Hunderte geheimnisvolle Botschaften

Unfreundliche Tiere sollten die bösen Geister vom Kaisergrab im Wiener Stephansdom fernhalten – Detail aus dem Sockel der Tumba.
Unfreundliche Tiere sollten die bösen Geister vom Kaisergrab im Wiener Stephansdom fernhalten – Detail aus dem Sockel der Tumba.(c) Renate Kohn
  • Drucken

Die Forschungen zur Grabstätte Friedrichs III. sind noch nicht abgeschlossen. Zu den in Stein gemeißelten Figuren oder Tieren sind noch weitere Einblicke zu erwarten.

Zum Teil sind Fantasiemonster in Stein gemeißelt. So etwa ein kleines gedrungenes Tier mit breiten kurzen Beinen, jeweils zwei Zehen, starken Krallen, langem Hals und einem Kopf mit breitem Maul und langen Ohren. Dieses Tier ist eines von vielen, die am Gesims der Tumba (Hochgrab) des Friedrichsgrabes im Wiener Stephansdom zu sehen ist. „Die Tiersymbolik“, so die Historikerin Renate Kohn, „ist einer der Bereiche, an denen noch weiter geforscht werden muss.“

Bei Renate Kohn vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) steht seit vier Jahren das monumentale Grabdenkmal von Friedrich III. im Apostelchor des Stephansdoms im Fokus ihrer Forschung. „Das Grabmal hat mich in seiner Größe und seinem Detailreichtum einfach erschlagen“, sagt die Historikerin heute über ihre ersten Besichtigungen.

Friedrich III., Herzog von Österreich und deutscher Kaiser, hat 1463 als 48-Jähriger den Auftrag für die Grabstätte bei dem bekanntesten Bildhauer seiner Zeit, Niclas Gerhaert van Leyden, gegeben und berief ihn von Straßburg nach Wiener Neustadt. Das Grabmal wurde 1513 – 20 Jahre nach Friedrichs Tod und 30 Jahre nach dem Ableben van Leydens – fertiggestellt.

Forschung nach 500 Jahren

500 Jahre nach der Bestattung Friedrichs in seinem Grabmal, also 2013, organisierte die ÖAW in Wien eine Tagung mit international renommierten Experten. Die Beiträge von 17 Referenten dieser Tagung hat Renate Kohn herausgegeben, der stattliche Sammelband wurde in dieser Woche präsentiert – und zwar direkt im Stephansdom vor dem Friedrichsgrab.

Dabei war über Jahrhunderte nicht eindeutig klar, ob sich der zum Ende des Mittelalters residierende deutsche Kaiser auch tatsächlich in diesem Grab befand. Bereits 1969 wurde ein kleines Loch aus der Tumba ausgebrochen. Mit Hilfe von Spiegeln konnte man eindeutig die erfolgte Grablegung feststellen.

Im Vorfeld des Kongresses von 2013 wollte man noch einmal den Blick ins Innere wagen. Das Abheben der auf der Tumba ruhenden Grabplatte ist „zerstörungsfrei praktisch unmöglich“, wie Franz Zehetner, Archivar der Dombauhütte zu St. Stephan, sagt. Die acht bis neun Tonnen schwere Grabplatte ist nach 500 Jahren fest mit den Tumbawänden verbunden. Aber man nutzte noch einmal die 1969 gebohrte Öffnung und führte eine Teleskopkamera ein.

Diese lieferte eindrucksvolle Bilder aus dem Inneren der Tumba: Die Keramikplatten des Sarkophags sind verschoben, darunter ist das mit Goldfäden durchzogene Leichentuch zu sehen. Am Kopfende ragt die eigens für das Grab angefertigte Funeralkrone hervor, an den Seitenwänden sind Inschriften auf Metallplatten angebracht. Die Krone wurde höchstwahrscheinlich aus Kupfer gefertigt und großteils versilbert und vergoldet. Stand bisher die kunstvolle Deckplatte der Tumba im Mittelpunkt des kunsthistorischen Interesses, so befinden sich, wie Renate Kohn sagt, in den Hunderten Details „Botschaften, die noch entschlüsselt werden müssen“. Viele ihrer Auflösungen sind nun im neuen Tagungsband zum Friedrichsgrab publiziert.

Vergleich zu Krakau, Bamberg

Das Friedrichsgrab markiert das Ende der Bildhauerkunst der Gotik. Franz Zehetner sieht noch einen weiteren künftigen Forschungsauftrag: „Die vorliegenden Ergebnisse sollten im Kontext zum Königsgrab von Sigismund I. in Krakau und zum dem von Tilman Riemenschneider gestalteten Kaisergrab in Bamberg gestellt werden.“ Denn alle drei Gräber sind im selben Zeitraum entstanden.

Renate Kohn arbeitet zudem an einer Edition aller erhaltenen oder auch durch Abschriften noch bekannten Inschriften des Stephansdoms.

IN ZAHLEN

50 Jahre nahm die Herstellung des Friedrichsgrabes in Anspruch – vom Auftrag durch Friedrich III. selbst bis zu seiner Grablegung.

30 Jahre nach dem Tod des ursprünglich beauftragten Bildhauers Niclas Gerhaert van Leyden war die Grabstätte vollendet.

20 Jahre nach seinem Tod wurde Friedrich III. in seiner Grabstätte im Stephansdom beerdigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.