Das zweitbeste Ergebnis in Salzburg - und doch eine Halbierung der Stimmen. Ein Parteiaustritt in Innsbruck - und doch der Sieg bei der Gemeinderatswahl. Zwei Urnengänge aus grüner Sicht.
Die Grünen sind zwiegespalten - anders lassen sich die beiden Wahlergebnisse von Sonntag wohl nicht zusammenfassen. Auf der einen Seite steht da bekanntlich der Absturz der Grünen bei der Landtagswahl in Salzburg. War man bisher Juniorpartner in der Regierung und konnte - dem Finanzskandal sei Dank - auf das historisch beste Ergebnis von 20 Prozent im Jahre 2013 verweisen, so wurde dieser Wert nun halbiert. Freilich: Damit hat die Partei von Astrid Rössler - die noch am Abend verkündete, den Gremien ihren Rücktritt anbieten zu wollen - immer noch das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte geschrieben.
"Es läuft einmal so, einmal so", kommentierte der grüne Bundessprecher Werner Kogler. Gestern Nachmittag hatte er noch deutlichere Worte gefunden und eine "Enttäuschung" eingeräumt. Dennoch stärkte Kogler Rössler den Rücken: Sie habe einen guten Job gemacht, betonte er. Die Lorbeeren für die Regierungsarbeit seien jedoch bei der Landeshauptmann-Partei gelandet. Er wolle den Gremien nicht vorgreifen, meinte Kogler weiter, aber "ich hoffe, sie überdenkt das noch einmal". Er habe "höchsten Respekt" vor Rössler.
Astrid Rössler, Juristin und Expertin für Umweltfragen, gilt als Grüne aus dem Lehrbuch, die mehr als 3500 Kilometer im Jahr Fahrrad fährt und bei Flugreisen den CO2-Ausstoß mit Ausgleichszahlungen kompensiert. Im Wahlkampf versuchte die Spitzenkandidatin, die seit fünf Jahren Landeshauptmann-Stellvertreterin ist, mit ihrem "grünen Leben" zu punkten - was sie bei so manchem Kritik zum "roten Tuch" verkommen ließ. Die Taktik ging nicht auf. Die Grünen in Salzburg fuhren zwar das für sie zweitbeste Ergebnis in dem Bundesland ein - fielen aber um über zehn Prozentpunkte zurück. Was Rössler veranlasste, ihren Rücktritt anzubieten. APA/EXPA/JFK
Die am 7. Mai 1959 geborene Rössler war über zehn Jahre lang in der Landesumweltanwaltschaft tätig und machte sich 2000 als Unternehmensberaterin und Mediatorin selbstständig. 2007 gründete sie den "Anrainerschutzverband Salzburg Airport" und wurde dessen Obfrau. In dieser Funktion "empfahl" sie sich für die Grünen, zwei Jahre später zog sie in den Landtag ein. 2011 wurde sie zur Landessprecherin gewählt und sitzt seither in dieser Funktion fest im Sattel. APA/BARBARA GINDL
Profilieren konnte sich die 58-Jährige zuvor vor allem als Vorsitzende der Untersuchungsausschüsse zur gescheiterten Olympiabewerbung Salzburgs für die Winterspiele 2014 und zum Salzburger Finanzskandal. Diese Rolle trug auch wesentlich zum historischen Erfolg bei der Landtagswahl 2013 bei: Mit 20,2 Prozent und sieben Mandaten waren die Grünen die großen Gewinner. APA/BARBARA GINDL
Auch Rösslers sachlicher Politikstil dürfte damals auf Wohlwollen beim Wähler gestoßen sein. Diesen Stil führte sie auch in der schwarz-grünen Koalition weiter. Wegen der nach außen hin konsensorientierten Zusammenarbeit war oft von einem Kuschelkurs mit der Volkspartei die Rede. Doch Rössler verteidigt es, trotz zahlreicher inhaltlicher Differenzen, den Koalitionspartnern öffentlich nichts ausgerichtet zu haben: "Ich beanspruche für uns Grüne, dass wir an unserer Verantwortung und an diesem Regierungsstil festgehalten haben und uns nicht zu einem anderen Stil haben hinreißen lassen." APA/BARBARA GINDL
