Horrorszenarien sind kaum belegbar

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KLIMAFOLGEN. Die Modelle liefern nur bei wenigen Klimaphänomenen sichere Ergebnisse.

Riesige Dürrekatastrophen, ein um acht Meter höherer Meeresspiegel, eine Erwärmung um sieben Grad. Solche Horrorszenarien geistern immer wieder durch die Medien – tatkräftig unterstützt von manchen Klimaforschern (im Kampf um Forschungsmittel), der Versicherungswirtschaft (die höhere Prämien durchsetzen will) oder der Politik (die Klimaschutz als Etikett für andere Themen verwendet). Die meisten dieser Prognosen haben aber nur eine schwache wissenschaftliche Basis.

Relativ gut sind die Klimamodelle bereits bei drei Faktoren: bei der Temperaturerhöhung, dem Abschmelzen von Schnee und Eis sowie beim Meeresspiegel. Was bei den Berechnungen herauskommt, hängt von Annahmen über die Entwicklung der Weltbevölkerung, der Wirtschaft und der CO2-Intensität ab. Für ein „mittleres“ Szenario, in dem nach und nach fossile durch erneuerbare Energien ersetzt werden und die Weltbevölkerung nicht explodiert – die IPCC nennt dieses Szenario „A1B“ – ergibt sich ein Temperaturanstieg um rund 2,8 Grad bis zum Jahr 2100, der Meeresspiegel steigt um 21 bis 50 Zentimeter an, Gletscher schwinden auf 15 bis 20 Prozent ihrer jetzigen Größe.

Diese Zahlen repräsentierten den Wissensstand aus dem Jahr 2006. In der kürzlich veröffentlichten „Copenhagen Diagnosis“ – einem „Update“ des jüngsten IPCC-Berichts – wird festgestellt, dass die Temperaturzunahme gut prognostiziert, der Meeresspiegelanstieg aber unterschätzt wurde: Nun sprechen die Experten von ein bis zwei Meter bis zum Jahr 2100. Der größte Teil davon ergibt sich aus der Erwärmung der Weltmeere, wodurch sich das Wasser ausdehnt. Auch das Abschmelzen des Polareises scheint schneller vor sich zu gehen.

Bei anderen Phänomenen sind die Modelle weniger zuverlässig. Das betrifft v.a. den Niederschlag. Klar ist, dass bei höheren Temperaturen mehr Wasser verdampft und irgendwann wieder zur Erde zurückfällt. Weltweit wird der Niederschlag zunehmen, doch es ist nur schwer prognostizierbar, wo und wann es stärker regnet oder schneit.

Die globalen Klimamodelle haben nur eine grobe Auflösung, nun werden genauere Modelle für einzelne Regionen entwickelt. Für Mitteleuropa sagen die meisten Modelle voraus, dass es nördlich der Alpen zu einer Zunahme der Niederschläge – vor allem im Winter – kommen wird, im Süden zu einer Abnahme. Wie unsicher solche Aussagen sind, zeigt das Beispiel Wind: Ein britisches Modell kommt zu völlig anderen Ergebnissen als ein deutsches. In den Modellen gibt es noch Lücken. So weiß man noch recht wenig über die Rolle von Aerosolen – die Schätzungen über deren Einfluss schwanken um plus/minus 90Prozent. Auch Veränderungen der Meeresströmungen und beim Fließen der polaren Eismassen sind nur unzureichend in den Modellen abgebildet.

Bei der Interpretation ist Vorsicht geboten: Die Modelle sagen nur etwas über Durchschnittswerte längerer Zeiträume aus, über das Wetter darf man daraus keine Schlüsse ziehen. Es hat immer schon kältere und wärmere Jahre hintereinander gegeben. Und auch über Wetterextreme kann man kaum seriöse Aussagen treffen. Ein Starkregen zum Beispiel betrifft oft nur einen Strich von wenigen Kilometern – das verändert klimatologische Daten überhaupt nicht.

Ein paar Aussagen sind aber doch möglich: Hitzetage werden häufiger, Frosttage seltener. In niedrigen Lagen wird weniger Schnee fallen als derzeit. Und düster sind die Aussichten für die Mittelmeerregion: Diese wird sich stark erwärmen, bei gleichzeitig abnehmenden Niederschlägen.

Warum die Erwärmung Pause macht

Die Durchschnittstemperatur ist in den letzten zehn Jahren praktisch nicht gestiegen. Für viele Klimaforscher kam das nicht überraschend. Sie verweisen darauf, dass die natürlichen Klimatreiber – z.B. Meeresströmungen („El Niño“) oder Sonneneinstrahlung – derzeit alle als „Temperaturbremsen“ fungieren. In den Neunzigerjahren dagegen waren die natürlichen Klimatreiber sehr effizient, daher stieg die Temperatur stark – dadurch noch beflügelt, dass die Atmosphäre sauberer wurde und mehr Sonnenstrahlung durchließ.

Am langfristigen Erwärmungstrend durch vermehrten Treibhausgasausstoß ändere das nichts, sagen die Forscher im Weltklimarat IPCC: Auch sei es wegen der natürlichen Variabilität des Klimas von Jahr zu Jahr sinnlos, einen Trend für einen Zeitraum unter 25 Jahren zu berechnen. So betrachtet hat sich die Tempo der Erwärmung in den letzten Jahren sogar beschleunigt: Von 1981 bis 2006 stieg die Durchschnittstemperatur um 0,177 Grad pro Jahrzehnt, von 1983 bis 2008 um 1,187 Grad. Erklärung: Das Temperaturniveau ist derzeit deutlich höher als in früheren Jahrzehnten.

Die Klimaforschung hat dennoch ein offenes Problem: Wohin geht die zusätzliche Energie, die durch den Treibhauseffekt auf der Erde festgehalten wird? Stärkere Bewölkung? Speicherung in der Tiefsee? Man weiß es derzeit (noch?) nicht. ku

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2009)

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