Den EU-Staaten entgeht ein Fünftel ihrer Einnahmen aus Unternehmensteuern durch Steuertricks, hat Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman errechnet.
Der EU entgehen einem Bericht zufolge insgesamt 60 Milliarden Euro pro Jahr an Steuereinnahmen, weil internationale Konzerne wie Apple und Nike ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Wie die "Süddeutsche Zeitung" (Dienstagsausgabe) unter Berufung auf Berechnungen des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Gabriel Zucman berichtete, entgeht der EU ein Fünftel ihrer Einnahmen aus Unternehmensteuern durch solche Steuertricks. Deutschland sei besonders betroffen. Dem Land entgehen jährlich rund 17 Milliarden Euro.
Zucmans Rechnungen basieren dem Bericht zufolge auf öffentlich zugänglichen Daten. Deutschland verliert demnach von allen untersuchten Ländern am meisten Geld durch die Nutzung von Steueroasen. Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer könnten demnach 32 Prozent höher liegen als bisher. In Frankreich liegt der Wert laut Zucman bei 25 Prozent, in Großbritannien bei 20 Prozent und Österreich 13 Prozent. Zwei Drittel der möglichen Steuereinnahmen verliert Deutschland laut dem Bericht durch Steueroasen in der EU, beispielsweise durch die Niederlande, Irland oder Luxemburg.
Rund eineinhalb Jahre nach den "Panama Papers" waren durch ein neues Datenleck am Sonntag die Steuertricks von Politikern, Konzernen und Superreichen in aller Welt offengelegt worden. Die "Paradise Papers" zeigen unter anderem, wie beispielsweise der Sportartikelhersteller Nike mithilfe der Kanzlei Appleby bei der Steuervermeidung vorgeht: Laut der "SZ" nutzt Nike dafür die für US-Konzerne attraktiven Gesetze in den Niederlanden. Wenn Kunden in einem deutschen Nike-Store Schuhe kaufen, fließen die Erlöse demnach ins Nachbarland.
Zucman sieht in dem System auch ein grundsätzliches Problem: Steueroasen befeuerten die Ungleichheit in der Welt, weil die Reichsten Milliarden vor den Finanzämtern versteckten. "Nur vermögende Menschen können es sich leisten, Steuern aufwändig zu vermeiden", sagte Zucman der "SZ". Der Gegenwert von zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts wird nach seinen Berechnungen von Superreichen in Steueroasen geparkt.
Den Schaden tragen die Normalverdiener, wie Zucman sagte: "Werden den Industrienationen Abgaben entzogen, müssen diese die Mittel anderswo besorgen."
Die "Paradise Papers" brachten Steuertricks von Prominenten, Politikern und Superreichen ans Licht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fasste die wichtigsten Personen zusammen. Bono: Der Frontman der irischen Rockband hat laut brisanten Enthüllungen über Firmen in Malta und Gernsey in ein Einkaufszentrum in Litauen investiert. Ob Bono davon wusste, blieb noch unbeantwortet, laut seiner Sprecherin war er ein "passiver Minderheitsinvestor". (c) REUTERS (Marcos Brindicci)
Über die Kanzlei Appleby soll der bekannte Investor George Soros ein Netz von Firmen unter anderem auf den Britischen Jungferninseln und den Bermudas verwaltet haben. (c) REUTERS (Luke MacGregor)
Mehr als elf Millionen Euro aus ihrem Privatvermögen soll die britische Königin Elizabeth II. in Fonds auf den Kaimaninseln und den Bermudas angelegt haben. Das Herzogtum von Lancaster, das für die Anlagen der Queen zuständig ist, erklärte alle Investitionen als rechtmäßig. (c) REUTERS (Hannah Mckay)
Der amerikanische Handelsminister sorgt für Interessenskonflikte. Ausgerechnet er soll an Russland-Geschäften verdienen. Laut "Paradise Papers" hält Wilbur Ross ein komplexes Netz an Offshore-Investitionen, einer der Großkunden sei der russische Energiekonzern Sibur. Dieser wiederum wird von Vertrauensleuten des Präsidenten Wladimir Putin, darunter der mit amerikanischen Sanktionen belegte Geschäftsmann Gennadi Timschenko sowie Putins Schwiegersohn Kirill Schamalow kontrolliert. (c) REUTERS (Brendan McDermid)
Der enge Freund und Förderer des kanadischen Premierministers Justin Trudeau könnte laut der Süddeutschen Zeitung in ein Modell zur Steuervermeidung verstrickt sein. Er ist Geschäftsmann und stammt aus einer reichen Familie, die unter anderem Immobiliengeschäfte macht. Zusammen mit seinem Vater soll Trudeau mindestens 34 Millionen Dollar an den "Kolber Trust" auf den Kaimaninslen übertragen haben, und unter anderem Einkünfte oder Geschenke als Darlehen getarnt haben. Ein Anwalt des "Kolber Trust" beteuerte, dass alle Auflagen und Gesetze befolgt worden seien. (c) Shaun Best
Die Familie des 2016 verstorbenen Pharma-Unternehmers Curt Engelhorn ist laut der "Paradise Papers" Großkunde der Kanzlei Appleby. Zwar gab es bereits ein Steuerverfahren mit einer Nachzahlung von rund 145 Millionen Euro, doch da wussten die Steuerbehörden noch nicht von den zahlreichen Trusts. (c) imago/Lindenthaler (imago stock&people)
Paul Gauselmann ist Spielotheken Betreiber in Deutschland und wird in den Dokumenten ebenfalls erwähnt. Das Glücksspiel-Geschäft, das faktisch staatlicher Regulierung entzogen sei, habe seinen Grundstein in der Steueroase Isle of Man. (c) imago/Steffen Schellhorn (imago stock&people)
Welche prominente Namen in den Paradise Papers auftauchen
Unter den Österreichern sollen sich heimische Anwälte, Steuerberater und Treuhänder ebenso wie milliardenschwere Unternehmer, Banken und ausländische Investoren befinden.