Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann teilte ordentlich gegen den österreichischen Konzern Red Bull, dessen Gründer Dietrich Mateschitz und seine Medienprojekte ServusTV und "Addendum" aus.
Mit bemühten Witzen über Stratosphärenspringer Felix Baumgartner und den „Ochsengallen-Geschmack“ des Energydrinks Red Bull eröffnete Jan Böhmermann seine ausführliche Satire über den österreichischen Konzern Red Bull und dessen Gründer Dietrich Mateschitz. Doch ganz so harmlos blieb sie nicht. Im 16 Minuten langen Beitrag seiner ZDFneo-Show „Neo Magazin Royale“ teilte er gegen Baumgartner, Mateschitz sowie dessen Medien Servus TV und die erst wenige Wochen alte Plattform „Addendum“ aus.
So hieß es etwa, die Red-Bull-Firmenzentrale liege in „Fascho am See“ (statt Fuschl am See) - ein Versprecher, der die Überleitung zu Aussagen von Dietrich Mateschitz über die Gefahren der „Flüchtlingswelle“ in Österreich bilden sollte. Der Mann sei eben 73, „das ist ja das Gauland-Alter, da brabbelt man schon so etwas Rechtspopulistisches daher“. Es folgten Kritik am „Talk im Hangar-7“ von Servus TV, wo einst Identitären-Chef Martin Sellner (der bei Böhmermann zum Manfred wurde) zu Gast war, und Witze über „Addendum“ sowie dessen Leiter Michael Fleischhacker. Der sehe „zwar fesch“ aus, doch dann folgte die Frage: "Wieso müffelt es hier eigentlich so komisch nach Pegida-Zwangsjacke“? Schließlich schlug er ein neues „krasses Actionevent“ vor, das sich derzeit "jeden Tag und sogar nachts mitten in Europa" abspiele, die „Red Bull Refugee Challenge“. Dabei wurden Bilder von Flüchtlingsströmen und Red-Bull-Events zusammengeschnitten.
Eine Reaktion von Red Bull oder Mateschitz persönlich ist nicht zu erwarten. Der Konzern ist für seine betont zurückhaltende Kommunikationspolitik bekannt. Etwas wahrscheinlicher ist, dass sich Felix Baumgartner auf Facebook zum satirischen Angriff gegen ihn und seinen Hauptsponsor meldet. Er fiel in der Vergangenheit immer wieder mit Posts auf, in denen er sich gegen "Mainstream-Meinungen" und Kritik an seiner Person stellt oder für FPÖ-Positionen eintrat.
Wer ist Jan Böhmermann? Jedenfalls ein Mann, der schon lange nicht mehr zu übersehen ist. Der Satiriker moderiert seit gut fünf Jahren seine Late-Night-Show "Neo Magazin (Royal) auf ZDF. Mit Bissigkeit und einem radikalen (Über-)Mut, der ihm schon einige Skandale einbrachte. Von der "Zeit" wird er gar als "Chefsatiriker der Republik" bezeichnet. Nun bekommt er mit "Lass dich überwachen" eine weitere Show im ZDF-Hauptprogramm >>> (c) Ben Knabe (ZDF)
Österreichaffin ist er auch. Er wollte etwa den österreichischen Medienpreis Romy. Und hat dafür versprochen, er würde deb Preis "verbotswidrig verhüllt in einer mit glitzernden Pailletten bestickten Burka entgegennehmen, in Begleitung von 100 undokumentierten syrischen Flüchtlingen, von denen keiner weiß, wie alt sie sind und wie sie überhaupt heißen. An meiner Hand Armin Wolf und die akademische Burschenschaft Hysteria zu Wien." (c) Screenshot
Für österreichische Ohren klingt Böhmermann oft sehr hart: Wen er kritisiert, den schießt er tatsächlich an. So persiflierte er die Söhne Mannheims mit Todesverachtung - und künstlerischem Anspruch. Er sang das "neue, nicht-antisemitisch Hitalbum der Hurensöhne Mannheims" ein. Und es werden Statements wie dieses eingeblendet: "Ich bin ja kein Nazi, aber ich finde diese Platte echt stark!" Von: "Adolf Hitler, Maler und Lebenskünstler". (c) Screenshot Musikvideo
Die Medien haben es ihm besonders angetan, gern kehrt der 1981 geborene Böhmermann den "Journalisten in ihm" heraus. Und bezeichnet etwa "Bento", den jungen Ableger von "Spiegel Online", als "Website-gewordene Schulklotür", zitiert zahlreiche völlig unseriöse Inhalte und scheut sich auch nicht, einzelne Mitarbeiter vor den Vorhang zu holen. Worüber er sich besonders echauffiert: Doppelmoral. Übrigens: Böhmermann sieht Komiker durchaus als die neuen "public intellectuals". (c) Screenshot ZDF Neo
Doppelmoral: Das warf er in rasantem Tempo auch den Musikern vor, die unter der Führung von Campino, Sänger der legendären "Toten Hosen", Geld für den Kampf gegen Ebola in Afrika sammeln wollten. Aber halt: Es war eben nicht Geld, das Campino da sammelte, sondern künstlerisches Engagement unter dem Namen "Band Aid 30". Böhmermann geißelte unter dem Slogan "Do they know it's Scheiße?" Eigeninteressen der Musiker, vom "Tatort"-Liebling Jan-Josef Liefers bis zur Band Silbermond. Campino jedenfalls findet, "es gibt wohl kaum einen Menschen in dieser Republik, der mehr um Aufmerksamkeit bettelt" als Böhmermann. (c) Screenshot ZDF Neo
Wann erschien Böhmermann eigentlich auf der Bildfläche? Schon lange vor dem Stinkefinger des damaligen Finanzministers Griechenlands, Yanis Varoufakis, im Frühjahr 2015 - aber der machte ihn durchaus bekannt. Denn Böhmermann behauptete, er habe das Video, das ganz Deutschland erzürnte, gefälscht und den Finger des Griechen manipuliert.
