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Mit sieben Klicks zum digitalen Abo

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Seit 2017 kann man „Die Presse“ auch nur digital abonnieren. Gut 20 Jahre nach dem Start der Webseite diepresse.com gibt es mit „Presse Premium“ ein eigenes Online-Bezahlabo. Ein Schritt näher zur Zeitung der Zukunft.

Wenn die Medienbranche in die Zukunft blickt, wird sie schnell trübselig, um nicht zu sagen: depressiv. Dabei stellt sie einfach die falschen Fragen. Es sollte nicht heißen: „Wird die Tageszeitung überleben?“ Sondern  eher: „Wie wird die Zeitung der Zukunft aussehen?“ Anstatt Trübsal zu blasen, hat sich „Die Presse“ in ihrer jüngeren Geschichte auf die Suche nach Antworten gemacht. Herausgekommen ist ein am österreichischen Markt völlig neuartiges Produkt. Seit 2017 bietet sie mit „Presse Premium“ als erste überregionale Tageszeitung des Landes ein reines Digitalabo um 10 Euro an. Mit sieben Klicks auf der Webseite der „Presse“ ist man „Premium“-Abonnent. Damit bekommt man einerseits den digitalen Zugang zum kompletten Inhalt der gedruckten Zeitung und zusätzliche Inhalte, die nur für dieses Produkt verfasst werden. So entstand ein Zusatzangebot für alle digitalaffinen Leser, die die Marke der „Presse“ schätzen, aber nicht mehr klassisch gedruckt lesen wollen. Weil sie viel reisen, also gar nicht jeden Morgen in ein und derselben Wohnung aufwachen, in der sie ihre Zeitung von der Fußmatte pflücken können. Oder weil sie in der Bahn oder im Bus keine umständlich zu faltende Papierzeitung lesen wollen. Oder weil ihnen schlicht die Zeit fehlt, in erster Linie während der Woche.

Die Veränderungen und Entwicklungen in der Medienbranche im vergangenen Jahrzehnt waren vor allem von einbrechenden Werbeerlösen und sinkenden Abonnements geprägt. Viele Medienhäuser suchten (und suchen) ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell für ihre digitalen Kanäle. Das Problem ist nur: Im deutschsprachigen Raum hatten sich die Verlage bei der Einführung des Internets dazu entschlossen, die Inhalte, die sie auf Papier gedruckt verkauften, online zu verschenken. 20 Jahre später probieren nun Verlage in der Schweiz und in Deutschland nach dem Vorbild US-amerikanischer, britischer und schwedischer Medienhäuser, sogenannte Paywalls einzuführen. Nur, wie sollten Leser sich für etwas begeistern und auch noch Geld ausgeben, das auf Deutsch wenig anziehend als „Bezahlschranke“ bezeichnet wird?

Bei der „Presse“ wollte man einen anderen Weg gehen und führte ein ganz neues digitales Abo ein. Keine Paywall, die den Leser komplett vom kostenlosen Zugriff auf die Webseite ausschließt, sondern ein eigenständiges Abonnement für die Nutzung bestimmter „Presse“-Artikel. Das war das Ergebnis einer komplexen, aber gemessen an der Geschichte der Zeitung relativ kurzen Entwicklungsphase, die Online-Chefredakteur Manuel Reinartz maßgeblich verantwortet hatte.

Der Grundgedanke bei der Entwicklung des neuen Produkts war, die Qualitätsstandards der „Presse“ einfach auf den Web-Kanal umzulegen. Es geht nicht um die Jagd nach Reichweite und schnelle Klicks, sondern darum, die gewohnte „Presse“-Qualität anzubieten. Das Trägermedium – ob Papier, Tablet oder Smartphone – soll für den Journalisten, der den Text verfasst ebenso in den Hintergrund treten wie für den Leser. Abgesehen davon, dass die Reportagen und Leitartikel, die Interviews und Analysen natürlich auf jedem Medium angenehm lesbar sein müssen. Daher war die technische Umsetzung dieses neuen Produktes nicht zu unterschätzen. Bisher waren Verlagssysteme nicht auf Bezahlung in Echtzeit ausgelegt. Das war für das Printabo-Geschäft ursprünglich auch nicht notwendig. Online sieht das anders aus. Wer ein digitales Abo kauft, will in der Sekunde nach der Eingabe seiner Zahlungsdaten auch Zugang haben. Außerdem müssen sämtliche Systeme – Print, Online und App – miteinander zum „Reden“ gebracht werden. Mit einem besonderen Farbschema soll der Leser darauf außerdem darauf hingewiesen werden, welche Texte er weiterhin frei lesen kann (weiß) und für welche Stücke er zahlen muss (blau hinterlegt).

