Justizminister Josef Moser präsentierte am Mittwochvormittag die Ergebnisse des angeforderten Berichts der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die Chronologie einer Affäre.
Die Vorgänge rund um die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes (BVT) sorgen derzeit für Kritik. Justiziminister Josef Moser (ÖVP) ließ sich nun von der ermittelnden Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Bericht vorlegen, dessen Ergebnisse er am Mittwochfrüh in einer Pressekonferenz präsentierte.
Gegen fünf namentlich bekannte und weitere Personen werde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, sagte der Minister. Im Raum stehen die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs und der Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Die Chronologie der Ermittlungen beim BVT
Juli 2017
Alles begann mit einem anonymen Dossier, das der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zugespielt wurde - und auch der "Presse" vorliegt. Darin werden hochrangige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, aber auch des Innenministeriums und des Bundeskriminalamts beschuldigt. Wer der Verfasser des Dossiers ist, ist unklar. In Verdacht steht ein ehemaliger Abteilungsleiter und ein ehemaliger Informant des BVT, die sich mit der Führungsriege überworfen haben. Viele der dort beschriebenen Fälle erwiesen sich aber als haltlos.
Dazu kommt im selben Zeitraum eine Anzeige des Anwalts Gabriel Lansky bei der WKStA. Dabei geht es um Daten, die in Luxemburg beschlagnahmt wurden und seine anwaltlichen Tätigkeiten betreffen. Lansky vermutet, dass diese Daten unrechtmäßig beim BVT gelandet sind. Das Oberlandesgericht Linz hatte geurteilt, dass dies unzulässig war, dass diese gelöscht werden müssen.
Oktober 2017
Die WKStA schrieb einen Zwischenbericht. Laut Moser sei dort schon aufgeführt gewesen, dass es begründete Verdachtsmomente gegen Beamte gebe, dass Daten nicht gelöscht worden seien. Konkret geht es um die Frage, ob es zulässig war, dass Beamte in Österreich gedruckte nordkoreanische Passmuster an Südkorea weitergegeben haben. Das Innenministerium bezeichnete diese Vorgänge als durchaus üblich - juristisch ist das wohl aber noch nicht geklärt. Weiters geht es darum, ob Kopien von Daten gemacht wurden, die schon gelöscht hätten werden müssen.
16. Jänner 2018
Der Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, trifft Lansky.
18. Jänner 2018
Es kommt zu einem persönlichen Treffen Goldgrubers mit der WKStA, wo Goldgruber Verdachtsmomente äußert, am nächsten Tag übergibt er ein Konvolut an Daten, die wohl eben das eingangs erwähnte Dossier, aber auch weitere Vorwürfe enthalten - was Moser betonte.
Ab 20. Februar 2018
Goldgruber bringt Zeugen - zuerst zwei, die dann in Anwesenheit eines Kabinettmitarbeiters vor der WKStA aussagen. Daraufhin kommt es zu zwei weiteren Zeugenbefragungen.
Die WKStA befindet die Vorwürfe und Aussagen als schwerwiegend und ordnet Hausdurchsuchungen gegen fünf Beschuldigte an. Einer davon ist Direktor Gridling, sein ehemaliger Stellvertreter sowie weitere drei Beamte. Die WKStA fordert daraufhin eine Einsatzeinheit beim Innenministerium an - ein üblicher Vorgang. Normalerweise würde daraufhin das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK; untersteht ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler, Anm.) gemeinsam mit der Cobra einen derartigen Einsatz leiten.
Goldgruber äußert aber Bedenken, weil es ein Naheverhältnis zum BVT gibt und vorher etwas durchsickern könnte - und schlägt eine andere Einheit der Wiener Polizei vor. Diese wird vom FPÖ-Gewerkschafter und -Gemeindepolitiker Wolfgang Preiszler geleitet, was später für Kritik sorgen wird.
