"Da hat sich bei vielen ein Ton eingeschlichen, wo uns die Leute gesagt haben, die hören uns nicht mehr zu, die wollen uns belehren, die haben den Zeigefinger eingebaut", sagt der ehemalige Bundessprecher der Grünen selbstkritisch.
Christoph Chorherr, der ehemalige Bundessprecher der Grünen, sprach am Dienstagabend im "ZiB 24"-Interview über seine Enttäuschung über das Wahlergebnis. "Wir haben offensichtlich viel falsch gemacht", gab er gleich zu Beginn zu. Er wolle nun aber nicht schnell zur Tagesordnung übergehen und die "Kritik, die wir ja schon lange hören, ernst nehmen". Ähnlich wie Grünen-Urgestein Johannes Voggenhuber denkt auch er an, die Grünen neu zu gründen.
Die Grünen würden zu oft als belehrend wahrgenommen, habe er etwa in einem ausführlichen Blog-Eintrag geschrieben. "Es kommt oft rüber, wir wollen tief in dein Leben eingreifen", sagte Chorherr. "Da hat sich auch bei vielen, auch bei mir manchmal vielleicht, ein Ton eingeschlichen, wo uns die Leute gesagt haben, die hören uns nicht mehr zu, die wollen uns belehren, die haben den Zeigefinger eingebaut." Es mangle bei der Vermittlung der Botschaften: "Die ökologische Fundierung ist für mich außer Streit, viele andere Dinge sind auch außer Streit, aber wie wir es vermitteln: Da gehört mehr Pfiff dahinter, da gehört auch mehr Lust."
"Großes Comeback bei Europa-Wahlen 2019"
Auch in der Klimafrage habe man vielleicht zu viel Angst gemacht. Man wolle den Menschen mehr zeigen, dass es Lösungen gebe, an denen man mitwirken könne. Vor dem Rücktritt von Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek und Bundessprecherin Ingrid Felipe habe er großen Respekt, so Chorherr.
Er war Gründungsmitglied, ist seit Herbst 2018 Bundessprecher und führte die Grünen nun als Spitzenkandidat in die Europawahl: Werner Kogler (57) ist einer der letzten der alten Riege der Partei. Nach dem Wahldebakel 2017 hat er sie fast im Alleingang auf Erneuerungskurs gebracht. Mit dem Wiedereinzug ins EU-Parlament ist eine wichtige Zwischenetappe zurück in den Nationalrat geschafft. APA/BARBARA GINDL
Noch vor zwei Jahren standen die Grünen vor dem Abgrund: Nach schweren internen Turbulenzen, dem Abgang von Eva Glawischnig und der Gründung einer konkurrierenden Liste durch Peter Pilz flogen die Grünen unter dem Duo Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek aus dem Nationalrat. Es folgte eine Abschiedswelle; übrig blieb nur Kogler, der sich bereit erklärte, den Kopf hinzuhalten und zu retten, was noch zu retten war. APA
Unter dem Motto "Rudern statt Sudern" war der Volkswirt aus der Steiermark seither unermüdlich unterwegs, um die Grünen aus der Depression zu holen, die Parteifinanzen zu retten, neue (und vor allem jüngere) Köpfe an die Spitze zu bringen und die Grünen auf die Kernthemen Ökologie und Gerechtigkeit zu fokussieren. Er sei "stolz darauf, ein Fundi zu sei", sagte er zuletzt und stellte sich damit nicht nur gegen Rechtspopulisten, sondern auch gegen den Versuch der SPÖ, bisherige Grünwähler abzuwerben. (Im Bild: Werner Kogler, Sarah Wiener und Monika Vana) APA/HELMUT FOHRINGER
In vorderster Front der Grünen zu stehen, ist für Kogler ziemlich neu. Zwar fungierte er als Landessprecher in der Steiermark, im Bund war er aber eher auf Stellvertreter-Positionen abonniert, sei es im Parlamentsklub oder in der Bundespartei. Besser gefiel er sich als einer der grünen Aufdecker, etwa in der Causa Hypo. APA
Im Nationalrat galt er als Mandatar, der stets einige verbale "Wuchteln" im Gepäck hatte - allerdings mit Hang zur Weitschweifigkeit. Legendär war seine 12 Stunden und 42 Minuten dauernde Filibusterrede gegen den Budgetvoranschlag der Regierung 2010, die er mit den Worten "Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte" beendete. APA
