Die Geldpolitik der EZB kommt wieder vor Gericht

Archivbild: Das EZB-Gebäude in Frankfurt am Main
Archivbild: Das EZB-Gebäude in Frankfurt am MainAPA/dpa/Christoph Schmidt
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Das deutsche Verfassungsgericht wendet sich in Sachen EZB erneut an den EuGH. Die laufenden Käufe von Staatsanleihen könnten das Mandat der Zentralbank überschreiten. Es besteht der Verdacht auf Staatsfinanzierung.

Karlsruhe. Die Konjunktur läuft gut, der Euro ist stark: Eigentlich scheint in der Eurozone derzeit alles im Lot. Doch der Schein trügt. In Deutschland hegt sich wieder Widerstand gegen die Geldpolitik der EZB. Vor allem die Käufe von Staatsanleihen durch die Zentralbank, der noch bis Ende dieses Jahres weitergehen soll, ist manchen Juristen und Ökonomen ein Dorn im Auge.

Das deutsche Verfassungsgericht lässt jetzt die umstrittenen Staatsanleihenkäufe der EZB vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüfen. Der Beschluss für die Transaktionen könnte das Mandat der Europäischen Zentralbank überschreiten, teilte das oberste deutsche Gericht am Dienstag mit. Es bestünden Zweifel, ob mit den Anleihenkäufen nicht verbotenerweise Staaten finanziert würden. Zugleich beantragte das Karlsruher Gericht ein beschleunigtes Verfahren, weil „die Rechtssache eine rasche Erledigung erfordert“.

Hintergrund des Falles sind mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das seit März 2015 laufende Kaufprogramm, mit dem die EZB die Konjunktur anschieben und für mehr Inflation in der Eurozone sorgen will. Bis der EuGH die Fragen beantwortet, wird das Verfahren in Karlsruhe unterbrochen. Erst nach der Entscheidung des EuGH wird das Verfassungsgericht abschließend urteilen.

Kläger sind der AfD-Gründer Bernd Lucke, der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler und der Berliner Professor Markus Kerber. Sie wollen erreichen, dass das Verfassungsgericht die Beteiligung der Bundesbank an dem EZB-Programm stoppt. Deutschland hafte, wenn ein totaler Wertverlust der aufgekauften Staatsanleihen eintrete, argumentieren die Kläger. Das Risiko für den deutschen Staatshaushalt sei dadurch unverhältnismäßig hoch.

Inflation noch zu niedrig

„Das Bundesverfassungsgericht teilt unsere Meinung“, erklärte Gauweiler. Die Mitwirkung von deutschen Staatsorganen einschließlich der Haftung des Bundeshaushaltes sei vom Grundgesetz nicht gedeckt. „Erstes Fazit: Unsere Regierung finanziert die Politik anderer Staaten in astronomischer Höhe.“ Der Bundestag, der darüber entscheiden müsse, delegiere seine Macht an die EZB. Klaus Wiener, Chefvolkswirt beim Versicherungsverband GDV, sagte, die EZB sei mittlerweile der größte Gläubiger der Eurostaaten. „Der Abbau der aufgeblähten Notenbankbilanz – sie hat mittlerweile das unfassbare Volumen von mehr als vier Billionen Euro erreicht – wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern.“ Die mittlerweile verbesserte Konjunktur rechtfertige die „extreme Geldpolitik“ nicht mehr.

Bei der EZB war zunächst keine Stellungnahme erhältlich. Die Notenbank wird womöglich schon im September über die Zukunft der Anleihenkäufe beraten. Die Euro-Wächter um Notenbank-Präsident Mario Draghi wollen mit den Transaktionen vor allem die aus ihrer Sicht zu niedrige Inflation anheizen.

Zuletzt lag die Inflation im Juli aber wieder bei 1,3 Prozent. Die EZB strebt mittelfristig knapp zwei Prozent an. Sie will die Anleihenkäufe noch bis mindestens Ende 2017 fortsetzen. (ag./jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2017)

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