Die ÖVP holt in Niederösterreich wieder die Absolute, die FPÖ verdoppelt sich fast. Die SPÖ verbessert sich nur leicht – für die Parteiführung nicht die einzige Ernüchterung an diesem Wochenende. Eine Analyse.
Niederösterreich hat gewählt – und der ÖVP wieder eine absolute Mehrheit beschert. Die Freiheitlichen haben sich trotz Skandals fast verdoppelt, die Grünen sind im Landtag geblieben, die Neos kommen hinein. In Wien hat die SPÖ, die in Niederösterreich ein wenig zulegen konnte, mit Michael Ludwig eine Richtungsentscheidung getroffen. Was bedeuten die Ereignisse dieses Wochenendes nun also für die Bundespolitik? Eine Bewertung.
Für die ÖVP läuft es weiterhin – jedenfalls bei Wahlen – wie am Schnürchen. Die (ohnehin eher verhaltenen) Reformen und Ankündigungen nach dem Wahlsieg im Oktober haben der Partei beim Wähler nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. In Niederösterreich wurde die absolute Mehrheit, die Erwin Pröll hinterlassen hatte, gehalten. „Ein Glück mit ihren Wahlterminen hat die niederösterreichische ÖVP schon auch immer wieder“, sagt ein führender Vertreter einer anderen ÖVP-Landespartei. Johanna Mikl-Leitner konnte den Rückwind durch die neue türkis-blaue Regierung in Wien, ausgewiesen in diversen Umfragen in den vergangenen Wochen, für sich nützen.
Andererseits hat sie selbst kontinuierlich auf dem Erbe Erwin Prölls aufgebaut und dieses mit dem Bild der volksnahen Landesmutter angereichert. Mikl-Leitner hat einen unspektakulären Persönlichkeitswahlkampf unter dem Motto „Miteinander“ geführt. Ob die Causa Landbauer noch die entscheidenden Prozentpunkte für die Absolute gebracht hat, ist ein Fall für die demoskopische Feinanalyse.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat nach der ersten Hochrechnung tief durchgeatmet und festgestellt, alles erst "realisieren" zu müssen. "Ich empfinde in dieser Stunde der Freude ganz tiefe Dankbarkeit für den Vertrauensvorschuss", den ihr die Landsleute gegeben haben, lautete ihre erste Reaktion. Das sei eine Bestätigung des Kurses und "ein wunderschönes Gefühl". (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Mit Mikl-Leitner feierte auch Vorgänger Erwin Pröll. Er gratulierte seiner Nachfolgerin "aus tiefstem Herzen und mit ganz, ganz großer Freude". Er sprach von einem bravourösen und fehlerfreien Wahlkampf, den die Landeshauptfrau geführt habe. Prölls Resümee: "Niederösterreich bleibt weiter auf einem guten Weg." (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl sieht seine Partei durch das Wahlergebnis "gestärkt". Das Resultat für die SPÖ sei ein Zeichen, dass die Bevölkerung eine sichtbare sozialdemokratische Handschrift im Land wolle, meinte Schnabl. In den kommenden fünf Jahren wolle man rote Zeichen in Sachen Gesundheit, Kinderbetreuung oder Verkehrspolitik setzen. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Zufrieden zeigte sich FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer. "Mit einer Mandatsverdoppleung sind wir alles andere als unglücklich." Faktum sei, die ÖVP hat die Absolute geholt, "das ist nun mal so", meinte er. Man habe in den vergangenen Wochen eine "Kampagne" gegen die Blauen erlebt, spielte er auf die NS-Lieder-Affäre an. Und betonte neuerlich: Man freue sich über das große Plus. Ein "starkes Signal" sah auch FPÖ-Landesparteisekretär Christian Hafenecker in der Verdoppelung der blauen Mandate. Angesichts der beispiellosen Medienkampagne der vergangenen Tage könne man über das Ergebnis "sehr glücklich" sein. Hafenecker spielte damit auf die NS-Liedgut-Affäre rund um Spitzenkandidat Udo Landbauer an. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Zufriedenheit herrschte bei den Grünen, die zuletzt aus dem Nationalrat in Wien flogen. Spitzenkandidatin Helga Krismer twitterte: "Niemand glaubte mir, dass es wieder ÖVP Absolute gibt und daher Kontrolle von den Grünen notwendig ist. #danke #ltw18". Der Grüne Landesgeschäftsführer Hikmet Arslan zeigte sich "sehr glücklich" und sprach von einem wichtigen Neustart - nicht nur im Land, sondern auch in Österreich. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
"Es ist eine große Freude für uns dass wir vom Stand weg in den Landtag einziehen können", sagte Neos-Spitzenkandidatin Indra Collini und sprach von einem "steinigen Weg" bis dahin." Dass es nun zwei Oppositionsparteien - Grüne und Pinke - geben wird, sieht sie positiv: "Je mehr Kontrolle, desto besser." Der Neos-Abgeordnete Nikolaus Scherak sah eine "beeindruckende Leistung" beim ersten Antreten der Pinken in Niederösterreich mit Spitzenkandidatin Indra Collini (im Bild mit Neos-Chef Matthias Strolz). Die Neos hätten im Wahlkampf auf Freiheit und Kontrolle gesetzt, mit diesem Mandat sei man nun ausgestattet. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) meldete sich auf Twitter zu Wort und gratulierte Mikl-Leitner. Das Ergebnis zeige, dass der Weg der Volkspartei, "der neue Stil und das Miteinander von den Menschen honoriert werden." Das Ergebnis sei auch Rückenwind für die ÖVP auf Bundesebene. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