Seine beste politische Zeit vor dem jetzigen zweiten Frühling erlebte Kogler rund um die Nationalratswahl 2013, als die Grünen mit ihrem Anti-Korruptionskurs noch punkten konnten. Mit dem "Hypo-Krimi" tingelte er durch Österreich, und im Ausschuss zu dieser Causa war er Fraktionsführer. Seine berühmten Schachtelsatztiraden widmete er auch dem Kampf gegen die transatlantischen Freihandelsabkommen Ceta und TTIP. Presse
Kogler galt trotz der Selbstcharakterisierung als Fundi immer als Pragmatiker, guter Verhandler und leutseliger Vielredner. Stammgast ist er im bei Journalisten und Fußballfans beliebten Wiener Cafe Anzengruber, wo er - nach Eigenangaben - am liebsten einen Espresso oder ein steirisches Puntigamer-Bier zu sich nimmt. APA
Der am 20. November 1961 in Hartberg geborene Kogler studierte Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften und war in den 1980er Jahren Gründungsmitglied der Alternativen Liste Steiermark und Österreich. Von 1985 bis 1988 war der Gemeinderat in Graz. Seit 1999 saß er im Nationalrat, unter anderem als Leiter des Rechnungshofausschusses, Budget- und Finanzsprecher seiner Partei und Stellvertreter von Eva Glawischnig. Nach dem Debakel 2017 übernahm er zunächst interimistisch die Partei, seit Herbst 2018 ist er gewählter Bundessprecher. APA/HERBERT NEUBAUER
Werner Kogler: Mit "Wuchteln" aus der grünen Schockstarre
Die Partei müsse aber nun neue Wege gehen. Seine Partei sei in vielen Bereichen sehr eng geworden. "Bis 2019 sollten wir so weit sein, dass wir ein großes Comeback bei den Europa-Wahlen feiern", gab sich Chorherr optimistisch. Die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou sieht er nicht in Frage gestellt. Man könne jetzt nicht nur Köpfe an der Spitze tauschen. Es gehe um andere Dinge: "Wie vermitteln wir unsere Verkehrspolitik, dass es nicht darum geht Autofahrer zu schikanieren, sondern Raum für Kinder, für Fußgänger, auch für Radfahrer zu schaffen."
"Wir alle werden das stemmen"
Dass die Landesorganisationen nun für das finanzielle Problem der Bundesorganisation aufkommen sollen, hält Chorherr für "unsere Verantwortung". "Die Alternative wäre, wir schicken den Bund in den Konkurs. Was soll den das sein? Wir sind alle die Grünen und wir werden das stemmen." Natürlich werde das ein sehr langfristiges Projekt sein. Selbstkritisch merkte er an, dass die Partei mehr Geld ausgegeben habe als andere, die dann erfolgreicher waren. Er spielte damit auf Grünen-Aussteiger Peter Pilz an, der mit seiner eigenen Liste den Einzug ins Parlament geschafft hat. "Mehr Plakate und mehr Gimmicks auszuteilen, ist vielleicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Vielleicht kann man mit weniger Geld eine bessere Politik machen."
Chorherr zeigte sich abschließend sicher, dass die Grünen wieder ins Parlament einziehen werden. Auch in Deutschland sei das gelungen. Es sei allerdings ein steiniger Weg. "Man muss auch einmal niederfallen, um wieder aufstehen zu können", zitierte er einen Spruch von Samuel Beckett auf seinem T-Shirt.
Es geht um das Thema Schulden sowie den Abbau der mehr als 100 Mitarbeiter. Außerdem wird sich Interims-Parteichef Kogler offiziell das Mandat für seine Funktion holen.
Der langjährige Grüne legt in seiner Kritik an der Partei nach. Diese habe nun Schulden, aber keine Mitarbeiter - weil man sie zu einem "Kartenhaus gemacht" habe. Und er fragt: Wer soll nun reparieren, "was Ihr zerstört habt"?
Der interimistische Chef der Grünen kündigt Aufräumarbeiten in seiner Partei an. Denn: "Jetzt ist mal so richtig Krise." Die Bundesgrünen hätten "total versagt", räumt er ein. Ein erster Schritt sei nun der erweiterte Bundesvorstand am Freitag.
Ulrike Lunacek und Ingrid Felipe ziehen aus dem grünen Wahldebakel Konsequenzen. Felipe geht nach Tiriol zurück, Lunacek nimmt sich eine politische "Pause". Vize-Klubchef Werner Kogler übernimmt eine Bundespartei ohne Nationalrats-Abgeordnete.
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