionen um 40Prozent (auf Basis der Daten von 1990) reduzieren. Ein Ziel, das derzeit kein einziges der reichen Länder erreichen kann. Die meisten Industrieländer gehen mit dem Vorschlag einer Reduktion bis 2020 um maximal 15Prozent (auf der Basis von 2005) in die Verhandlungen. Doch die Argumentation der Entwicklungsländer ist nicht ohne Logik: Die Treibhausgase wurden seit Beginn des Industriezeitalters vor allem von Europa und den USA in die Atmosphäre geblasen – daher sollen diese den größten Teil der Last bei den Emissionsbegrenzungen schultern.

China, das sich nun erstmals zu einer 40- bis 45-prozentigen Emissionsreduktion von Fabriken verpflichtet hat, schlägt vor, dass die Industrienationen bis zu ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts für einen Klimafonds zugunsten der Entwicklungsländer bereitstellen sollen: Dabei geht es um insgesamt rund 300 Milliarden Dollar pro Jahr. Das entspricht der Wirtschaftsleistung Österreichs exklusive Salzburg. Eine Forderung, der die Industrieländer nicht nachkommen wollen. Zu teuer, heißt es.

Die Verhandlungen im Vorfeld konzentrierten sich bisher auf fünf Punkte: Emissionsbegrenzung, Hilfestellung bei der Bewältigung von nicht mehr vermeidbaren Klimawandelfolgen, Finanzierung von Schutzmaßnahmen, Hilfestellung beim Umstieg auf erneuerbare Energien und längerfristige Klimaschutzvisionen. Ergebnisse gibt es am ehesten noch bei den längerfristigen Perspektive: Politiker zögern nicht, auch noch so ehrgeizige Versprechungen abzugeben, wenn sie erst in etwa 50 Jahren einzulösen sind.

Doch böte auch der Verhandlungsabschnitt „technologische Hilfestellung“ eine Chance auf einen Durchbruch. Denn alle sind am Klimaschutz interessiert, wenn damit Geschäfte zu machen sind. Allerdings spießt es sich hier am Schutz des geistigen Eigentums. Vor allem Länder wie China, Indien und Brasilien wollen, dass die Industrienationen ihnen Zugang zu Umwelt-Know-how gewähren. Doch westliche Firmen zögern, solange der Schutz der Patente nicht gewährleistet ist.

Kein Durchbruch zu erwarten

Die Diplomaten aus fast 200 Ländern, die nach Kopenhagen reisen, gehen mit gedämpften Erwartungen in die Verhandlungen. Die Experten wissen, sie müssen sich mit Geduld wappnen. Denn im Fall des Kyoto-Abkommens dauerte es von 1997 bis zur Klimakonferenz 2001 in Marrakesch, bis die Details geklärt waren und der Vertrag Jahr 2005 endlich in Kraft treten konnte.

In Kopenhagen wird das Klimaproblem nicht gelöst werden. Die Klimaexperten sind bescheiden: Immerhin kommt diesmal ein amtierender US-Präsident, um vor der Konferenz zu sprechen, Chinas Premier Wen Jiabao hat sich angesagt, der indische Premier Manmohan Singh überlegt ebenfalls anzureisen. In Bali, kurz vor Weihnachten 2007, war ein nicht mehr im Amt befindlicher Vizepräsident der prominenteste Gast: Al Gore.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2009)

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