Qualität kostet, auch im Netz

Seit März 2017 gibt es das neue digitale „Premium“-Abo. Und obwohl es zu Beginn von manchen Kollegen aus der Branche fast belächelt wurde, weil es ungewohnt war, in den sozialen Netzwerken plötzlich nur mehr die ersten Zeilen eines Textes frei lesen zu können, hat es sich rasch etabliert. Zum Stichtag 1. Mai 2018 hat „Die Presse“ 13.500 aktive, zahlende Digitalabonnenten. Noch erhalten uns diese Abos nicht, aber sie sind eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle für die „Presse“ geworden. Erstmals seit einigen Jahren kann man davon sprechen, dass die Abogesamtzahlen im Laufe eines Jahres signifikant gestiegen, nicht gesunken sind.

Vor der „Presse“ hatte sich nur der österreichische Digitalableger der „Neuen Zürcher Zeitung“ namens NZZ.at an ein Bezahlmodell für das Netz gewagt. Ausgerechnet wenige Wochen nach dem „Premium“-Start der „Presse“ gab das Schweizer Verlagshaus bekannt, sein Projekt nach gut zwei Jahren und kolportierten bis zu 4.000 zahlenden Abonnenten einzustellen. An solchen Projekten, die auch scheitern können, zeigt sich, wie schwer es ist, die Gratiskultur im Internet aufzubrechen. Trotz der immer mehr aufkommenden Abomodelle für Unterhaltung – von Spotify bis Netflix und Amazon Prime – ist es noch immer nicht selbstverständlich, für Information im Internet zu bezahlen.

Wer das ändern will, braucht also einen langen Atem und Mut. Gute Geschichten. Und ein bisschen Glück. Im Fall von „Presse Premium“ hatten sicher auch das spannende Wahljahr 2017 und einige Skandale, die die Zeitung mit aufdecken konnte (Stichwort: Tal Silberstein oder Peter Pilz) zu einem ersten Hoch des Produktes beigetragen. Letztlich will „Die Presse“ mit ihrem Digitalabo dasselbe  erreichen wie mit der gedruckten Zeitung: ihre loyalen Leser ansprechen, die wissen, was sie auf der Webseite bekommen und bereit sind, dafür zu bezahlen. Dazu kommt, dass den Lesern durch die technischen Möglichkeiten im Internet heute noch viel maßgeschneiderter als früher genau jene Informationen geliefert werden können, die sie suchen. Die „Presse“-Community kann zudem im digitalen Raum leichter interagieren.

Eine Erlösquelle, die wächst

Im Jahr 2018, 170 Jahre nach der Gründung der „Presse“, 21 Jahre nach dem Start der Webseite lässt sich jedenfalls sagen, dass wir eine Erlösquelle gefunden haben, die etwas völlig Überraschendes tut: Sie wächst täglich. Die Krönung jeder „Premium“-Geschichte ist, wenn sie einen Leser zum Abschluss eines Abos verleitet. Täglich werden in der Redaktion die „Premium“-Stücke ausgeschickt, die Abobestellungen ausgelöst haben. Und das motiviert die Autoren.

Somit hat „Die Presse“ ihr seit Jahrzehnten bestehendes Abomodell einfach auf einen neuen Vertriebskanal erweitert. Die Zustellung fällt weg, dafür bietet die Webseite die Möglichkeit, den Lesern in Echtzeit aktuelle Informationen und Neuigkeiten zu bestimmten Ereignissen zu liefern. Dabei ist längst klar, dass man für Nachrichten, die jedes Medium ausspielt, kein zusätzliches Geld verlangen kann. Darum geht es bei „Presse Premium“ auch nicht. Zahlen muss man nur für jene Inhalte, die schon bisher auf Papier gedruckt Geld gekostet haben. Oder reine Digitalstücke mit einer ähnlichen Qualität. Das Jahr 2017 war für „Die Presse“ und ihre Eigentümerin, die Styria Media Group, ein Meilenstein. Es wurde zwar sicher nicht die letztgültige Antwort auf die Frage gefunden, wie die Zeitung der Zukunft aussieht. Aber fürs Erste wurde eine Idee umgesetzt, wie die Zeitung der Gegenwart mit den aktuellen Mitteln der Technik aussehen kann. Und eigentlich wurde damit auch eine Antwort auf die eingangs erwähnte Gretchenfrage der Branche gefunden: Die Tageszeitung wird überleben. Solange sie sich immer wieder neu erfindet.

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