Die Kurden im Nordirak stimmen am Montag in einem umstrittenen Referendum über ihre Unabhängigkeit ab. Gegen die Volksabstimmung gibt es massiven Widerstand.
Wegen des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums der Kurden im Nordirak hat der Iran seine Luft- und Landgrenzen zu der Kurdenregion geschlossen. Die Grenzschließung sei auf Bitte der irakischen Zentralregierung in Bagdad erfolgt, sagte der iranische Außenamtssprecher Bahram Ghasemi am Montag. Das Referendum sei "illegal und illegitim".
Der Iran hatte bereits am Sonntag verkündet, alle Flüge in die Kurdenregion zu stoppen. Irans Präsident Hassan Rouhani hatte in der Nacht in einem Telefonat Iraks Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi versichert, Teheran unterstütze vollends die irakische Zentralregierung.
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat angekündigt, den Grenzübergang Habur zum Irak zu schließen. Es droht ein Ölexport-Stopp.
5,2 Millionen Kurden stimmen ab
In den nordirakischen Kurden-Gebieten hat am Montag in der Früh die umstrittene Volksabstimmung über die Unabhängigkeit begonnen. Mehr als 5,2 Millionen Wähler sollen darüber entscheiden, ob sich die kurdischen Autonomiegebiete vom Rest des Iraks abspalten. Es wird mit einer großen Mehrheit für die Unabhängigkeit gerechnet. Die Abstimmung ist allerdings rechtlich nicht bindend.
Gegen das Referendum gibt es starken Widerstand. Die Zentralregierung in Bagdad erklärte, es sei nicht verfassungsgemäß. Das Nachbarland Iran haben schon am Sonntag den Luftraum zu den Kurden-Gebieten geschlossen. Die Türkei nannte die Abstimmung "illegal und ungültig", befürchtet Auswirkungen auf die Sicherheit der Region und drohte mit Sanktionen. Auch die USA als wichtiger Verbündeter der Kurden im Nordirak und die UNO sprachen sich gegen das Referendum aus.
Kurden-Präsident Massoud Barzani verteidigte die Abstimmung und erklärte, die Partnerschaft mit Bagdad sei gescheitert. Er bot der Zentralregierung Verhandlungen über die kurdische Unabhängigkeit an. Die Wahllokale sollten bis 18 Uhr (Ortszeit, 17 Uhr MESZ) geöffnet sein. Endergebnisse werden innerhalb von 72 Stunden erwartet.
Türkische Börsen reagieren
Aus Furcht vor neuen Spannungen im Nahen Osten haben sich Anleger am Montag von türkischen Aktien getrennt. Der Leitindex der Istanbuler Börse fiel um bis zu 2,3 Prozent auf ein Zweieinhalb-Monats-Tief von 101.756,75 Punkten. Die Währung des Landes geriet ebenfalls unter Druck. Ein Dollar verteuerte sich zeitweise um 1 Prozent auf 3,5305 Lira.
Zu den größten Verlierern am Istanbuler Aktienmarkt gehörten die Luftfahrtwerte. Turkish Airlines und Pegasus büßten bis zu 7,7 Prozent ein.
Seit die Führung der nordirakischen Kurdenregion ein Unabhängigkeitsreferendum für den 25. September angesetzt hat, verschärfen sich die Spannungen mit der irakischen Zentralregierung und den Nachbarländern. Zugleich sind die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) noch immer nicht besiegt. "Presse"-Außenpolitikredakteur Wieland Schneider reiste in den Nordirak und besuchte die kurdischen Kämpfer an der Front. Wieland Schneider
Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer haben auf den Hügelketten südlich der Erdölstadt Kirkuk ihre Stellungen und Aussichtspositionen errichtet. Wieland Schneider
Von hier aus beobachten die Peschmerga den Feind auf der anderen Seite der Front: die Jihadisten des sogenannten Islamischen Staates (IS). Wieland Schneider
Vor den Stellungen der kurdischen Kämpfer erstreckt sich das Gebiet rund um die Stadt Hawija. Sie ist die letzte Hochburg der IS-Extremisten im Irak. Wieland Schneider
Die Peschmerga an dieser Stelle der Front gehören zur sogenannten "Kurdistan Freiheitspartei" (PAK). Sie kämpft eigentlich für mehr Rechte der Kurden im Iran. Doch ihre Peschmerga sind den Kurden im Irak gegen den IS zu Hilfe gekommen. Wieland Schneider
In der Peschmergaeinheit der PAK kämpfen auch viele Frauen. Sie sind auf dem Exerzierplatz neben ihren Frontstellungen angetreten, singen Peschmergalieder und rufen Kampfparolen. Wieland Schneider
Als Teil ihres Trainings klettern die kurdischen Kämpferinnen über Hindernisse. Wieland Schneider
Und sie robben unter Drahtverhauen hindurch. Wieland Schneider
"Ich habe seit 2014 an vielen Schlachten gegen die IS-Terroristen teilgenommen", erzählt uns eine der Kommandantinnen der kurdischen Fraueneinheit. Wieland Schneider
Das Oberkommando über die PAK-Peschmerga hat Hussein Yazdanpana. "Die IS-Kämpfer greifen uns immer wieder an, aber sie haben keine Chance gegen uns", berichtet er. Und er fügt hinzu: "Jeden, der uns hier angreift, wird dasselbe Schicksal ereilen wie den IS." Zuletzt haben nämlich auch von Iraks Zentralregierung entsandte Einheiten ihre Operationen in der Region verstärkt. Wieland Schneider
Offiziell sollen diese Einheiten der irakischen Regierung einen Angriff auf den IS starten. Doch in der Kurdenregion befürchtet man, dass sie auch rund um das für 25. September angesetzte Unabhängigkeitsreferendum der Kurden aktiv werden könnten. Denn Bagdad ist strikt gegen diese Abstimmung. In der Kurdenhauptstadt Erbil demonstrieren zahlreiche Menschen für die Unabhängigkeit. Wieland Schneider
Die Menschen haben sich im Shanidar-Park im Zentrum Erbils versammelt. Sie schwenken kurdische Fahnen. Wieland Schneider
Und sie tanzen zu kurdischer Musik. Wieland Schneider
Doch trotz der Feierstimmung ist klar: Der Weg zu einem unabhängigen Kurdistan wird noch steinig werden. Wieland Schneider
Kurden im Irak: Kampf gegen den IS und für die Unabhängigkeit