"Wir dachten, es wäre doch eine gute Idee, wenn er auch den Finger zeigt", sagte der Satiriker schlicht zur Erklärung. Ein wenig doppelter Boden schadet nie: Nach dem Bekenntnis Böhmermanns begann in den sozialen Netzwerken umgehend eine Diskussion über die Echtheit der Fälschungs-Behauptung. Für seine Satire rund um den Finger wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
Dass Böhmermann keine Angst vor heftigen Reaktionen hat, sondern viel eher auf diese baut, zeigte sich, als er 2016 in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" im ZDF ein Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vortrug. Es unterstellt Erdogan sadistische und perverse Züge. So etwas wie eine Staatskrise folgte, internationale Verwicklungen auf höchster Ebene, außerdem eine breite Diskussion über Humor, Meinungsfreiheit, Kunst sowie ein gerichtliches Urteil darüber, welche Zeilen des Gedichts erlaubt und welche künftig verboten sein sollen. (c) Screenshot
Böhmermann hatte die Folgen des Skandals offenbar unterschätzt, mehrere Wochen zog er sich vollkommen zurück. Angela Merkel warf er später vor, gegenüber Erdogan das hohe Gut der Meinungsfreiheit nicht wirklich vertreten zu haben. Sie habe ihn, Böhmermann, "filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Wei Wei aus mir gemacht". (c) imago/Dean Pictures (imago stock&people)
Nach der Schaffenspause wartete sein Publikum gespannt darauf, wie sich der Satiriker in seiner ersten Sendung nach der Erdogan-Affäre geben würde. Doch statt mit der Türkei beschäftigt Böhmermann sich mit der RTL-Kuppelshow "Schwiegertochter gesucht". Grinsend behauptet er, der Moderatorin Vera Int-Veen einen falschen Kandidaten untergeschoben zu haben - den "einsamem Eisenbahnfreund Robin". "Den gibt es nämlich nicht. Den haben wir uns komplett ausgedacht!" Er warf Moderatorin und Sendung vor, "Leute am Rande zur geistigen Behinderung" zu casten, damit sich die Zuschauer zuhause über diese lustig machen könnten. Und sich wenig um deren Rechte zu scheren.
Wer deckt eigentlich die Misstände bei RTL auf? "Genau", sagt Böhmermann, "wir, das Team Royaleraff." Was dem "Aufdecker" gar nicht gefiel: "Das Problem an der Geschichte ist, dass die dicke Vera in Potsdam am allerwenigsten davon abbekommen hat, sondern es die Produktionsfirmen waren, die hinterher einen auf den Deckel bekommen haben. Ich finde, die Leute, die ihr Gesicht dafür hinhalten, müssen dann auch den Arsch vollbekommen!", zitierte der "Focus" Böhmermann. Womit er eigentlich gerechnet haben musste.
