Irans Armee: Bereit zur Niederschlagung von Anti-Regierungsprotesten

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Der Iran beschuldigt einen EU-Bürger, Anti-Regierungsproteste organisiert zu haben. Erneut gehen am Donnerstag Zehntausende Anhänger der Regierung auf die Straße.

Die iranische Führung fährt große Geschütze gegen die regierungskritischen Proteste im Land auf. Am Donnerstag gingen erneut zehntausende Anhänger der Führung auf die Straße. "Wir stehen geeint hinter dem Führer", riefen die Menschen mit Blick auf Khamenei. Das Staatsfernsehen zeigte große Menschenmengen in Isfahan, Ardebil und Mashhad, wo die regierungskritischen Proteste vor einer Woche begonnen hatten.

"Obwohl dieser blinde Aufruhr so klein war, dass ein Teil der Polizeikräfte in der Lage war, ihn im Keim zu ersticken ... könnt ihr euch zurücklehnen im Vertrauen darauf, dass eure Kameraden in der Armee bereit sind, den Tölpeln des Großen Satans entgegenzutreten", sagte Generalmajor Abdolrahim Mousavi am Donnerstag. Mit dem Begriff "Großer Satan" werden im Iran die USA abfällig bezeichnet.

Die Revolutionsgarden hatten schon am Mittwoch das Ende des "Aufruhrs" verkündet, während tausende Anhänger der Regierung auf die Straße gegangen waren. Doch in der Nacht auf Donnerstag gab es, auch eine Woche nach Beginn der Proteste, weitere Demonstrationen. In sozialen Medien zeigten Aktivisten, Blogger und Journalisten Videos von Kundgebungen, die in unterschiedlichen Städten gefilmt worden sein sollen.

"Höchstens" 42.000 Demonstranten?

Offenbar gab es auch weitere Festnahmen. Die Nachrichtenagentur Tasmin berichtete, dass in der ostiranischen Stadt Birjand 28 Menschen wegen "illegaler Versammlungen" in Haft seien. Das Ausmaß der Demonstrationen blieb weiter unklar. Innenminister Abdolureza Rahmani Fazli sagte laut der Nachrichtenagentur Isna am Donnerstag, an den Protesten hätten bisher "höchstens 42.000 Menschen" teilgenommen. Beobachter halten das für untertrieben.

Es blieb schwierig, sich aus anderen Quellen einen Überblick zu verschaffen. Staatliche Medien berichten kaum über die Proteste, die am vergangenen Donnerstag mit Kundgebungen gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik des Landes begonnen hatten, aber dann zunehmend regimekritisch wurden. Die teils gewaltsamen Proteste mit mindestens 21 Toten richtete sich gegen wirtschaftliche Missstände wie die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Preise für Lebensmittel, aber auch gegen die Außenpolitik der Regierung und das klerikale System an sich.

Forderungen zur Aufweichung der Sparpolitik

Ayatollah Ali Khamenei, das politische und religiöse Oberhaupt im Iran, hatte ausländische Kräfte beschuldigt, für die Eskalation der Proteste im Land verantwortlich zu sein. So ist in der Stadt Borujerd im Westen des Landes ein EU-Bürger im Zusammenhang mit den Demonstrationen festgenommen worden, sagte der Justizleiter der Stadt, Hamid-Rest Bolhassani, am Donnerstag. Er soll von europäischen Geheimdiensten ausgebildet und nach Borujerd entsandt worden sein, um dort die Proteste zu leiten, sagte Bolhassani der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim. Er sagte nicht, aus welchem europäischen Land der Mann sei und ob er auch die iranische Nationalität habe.

Indes hat der Iran die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom einem Bericht zufolge aufgefordert, die Berichterstattung einiger persisch-sprachiger Sender in London über die Proteste im Iran zu stoppen. Diese Sender würden Menschen im Iran "zum bewaffneten Aufstand" anstiften, heißt es nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA in einem Schreiben der iranischen Botschaft vom Donnerstag. Dies sei gegen britische und internationale Vorschriften, argumentiert Teheran. Ofcom sollte diese "ungesunde Berichterstattung" stoppen und professionellen Journalismus respektieren. Im Iran protestieren seit gut einer Woche Gegner der politischen und religiösen Führung.

Konservative wie Reformer haben die Ausschreitungen verurteilt, doch gibt es Forderungen, auf die Kürzung von Subventionen und die Erhöhung des Benzinpreises zu verzichten, die in der Bevölkerung besonders unbeliebt sind. Khameneis Berater Ali Akbar Velayati sagte der Nachrichtenagentur Isna, "die Hauptforderung der Menschen ist nun, dass die Regierung eine Lösung für die wirtschaftlichen Probleme findet".

"Was die Benzinpreise betrifft, müssen wir unbedingt die Situation des Volkes berücksichtigen, da Spannungen absolut nicht im Interesse des Landes sind", sagte kürzlich der konservative Parlamentspräsident Ali Larijani. Kritiker werfen Präsident Hassan Rouhani seit langem vor, bei seiner Sparpolitik keine Rücksicht auf die Schwächsten zu nehmen und das Thema der sozialen Gerechtigkeit zu vernachlässigen.

Iran beschwert sich bei UNO über USA

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kritisierte den Ton der USA, Israels und Saudiarabiens im Umgang mit dem Iran. Die drei Länder seien "in vielerlei Weise" Verbündete Frankreichs, sagte Macron vor Journalisten. Ihre "offizielle Linie" sei jedoch "fast eine, die uns in den Krieg führt", warnte er.

Es sei wichtig, den Dialog aufrecht zu halten. Frankreich wolle ein Gleichgewicht wahren. "Sonst bauen wir am Ende schleichend eine 'Achse des Bösen' wieder auf", sagte Macron in Anspielung auf eine Äußerung des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush. Dieser hatte den Begriff auf den Iran, den Irak und Nordkorea angewendet.

Der Iran übte unterdessen ebenfalls (abermals) Kritik an den USA, die die regierungskritischen Demonstrationen in dem Land unterstützen. In einem an den UNO-Sicherheitsrat und UNO-Generalsekretär Antonio Guterres adressierten Schreiben wirft Teheran der US-Regierung vor, sich in die internen Angelegenheiten des Landes einzumischen.

Washington habe durch seine "grotesken" Versuche der Einflussnahme gegen internationales Recht verstoßen, erklärte der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gholamali Khoshroo. Die US-Regierung habe Demonstranten ermutigt, auf die Straße zu gehen, um die Regierung zu stürzen. US-Präsident Donald Trump hatte die Proteste gegen die iranische Staatsführung in den vergangenen Tagen mehrfach gelobt und die Regierung in Teheran als "brutal und korrupt" bezeichnet. 

>>> Donald Trumps Twitter-Diplomatie

(APA/AFP)

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