Erdoğan und die Zinsen

Erdoğan inszeniert sich selbst gern als „Feind der Zinsen“.
Erdoğan inszeniert sich selbst gern als „Feind der Zinsen“. (c) REUTERS (HANDOUT)
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Der türkische Präsident stellt die Unabhängigkeit der Notenbank infrage und fordert niedrige Zinsen, um die hohe Inflation zu bekämpfen.

Wien. Der türkische Staatspräsident, Recep Tayyip Erdoğan, hat seinen nächsten Feind ausgemacht: Er sei fest entschlossen, sich die „Zinslobby“ im Land vorzunehmen, sagte er der Zeitung „Habertürk“. Damit verschärft der türkische Machthaber seine Gangart gegen die bis dato unabhängige Notenbank des Landes, die er schon in den Wochen zuvor mehrfach hart attackiert hatte.

Er beschuldigt die Währungshüter, den türkischen Leitzins zu hoch anzusetzen und damit im Kampf gegen die steigende Inflation „auf der falschen Fährte“ zu sein. Seine Kommentare kamen kurz nach der Veröffentlichung der aktuellen Inflationszahlen, die im Oktober auf 11,8 Prozent gestiegen sind – der höchste Wert seit dem Jahr 2004. „Sie sagen uns, Zentralbanken sind unabhängig, also sollen wir nicht eingreifen“, so Erdogan. „Das ist das Endresultat, weil wir nicht eingegriffen haben.“

Ökonomie einmal anders

Die Notenbank hält den geldpolitischen Schlüsselsatz aktuell bei acht Prozent. Nach allgemeiner Lehre sollte das dämpfend auf die Inflation wirken.

Der türkische Staatschef sieht das aber offenbar anders. Er ist der Auffassung, dass hohe Zinsen die Inflation beschleunigen. Eine ökonomische Erklärung für die unkonventionelle Annahme, dass die Verknappung des Geldes die Preise antreiben sollte, liefert er allerdings nicht.

Einfacher zu erklären ist hingegen, warum sich Erdoğan dem Kampf gegen die hohen Zinsen verschrieben hat. Um die Wirtschaft am Laufen zu halten, hat sich die Türkei auch in Schulden gestürzt, die mit niedrigeren Zinsen freilich leichter zu bewältigen wären. Zudem hemmten hohe Zinsen Investitionen im Land, warnte Erdoğan vor AKP-Anhängern. Der Staatschef hat die Finanzbranche im Land bereits im Vormonat wegen angeblich zu hoher Kreditzinsen kritisiert und zur Senkung aufgefordert. So weit ist Erdoğan bei der Zentralbank auch diesmal nicht gegangen.

Türkische Lira verliert an Wert

Dennoch fürchten Beobachter um die Unabhängigkeit der türkischen Notenbank. Für kommende Woche ist als erster Schritt ein Krisengipfel der Regierung mit Vertretern der staatlichen Banken angesetzt. Die Landeswährung Lira verlor nach Erdogans Äußerungen an Wert. Auch die Aktienkurse der türkischen Banken gaben am Freitag kräftig nach. (auer/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2017)

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