SPÖ-Chef Christian Kern gratulierte Franz Schnabl per Aussendung. „Die SPÖ hat ihr Potential gut ausgeschöpft. Das ist ein Aufwärtstrend, der zeigt, dass wir eine starke Sozialdemokratie in Österreich haben. Wir haben es geschafft, in Niederösterreich Nummer zwei zu bleiben und die FPÖ auf Platz 3 zu verweisen. Die FPÖ ist somit deutlich unter ihren Erwartungen geblieben“, betont Kern (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Für Bundesparteichef Heinz-Christian Strache hat die FPÖ bei der niederösterreichischen Landtagswahl "ein hervorragendes Ergebnis erreicht". "Unter unglaublich schwierigen Bedingungen" habe die FPÖ "die Mandats- und Stimmenzahl verdoppelt", schrieb der Vizekanzler auf Facebook. Damit habe die FPÖ in Niederösterreich das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte der Landtagswahlen erreicht. Das Wahlergebnis ist für Strache aber auch Beleg dafür, "dass die gute Arbeit in der Bundesregierung von den Bürgern positiv angenommen wird". (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Kärntens ÖVP-Obmann Christian Benger zeigte sich am Sonntag angesichts der Hochrechnungen in einer ersten Reaktion hocherfreut über das Abschneiden der Volkspartei bei der Landtagswahl in Niederösterreich. "Hanni, die Kämpferin, ist Siegerin. Das zeigt: Kämpfen!" und: "Gratulation, ein großartiges Ergebnis - und das beim ersten Antreten." Zu den übrigen Parteien wollte Benger nichts sagen. (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
Reaktionen: ''Hanni, die Kämpferin, ist Siegerin''
SPÖ
Es war ein durchwachsenes Wochenende für die SPÖ-Führung in der Löwelstraße: Zuerst gewinnt der Kandidat der roten Basis, Michael Ludwig, das Duell um Wien gegen den Kandidaten des sozialdemokratischen Establishments, Andreas Schieder. Dann legt die niederösterreichische SPÖ nach einem unkonventionellen Augenzwinkerwahlkampf zwar zu, aber in einem Umfang, der auch nicht wirklich zum Feiern Anlass gibt. Den Spitzenkandidaten, Franz Schnabl, hat übrigens das Wiener Partei-Establishment mitausgesucht.
Es wirkt hier noch immer die Flüchtlingskrise nach. Es war das sogenannte Team Haltung in der Wiener SPÖ und darüber hinaus, das zum Sturz Werner Faymanns als SPÖ-Chef maßgeblich beigetragen hatte. In der Folge wandte sich jedoch der Unmut der vernachlässigten Mehrheit in der Wiener SPÖ gegen diese ideologisch motivierte Minderheit (wie nun auch beim Parteitag bewiesen), die bisher die Macht in der Partei innehatte.
Der Anführer der pragmatischen Basis, vor allem aus den großen Flächenbezirken am Stadtrand, der Realo Michael Ludwig, führt künftig die Wiener SPÖ an. Und ist somit nun der mächtigste Mann in der SPÖ, vor allem, wenn er dann auch Bürgermeister ist. Christian Kern ist auf seine Rolle als SPÖ-Vorsitzender reduziert. Seit er den Kanzler verloren hat.
FPÖ
Die Nachwahlanalysen wird sich wohl auch die FPÖ genauer ansehen: Wäre ohne die Liederbuch-Affäre noch mehr drinnen gewesen? Wahrscheinlich schon. So lagen fast zehn Prozent Stronach-Stimmen von der 2013er-Wahl auf dem Tisch. Immerhin hat sich die FPÖ trotz dieser unappetitlichen Verbindung ihres Spitzenkandidaten Udo Landbauer zu einer Burschenschaft, die antisemitische und NS-verherrlichende Texte in ihrem Liederbuch abgedruckt hat, fast verdoppelt. Für das Image der FPÖ als Regierungspartei war das jedoch verheerend. Möglicherweise ist es aber auch heilsam: Die FPÖ – und vor allem auch die mit der Partei eng verbundenen Burschenschaften – muss nun endlich auch die letzten Reste der NS-Nostalgie beseitigen.
GRÜNE
Die Grünen haben mit dem Wahlergebnis in Niederösterreich mit Spitzenkandidatin Helga Krismer wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. Abschreiben sollte man sie also noch nicht. Sie haben ihre Basis nun in den Bundesländern. Und dort eine recht stabile Stammwählerschaft.
NEOS
Und auch die Neos sind mittlerweile doch recht fest in der österreichischen Politiklandschaft verankert. Neben dem Nationalrat sind sie nach Vorarlberg und Wien nun mit Indra Collini und ihrem Team auch im niederösterreichischen Landtag vertreten. Neben der ÖVP ist also, wie es scheint, nachhaltig Platz für eine zweite bürgerliche Partei.