Dass Moderatoren, Journalisten, Musiker ihr "Publikum verarschen", ist eine Sache, die ihnen Böhmermann besonders häufig vorwirft. Um auf die Stupidität des deutschen Wohlfühl-Pop hinzuweisen ("seelenlose Kommerzkacke"), veröffentlichte er etwa im April 2017 einen eigenen Song. Den Text, so gab er freudig bekannt, hätten fünf Schimpansen aus dem Gelsenkirchener Zoo zusammengestellt. "Menschen Leben Tanzen Welt" verkaufte sich übrigens ausgesprochen gut. (c) Screenshot
Und Böhmermann schaffte, was nicht einmal Harald Schmidt gelang: Er war Gast in einer amerikanischen Late-Night-Show. Den Wunsch nach einer eigenen täglichen hat er mittlerweile aufgegeben, wie er sagt. Er habe sich "nach der Erdogan-Nummer innerlich davon verabschiedet." Die Sehnsucht danach sei nur Sentimentalität, das Fernsehen kein Leitmedium mehr. Harald Schmidt, für den Böhmermann einst Gags schrieb, lobt Böhmermann übrigens oft. Er kritisierte ihn aber wegen seiner mangelnden Coolness in der Erdogan-Affäre: Böhmermann hatte den Kanzleramtsminister privat um Hilfe gebeten. (c) Screenshot
Wenn jemand auf seine Provokationen reagiert, sichert ihm das nur noch mehr Aufmerksamkeit. Der Grund für das recht eindeutige Plakat: Böhmermann verkleidete er sich in seiner Sendung als Hitler und trug dabei einen Schal von Dynamo Dresden. Daraufhin meldeten sich die Sachsen und luden ihn zu einem Heimspiel ein. Der Satiriker verscherzte es sich aber durch seine Bedingung: Wenn er im Stadion keinen Rechten begegne, komme er gerne. (c) Imago
Nun macht er also auch noch Kunst: Ende November startete seine Ausstelllung "Deuscthland" [sic], damit wolle er die Lage der Nation beleuchten. Er habe hier ausstellen wollen, was im Fernsehen nicht möglich sei, sagt Böhmermann. Das, was nicht gezeigt würde - auch aus ethischen Gründen. Es geht in der Ausstellung also vielfach darum, was Satire darf und was nicht. Der Rechtsstreit um Böhmermanns "Schmähgedicht" gegen Erdogan kommt nicht zu kurz. (c) NRW-Forum Düsseldorf
Übrigens: Eigentlich wollte Böhmermann gar nicht Moderator, Satiriker oder Journalist werden, sondern Schauspieler. Er wurde aber an drei Schauspielschulen abgelehnt. Mit 18 stieg er als Reporter bei Radio Bremen ein - zu diesem Zeitpunkt war sein Vater, ein Polizeibeamter, bereits an Leukämie gestorben. Sein Studium brach er ab, die Fächer waren: Geschichte, Soziologie und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. 2005 erfand er die Hörfunkunterhaltungsreihe "Lukas’ Tagebuch", eine Parodie auf den Fußballspieler Lukas Podolski, derentwegen Podolski den WDR verklagte. Im Bild: Böhmermann vor zehn Jahren. (c) imago stock&people (imago stock&people)
2009 erschien Böhmermanns erstes Buch "Alles, alles über Deutschland – Halbwissen kompakt" und er begann als Mitglied im Ensemble bei Harald Schmidt. Viele kleine Projekte, Sendungen, Shows machte er über die Jahre, etwa die Talkshow "Roche & Böhmermann" (gemeinsam mit Charlotte Roche; die Zusammenarbeit endete aber im Zerwürfnis der beiden Moderatoren). Das Radioformat "Sanft & sorgfältig" moderierte Böhmermann jahrelang mit Musiker Olli Schulz auf dem Berliner Sender Radioeins, heute findet das Zwiegespräch der beiden als Podcast unter dem Namen "Fest & flauschig" auf Spotify statt. Böhmermann hatte schon früh den Ruf, nicht kontrollierbar zu sein - und für viele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Zumutung. Seit 2013 moderiert er die Late-Night-Show "Neo Magazin", später "Neo Magazin Royale", auf ZDFneo. Das ZDF zeigt freitagnachts eine Wiederholung. Eine Neuauflage von "Roche & Böhmermann" namens "Schulz & Böhmermann", die Böhmermann mit Schulz moderierte, wurde mittlerweile wegen schelchter Quoten abgesetzt. Talkshows scheinen für Böhmermann nicht zu funktionieren. Er ist ein Einzelkämpfer. (c) Screenshot
Skandale, Witze, Aufreger: Jan Böhmermann
Deutsche Medien wie der "Stern" und die "Welt" berichteten am Freitag ausführlich über die jüngste Böhmermann-Sendung, allerdings nicht nur wegen der Red-Bull-Schmähs, sondern weil dort der deutsche Grünen-Politiker Robert Habeck zu Gast war und sehr offen über das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen gesprochen hatte. Die "Welt" sieht Böhmermann durch Habeck gar "entwaffnet". Wäre spannend, was Mateschitz und Fleischhacker Böhmermann kontern würden, wenn man sie ließe. So sie eine Einladung in das ZDF-Studio überhaupt annehmen würden.
Böhmermanns ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" sei wie Österreich:" Klein, unbedeutend, keiner weiß, warum es das überhaupt gibt. Und es geht allen mächtig auf die Eier", so der deutsche Satiriker.
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