Dass sie nicht "allen Grundgesetzen einer sehr offensiven PR-Strategie" folgt, räumte die 58-Jährige allerdings ein. "Ich verkaufe mich wahrscheinlich nicht so gut, wie man müsste." Aber wahrscheinlich lässt sie gerade das authentisch wirken. So gesehen passen ihr auch die Gummistiefel besser, in denen sie beim Wahlkampfauftakt die Bühne betrat, als das Dirndlkleid, zu dem sie sich vor der Nationalratswahl hinreißen ließ. APA/BARBARA GINDL
Die Umweltlandesrätin polarisiert: Von Anhängern wird sie geschätzt, von Gegnern erntet sie oft Widerspruch oder mehr. Besonders Tempo 80 auf der Stadtautobahn brachte ihr herbe Kritik bis hin zum Shit-Storm ein. Getreu ihrem vor der Wahl 2013 ausgegebenen Motto "In der Ruhe liegt die Kraft" bleibt Rössler selbst im Konflikt ruhig und sachlich, in der Sache aber hart. APA/BARBARA GINDL
In ihrer Freizeit hält sich Rössler vor allem gerne in der frischen Luft auf. "Arbeitsbedingt leider auf Sparflamme, was große Bergtouren betrifft." Die unberührte Natur ist ihr wichtig. "Für mich persönlich sind die Ressourcen der Zukunft Finsternis und Stille. Das ist mittlerweile so selten geworden, dass man es unter Schutz stellen muss." Als Ausgleich kocht sie gerne. Die Lebensmittel dazu bezieht sie über eine regionale Food-Coop. Die Grünpolitikerin ist ein bekennender Star-Wars-Fan, bedingt durch ihre beiden Söhne. APA/BARBARA GINDL
Astrid Rössler: Eine polarisierende Grüne überlegt Rücktritt
Und dann war da noch Innsbruck, wo die Grünen als großer Sieger aus der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl hervorgingen: Sie erklommen nicht nur mit 24,16 Prozent (neun Mandate) den ersten Platz, sondern Spitzenkandidat Georg Willi (30,88 Prozent) geht nun auch als erster in die Stichwahl, wo er in zwei Wochen auf Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck) treffen wird.
Kogler: Willi habe "das völlig Richtige gesagt"
Kogler zeigte sich sehr erfreut über Willis "herausragenden Zwischenerfolg". Letzterer habe bewiesen, dass die Grünen in ihrem Potenzial "weit ausbaufähig" seien.
Doch auch in der Tiroler Landeshauptstadt ist nicht alles Gold was grün glänzt, denn: Willis Ausdrucksweise hatte zuletzt zum Parteiaustritt der Grünen-Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider geführt, die ihm "rechtspopulistische Mechanismen" vorgeworfen hatte. Konkret ging es um die Aussage Willis: "So hart das klingen mag, aber die Frage, ob ich mir das Dach über'm Kopf leisten kann, beschäftigt die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle." Kogler verteidigte Willi nun. Dieser habe "das völlig Richtige gesagt", nämlich was für eine größere Zahl an Menschen wichtig sei - nicht, dass irgendetwas unwichtig sei.
Georg Willi zieht noch immer, auch nach Jahrzehnten in der Politik. Besonders in Innsbruck. Das Hinauswirken über die ureigensten grünen Wählerschichten bescherte dem 58-Jährigen seinen wohl bisher größten politischen Erfolg: das Einziehen in die Stichwahl mit 30,88 Prozent um den Bürgermeistersessel gegen Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer (FI, 24,28 Prozent), noch dazu als Erster. Ein Blick auf den Werdegang des grünen Urgesteins. APA/EXPA/ JAKOB GUBER
Geboren wurde Georg Willi am 6. Mai 1959 in Innsbruck. Nach Gymnasium und einem Abiturientenlehrgang an der Handelsakademie studierte er in Innsbruck Ökologie und Rechtswissenschaften. Von 1989 bis 1994 war er für die Vereinten Grünen im Innsbrucker Gemeinderat. Nach der Einigung zwischen VGÖ und Grüner Alternative wechselte Willi 1994 als Klubobmann in den Tiroler Landtag. Bei der Landtagswahl 2003 schafften die Grünen mit ihm als Landessprecher an der Spitze mit 15,59 Prozent ihren bis dahin größten Sieg bei Landes-oder Bundeswahlen. Willi blieb bis 2013 für die Ökopartei im Tiroler Landtag, bis 2012 war er auch ihr Klubobmann.