Am 28. Februar wurde die Hausdurchsuchung von insgesamt 58 Beamten durchgeführt. Dazu gab es auch einen externen IT-Experten, der Daten sicherstellte. Es wurden auch Daten der Leiterin des Extremismusreferats genommen, die als Zeugin geführt wird. Als Grund dafür wird ein angebliches Naheverhältnis zu einem der Beschuldigten angeführt - weiters soll ermittelt werden, ob ihr Vorgesetzter sie dazu angewiesen hätte, Daten zu speichern, obwohl diese zu löschen gewesen wären. "Es wurden bei dieser Hausdurchsuchung auch Hardware mitgenommen, man wusste nicht, was sich darauf befindet. Es stellte sich dann heraus, dass auch Daten Fälle betreffend darauf waren", sagte Moser. Die Extremismusdatenbank an sich sei aber nie Gegenstand der Ermittlungen gewesen. Es habe auch keine Anweisung gegeben, diese zu kopieren - und das sei auch nicht gemacht worden.
Moser beurteilte die Vorgänge und Abläufe im Großen und Ganzen als schlüssig und konform. Die Arbeit des BVT werde zudem durch die Datensicherungen nicht eingeschränkt - die Daten stünden weiterhin zur Verfügung.
Eine Geheimdienstaffäre erschüttert seit Tagen die heimische Innenpolitik. Im Zentrum steht das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Mitarbeitern dieses Inlandsgeheimdienstes werden Amtsmissbrauch und Datenvergehen vorgeworfen. Die Frage, ob es sich bei der Causa BVT um Korruption und Unrechtmäßigkeiten oder um einen Machtkampf und Umfärbung handelt, ist dabei offen. DiePresse.com/APA/Die Presse
Der bisherige und inzwischen vom Dienst suspendierte BVT-Leiter Peter Gridling steht im Mittelpunkt der BVT-Affäre. Der ehemalige Gendarm, Staatspolizist und Terrorismusbekämpfer wurde 2008 unter ÖVP-Innenminister Günther Platter zum Leiter des BVT bestellt. In der als Schlangengrube verrufenen Behörde war Gridling zuletzt Chef über 309 Bedienstete. Im vergangenen Jahr tauchten anonyme Dossiers beziehungsweise Anzeigen gegen Gridling, seinen inzwischen ausgeschiedenen Stellvertreter und eine Reihe weiterer BVT-Mitarbeiter auf. Die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) nahm gegen Gridling und andere schließlich Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und Datenvergehen auf. Die Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück. Einer breiteren Bevölkerung ist der 60-jährige Gridling von diversen TV-Auftritten nach Terroranschlägen bekannt, wenn es darum ging, die aktuelle Terrorbedrohungslage in Österreich einzuschätzen. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Bei FPÖ-Innenminister Herbert Kickl liegt die politische Verantwortung für die Vorgänge beim Inlandsgeheimdienst und den obersten Verfassungsschützern. Kritiker werfen Kickl in der Causa vor, nur nach einem Vorwand für die Ablöse Gridlings gesucht zu haben, um das BVT von Schwarz auf Blau umfärben zu können und so etwaige unliebsame Ermittlungen gegen FPÖ-nahe Rechtsextreme oder Burschenschafter besser unter Kontrolle zu haben. Kickl selbst weist diese Vorwürfe zurück und spricht von normalen rechtlichen Vorgängen und dienstrechtlichen Konsequenzen. Dies sei keine Umfärbung, keine Intrige, kein Machtkampf, keine Staatskrise, so der Innenminister und FPÖ-Vordenker. Experten gehen unterdessen bereits davon aus, dass im Geheimdienst nach der BVT-Affäre kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Innenminister Kickl lässt derzeit evaluieren, ob der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden muss. Am Montag wird sich der Innenminister in einer Sondersitzung des Nationalrats zu dieser Causa der Opposition stellen müssen. Das Ministerium verlassen hat dieser Tage im Übrigen der langjährige frühere Kabinettschef und Leiter der Präsidialsektion Michael Kloibmüller. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Peter Goldgruber ist als Generalsekretär im Innenministerium die rechte Hand von Innenminister Herbert Kickl. Der langjährige FPÖ-nahe Exekutivbeamte - zuletzt war er Vorstand des Büros für Qualitätssicherung in der Bundespolizeidirektion Wien - soll die jüngsten Hausdurchsuchungen bei verschiedenen BVT-Beamten mit einer Anzeige gegen Gridling und andere BVT-Mitarbeiter ins Rollen gebracht haben Im Ministerium weist man eine Anzeige freilich zurück, man habe lediglich einen "Konnex" zur Staatsanwaltschaft hergestellt. Goldgruber selbst nannte Medienberichte zur Hausdurchsuchung im Inlandsgeheimdienst "Fake News". Dass sich das Innenministerium "durch eine von einem FPÖ-Mitglied geführte Einheit Zugang zu Rechtsextremismus-Daten" verschaffen habe wollen, wies Goldgruber als "medial konstruierte Geschichte" zurück. Die Hausdurchsuchungen seien von Staatsanwälten geleitet worden. Die Daten lägen bei der WKStA und würden von dieser ausgewertet. (c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
Wolfgang Preiszler (1. v. links): Der Leiter der Wiener Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) hatte am 28. Februar die Hausdurchsuchungen in der Zentrale des BVT in Wien-Landstraße sowie bei mehreren BVT-Mitarbeitern in einer Art Geheimoperation angeführt. Politisch pikant ist dies deshalb, weil Preiszler auch als blauer Gewerkschafter und FPÖ-Gemeinderat im niederösterreichischen Guntramsdorf tätig ist und bei der Aktion auch Unterlagen des Extremismus-Referats beschlagnahmt worden sein sollen, das sich auch mit FPÖ-nahen Milieus wie Neonazis, Rechtsextremen, Identitären oder Burschenschaftern beschäftigt. Das Extremismus-Referat hat mit den ursprünglichen Anschuldigungen gegen diverse BVT-Mitarbeiter aber gar nichts zu tun.
Der Generalsekretär und Leiter der Strafrechtssektion des Justizministeriums kontrolliert als verlängerter Arm des Justizministers die verschiedenen Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften sowie die WKStA. Dass das Justizministerium und Christian Pilnacek über die Hausdurchsuchungen beim Inlandsgeheimdienst erst nachträglich informiert wurden, bezeichnen Experten als eher ungewöhnlich. Pilnacek selbst versuchte diesen Umstand herunterzuspielen und meinte, dass die Staatsanwaltschaft seit 2016 einzelne Ermittlungsschritte nicht mehr im Vorhinein genehmigen lassen, sondern nur im Nachhinein über "bedeutende Verfahrensschritte" berichten muss. Pilnacek dementierte darüber hinaus zunächst, dass bei der Hausdurchsuchung auch Unterlagen über Extremismus-Ermittlungen des Verfassungsschutzes beschlagnahmt wurden, später sprach er von "weiteren Sicherstellungen". In einem von Medien veröffentlichten Sicherstellungsprotokoll wurden beschlagnahmte Daten des Extremismus-Referats angeführt. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Der von der ÖVP nominierte Justizminister Josef Moser trägt die politische Verantwortung für die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft. Der frühere Rechnungshofpräsident trat in den ersten Monaten in der Regierung freilich weniger als Justizminister in Erscheinung, sondern inszenierte sich mehr als Minister für Staatsreformen und Deregulierung. In der Causa BVT hat sich Moser bisher nicht wirklich geäußert. Der Justizminister hatte vergangene Woche die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beauftragt, bis Anfang dieser Woche darzustellen, warum beim BVT Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden und ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingehalten worden sei. Seit Montag liegt der angeforderte Bericht vor und wird derzeit noch im Rahmen der Fachaufsicht geprüft. Am Mittwoch will Moser in einer Pressekonferenz erstmals zu der politisch heiklen Angelegenheit Stellung nehmen. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)