Steinmeier: "Begrenzte Möglichkeit Flüchtlinge aufzunehmen"

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Mainz.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Mainz.REUTERS
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In seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit beklagt der deutsche Bundespräsident Steinmeier "neue Mauern" in Deutschland und kritisiert indirekt die AfD.

Unter dem Eindruck des Erfolgs der rechtspopulistischen AfD bei der Bundestagswahl begeht Deutschland am heutigen Dienstag den 27. Jahrestag der Wiedervereinigung. Ein "Abhaken und weiter so" dürfe es nicht geben, mahnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede in Mainz. Kanzlerin Angela Merkel mahnte: "Wir können uns von den Ereignissen in der Welt nicht abkoppeln."

Deutschland könne dankbar sein, dass die Wiedervereinigung in Frieden geglückt sei, sagte Merkel vor dem Festakt. Daher trage Deutschland auch eine Verantwortung für Europa und eine bessere Entwicklung weltweit. "Denn wir wissen: Wir können uns von den Ereignissen in der Welt nicht abkoppeln." Die Aufgaben seien nicht weniger geworden. "Aber wir können auch zurückblicken und sagen: Vieles an der Deutschen Einheit ist uns geglückt, und das sollte uns die Kraft geben, auch die ausstehenden Probleme zu lösen."

Steinmeier warnte vor "neuen Mauern" in der Gesellschaft und forderte einen ehrlichen Umgang mit dem Flüchtlingsproblem. Die große Mauer, die Deutschland geteilt habe, sei gefallen. Aber das Wahlergebnis vom 24. September habe gezeigt: "Es sind andere Mauern entstanden, weniger sichtbare, ohne Stacheldraht und Todesstreifen", sagte Steinmeier laut Redetext.

Heimatsbegriff nicht den Nationalisten überlassen

Ohne den Wahlerfolg der AfD direkt anzusprechen, betonte er beim Festakt zum Tag der Einheit: "Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung und Wut" seien bei manchen so fest geworden, dass Argumente nicht mehr durchdrängen. "Hinter diesen Mauern wird tiefes Misstrauen geschürt, gegenüber der Demokratie und ihren Repräsentanten." Steinmeier beklagte aber auch Mauern zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, offline und online - "Mauern rund um die Echokammern im Internet, wo der Ton immer lauter und schriller wird."

Die Debatte über Flucht und Migration habe Deutschland aufgewühlt, sei aber auch Folge und Abbild einer aufgewühlten Welt. Viele Menschen sagten: "Ich verstehe die Welt nicht mehr." Dahinter stehe eine Sehnsucht nach Heimat und Orientierung, die nicht den Nationalisten überlassen werden dürfe. "Heimat weist in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit."

Steinmeier verwies auf begrenzte Möglichkeiten zur Aufnahme von Flüchtlingen und forderte eine Unterscheidung zwischen Flucht aus Gründen der politischen Verfolgung und Armutsmigration. Es gehe darum, "die Wirklichkeit der Welt und die Möglichkeiten unseres Landes übereinzubringen", sagte er.

Steinmeier fordert "ehrlichen Zugang"

"Die Not von Menschen darf uns niemals gleichgültig sein", betonte Steinmeier. Auch aus historischen Gründen garantiere das deutsche Grundgesetz den Schutz vor politischer Verfolgung. "Doch wir werden den politisch Verfolgten nur dann auch in Zukunft gerecht werden können, wenn wir die Unterscheidung darüber zurückgewinnen, wer politisch verfolgt oder auf der Flucht vor Armut ist." Beide Gruppen könnten nicht die gleichen uneingeschränkten Ansprüche geltend machen. Notwendig sei ein ehrlicher Zugang, einschließlich der Frage "welche und wie viel Zuwanderung wir wollen und vielleicht sogar brauchen."

Nicht alle, die sich von den etablierten Parteien abgewendet hätten, seien Feinde der Demokratie, sagte Steinmeier. "Aber sie alle fehlen der Demokratie." Deshalb dürfe es kein "Abhaken und weiter so" geben. Gefordert seien nicht zuletzt die Abgeordneten des neuen Bundestages. "Sie können beweisen, dass Wut am Ende die Übernahme von Verantwortung nicht ersetzt. Sie können beweisen, dass durch den Tabubruch vielleicht der nächste Talkshowplatz gesichert, aber noch kein einziges Problem gelöst ist."

Mit Blick auf das Erstarken der Rechtspopulisten sagte er. "Viele schauen mit Fragen, mit Sorgen, mit Verunsicherung auf die innere Einheit unseres Landes". Das Deutschland von heute habe einen weiten Weg zurückgelegt - "vom entfesselten Nationalismus, der Krieg und Verwüstung über Europa brachte, von einer geteilten Nation im Kalten Krieg hin zu einem demokratischen und starken Land in der Mitte Europas."

Mehr Anerkennung für Ostdeutschland

Steinmeier forderte zugleich mehr Anerkennung für die Menschen in Ostdeutschland. Nach der Wiedervereinigung 1990 seien auch Fehler gemacht worden. Darüber dürfe nicht geschwiegen werden. Ostdeutsche hätten Brüche erlebt, die die Menschen im Westen nie kannten. "Wir sollten wieder lernen, einander zuzuhören: wo wir herkommen, wo wir hinwollen, was uns wichtig ist."

Die traditionellen Glückwünsche zum 3. Oktober, an dem im Jahr 1990 der Beitritt der Länder der ehemals kommunistischen DDR zur Bundesrepublik Deutschland vollzogen wurde, kamen aus dem Kreml. "Russland legt viel Wert darauf, das gute Potenzial zu erhalten", schrieb Präsident Wladimir Putin am Dienstag in einem Glückwunschtelegramm an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel. "Wir hoffen, dass wir die beidseitig guten Beziehungen in vielen Bereichen ausbauen können." Ohne die Konflikte in der Ostukraine und in Syrien direkt zu nennen, betonte der russische Staatschef, dass Moskau und Berlin bei aktuellen internationalen Fragen zusammenarbeiten müssten. Dadurch könnten Sicherheit und Stabilität weltweit gewährleistet werden.

(APA/dpa)

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