2013 wechselte er in den Nationalrat. Von dort ist er zurückgekehrt, um der erste grüne Bürgermeister einer Landeshauptstadt zu werden. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich bei der Stichwahl am 6. Mai zeigen. Fest steht hingegen schon jetzt: Zur großen Liebe des leidenschaftlichen Diskutierers zählt die Musik. Der verheiratete Vater eines Sohnes ist als Sänger und Chorleiter tätig.
Zurück zum Politischen: Willi gilt als Prototyp eines bürgerlichen Grünen. Der heimatverbundene bürgerliche Realo, der über den grünen Tellerrand hinausblickt - diese Rolle exerzierte der Innsbrucker auch in diesem Wahlkampf in Perfektion. Und trotzdem oder gerade deshalb sorgte er in den vergangenen Wochen für Verwunderung, als er - analog zu FPÖ-Spitzenkandidat Rudi Federspiel - einen "Kassasturz" nach der Wahl forderte. Eine urtypische Oppositions-Forderung, diesmal in koalitionärem Gewande. (Bild: Alexander Van der Bellen und Willi, 2003) APA
In den finalen Tagen geriet Willis Wahlkampf überhaupt etwas ins Schlingern. Grünen-Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider (links im Bild), nicht mehr auf der Wahlliste vertreten, verkündete ihren Parteiaustritt und begründete dies mit "rechtspopulistischen Mechanismen" der Stadt-Grünen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wohl ein Revanche-Foul an Willi, weil er sich im Rennen um die Spitzenkandidatur durchsetzte. Doch dieser Schritt Pitscheiders dürfte eher zu einem zusätzlichen Schub für die Willi-Kampagne geführt haben. APA/THOMAS MURAUER
Seine Sachkompetenz brachte Willi in den vergangenen Jahren den Ruf ein, eine Art Verbindungsmann im Hinblick auf eine Koalition mit der ÖVP zu sein. Letztlich erntete die neue Generation um Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe und Klubobmann Gebi Mair mit der schwarz-grünen Regierungsbildung im Jahr 2013 das, was Willi federführend gesät hatte. APA/EXPA/STEFAN ADELSBERGER
Georg Willi: Das grüne Urgestein triumphiert in Innsbruck
Wie es nun mit den Grünen - österreichweit und regional - weitergeht, dazu äußerte sich Kogler noch nicht. Man werde sich mit dieser Frage aber intensiv auseinandersetzen, kündigte er an.
Grüne verlieren Bundesratsmandat und Anfragerecht
Fest steht: Die Grünen - die am Höhepunkte ihrer Macht 2014/15 in sechs Ländern mitregierten - sind jetzt nur mehr in drei Landesregierungen vertreten: In Vorarlberg (mit der ÖVP) und Wien (mit der SPÖ), sowie in Tirol. Dort wurde der schwarz-grüne Bund nach der heurigen Wahl verlängert. In Kärnten flogen sie mit der Wahl aus Landtag und Regierung.
Fest steht außerdem: Das Salzburg-Ergebnis hat auch auf Bundesebene Auswirkungen. Die Grünen verlieren einen weiteren Sitz im Bundesrat und sind dort künftig nur noch mit zwei Abgeordneten vertreten. Nach dem Klubstatus, der bereits nach der Tiroler Wahl weg war, verlieren sie damit auch das Anfragerecht an die Bundesregierung.
Für die Grünen sitzen somit nur noch Ewa Dziedzic aus Wien und David Stögmüller aus Oberösterreich in der Länderkammer des Parlaments. Sie sind dort auch die einzigen beiden fraktionslosen Abgeordneten.
Die grüne Vize-Bundessprecherin Regina Petrik lobt das Wahlergebnis in Salzburg. Im Parteiaustritt von Innsbrucks Vizebürgermeisterin ortet sie einen "konstruierten Konflikt".
SPÖ-Chef Kern kam gar nicht erst nach Salzburg. Was aus dem dortigen roten Obmann Steidl wird, ist offen. Und auch die FPÖ hat nicht nur Grund zur Freude: Seit sie in der Bundesregierung sitzen, blieben die Blauen stets unter den eigenen Erwartungen.
Nach dem vorläufigen Endergebnis kommt die Volkspartei auf 37, 8 Prozent der Stimmen. Den Neos gelingt der Einzug in den Landtag, die Liste Schnell fällt hinaus. Fast neun von zehn VP-Wählern entschieden sich dieses Mal wieder für die Volkspartei.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.