Russland droht durch US-Sanktionen ein Jahr der Flaute

(c) AFP (VASILY MAXIMOV)
  • Drucken

Ist der zarte Aufschwung in Russland schon bald wieder vorbei? Die neuen US-Sanktionen verheißen nichts Gutes für die wirtschaftliche Entwicklung des Schwellenlandes, das sich gerade erst von einer Rezession erholt hat.

Die neuen US-Sanktionen sorgen in Russland für Kopfzerbrechen: Ausländische Unternehmen könnten geplante Investitionen stoppen, Anleger die wegen ihrer hohen Zinsen beliebten russischen Staatsanleihen schmähen und die Abwertung der heimischen Währung Rubel die Kaufkraft der Verbraucher drücken. "Man hat den Eindruck, dass wir seit 2014 davon überzeugt sind, dass unsere Wirtschaft Sanktionen schmerzfrei übersteht", sagt Kirill Tremasow, Prognosechef beim Finanzhaus Loko-Invest und ehemaliger Leiter der Prognoseabteilung im russischen Wirtschaftsministerium. "Das ist nicht mehr der Fall. Wir finden uns in einer neuen Realität wieder. Und die ist sehr, sehr ernst."

Das US-Finanzministerium verhängte gegen sieben Russen und zwölf ihrer Firmen Strafmaßnahmen, um Russland für die mutmaßliche Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 zu bestrafen. Im Visier stehen zudem Gesellschaften, an denen die Oligarchen die Mehrheit halten. Im Zuge der Sanktionen werden die Vermögenswerte der Wirtschaftsmagnate und 17 weiterer hochrangiger Regierungsvertreter in den USA gesperrt.

Das kommt für das einst boomende Land zur Unzeit. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs 2017 mit 1,5 Prozent erstmals wieder, nachdem es zuvor zwei Jahre in Folge wegen niedriger Ölpreise und westlicher Sanktionen im Zusammenhang mit der russischen Rolle im Ukraine-Konflikt geschrumpft war. "Die große Frage ist, wie lange Russland in einem Umfeld niedrigen Wachstums verharren wird", sagt Chris Weafer von der Politik- und Wirtschaftsberatung Macro Advisory. Er rechnet für 2018 zwar immer noch mit einem Wachstum von 1,8 Prozent, sollte sich der Preis für das wichtige Exportgut Öl über der Marke von 60 Dollar (48,8 Euro) je Fass halten. Doch verglichen mit anderen Schwellenländern wie China oder Indien ist das sehr wenig. "Wir alle wissen, dass die Wirtschaft schneller wachsen muss. Sie muss stärker werden", sagt Weafer. Doch daraus dürfte heuer nichts werden. "2018 ist das Jahr der Flaute für Russland", konstatiert er.

Wie stark die neuen Sanktionen bremsen können, zeigt die Entwicklung an den Börsen. Die Aktien der mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Sberbank - die oft als Barometer für die gesamte Wirtschaft betrachtet werden - brachen um 17 Prozent ein. Noch härter erwischte es den Aluminium-Konzern Rusal, dessen Hauptanteilseigner Oleg Deripaska auf der Sanktionsliste auftaucht: Die Papiere büßten an der Börse in Hongkong mehr als die Hälfte ihres Wertes ein.

Problem für Banken

Den russischen Unternehmen droht ein Finanzierungsproblem. Denn die US-Regierung untersagt Amerikanern allgemein, Geschäfte mit auf Sanktionslisten aufgeführten Firmen zu machen. Einem Rechtsexperten zufolge dürften etwa die meisten westlichen Banken davor zurückscheuen, den betroffenen Firmen bei der Kapitalaufnahme zu helfen. Händler erklärten, es sei unklar, wie sich Banken und Kunden auch bei den nicht direkt mit den Sanktionen belegten Firmen verhalten würden. "Solange es keinen Schritt der Deeskalation gibt, muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzierungsbedingungen in Russland noch schwieriger werden", sagt Tim Ash vom Vermögensverwalter BlueBay Asset Management. "Langfristig gesehen ist das schlecht für das Wachstum und bedeutet mehr Stagnation für die russische Volkswirtschaft."

Der Zentralbank scheinen zudem die Hände gebunden. Der Rubel wertete wegen der neuen Sanktionen so kräftig ab wie seit drei Jahren nicht mehr, was Importe nach Russland verteuert und so an der Kaufkraft vieler Russen nagt. Senkt die Zentralbank ihren Leitzins, um mit billigerem Geld die Konjunktur anzuschieben, dürfte die Landeswährung unter noch stärkeren Abwertungsdruck geraten. "Mir scheint, dass es gefährlich ist, sich angesichts des unsicheren Umfelds jetzt mit Zinssenkungen zu beeilen", sagt Ökonomin Natalia Orlowa von der Alfa Bank.

Probleme könnte auch der Staat bekommen. Wegen der neuen Sanktionen könnten ausländische Investoren die Finger von russischen Staatsanleihen lassen, erwartet Prognose-Spezalist Tremesow. Im Februar hielten sie zehnjährige Staatsanleihen im Wert etwa 40 Milliarden Dollar, was mehr als einem Drittel dieser sogenannten OFZ-Papiere entspricht. "Jetzt dürfte es zu Abflüssen kommen", erwartet Tremasow. "Das wiederum dürfte die Zinsen steigen lassen."

(Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Oleg Deripaska wehrt sich gegen US-Sanktionen
Unternehmen

Russischer Alu-Riese versucht US-Sanktionen mit iranischer Taktik zu umgehen

Keine Dollar mehr mehr wie einst der Iran: Erste Kunden des von US-Sanktionen belegten Aluminiumkonzerns Rusal haben bereits bei der Begleichung der Rechnung auf Euro gewechselt.
Unternehmen

Banken lassen wegen US-Sanktionen den Schweizer Sulzer-Konzern im Stich

US-Banken reagierten auf die Sanktionen gegen den russischen Oligarchen Viktor Vekselberg. In der Schweiz setzen UBS und Credit Suisse den Handel mit Sulzer-Aktien aus.
Österreich

So treiben die USA Moskau in die wirtschaftliche Isolation

Die neuen US-Sanktionen gegen Russland erweisen sich als folgenschwer. Westliche Geschäftspartner ziehen sich zurück. Mit Rusal wird ein Konkurrent der US-Industrie neutralisiert. Selbst die Agentur Bloomberg spielt dabei mit.
Oligarch Oleg Deripaska bekommt US-Sanktionen zu spüren
Geld & Finanzen

Glencore-Chef lässt Deripaska im Regen stehen - Raiffeisen stürzt weiter ab

Nächste Folge der US-Sanktionen gegen Russland: Der Chef des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore, Ivan Glasenberg, tritt als Verwaltungsrat des russischen Aluminiumkonzerns Rusal zurück. Die Aktie der Raiffeisen Bank International steht erneut unter Druck.
Unternehmen

Raiffeisen verkauft Bankgeschäft in Polen für 775 Millionen Euro

Die Raiffeisen Bank International hat eine Sorge weniger: Die französische Großbank BNP Paribas nimmt ihr das Kernbankgeschäft in Polen ab. Dem Kaufpreis von 775 Millionen Euro steht eine Ergebnisbelastung von 120 Millionen Euro gegenüber.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.