Wiener Börse öffnet sich für Jungunternehmen und Mittelstand

Wiener Börse
Wiener BörseAkos Stiller/Bloomberg
  • Drucken

Eine Börsenotiz verbessert den Zugang zu Eigenkapital. EU und Börse arbeiten deshalb daran, den Börsegang für KMU zu vereinfachen, die Regierung muss ihrer Ankündigung Taten folgen lassen.

Die EU-Kommission arbeitet an spürbaren regulatorischen Erleichterungen für an KMU-Börsen gelistete Unternehmen. Zudem kommen Maßnahmen gegen die oft geringe Liquidität an solchen Märkten. In Österreich hat die Regierung zuletzt mit der Ankündigung, den Dritten Markt für österreichische Aktiengesellschaften wieder zu öffnen, aufhorchen lassen. Die Wiener Börse reagiert mit zwei neuen Marktsegmenten für Wachstumsunternehmen.

Eine Börsenotiz bringt unbestritten einen verbesserten Zugang zu Eigenkapital. Außerdem werden börsenotierte Unternehmen in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Wohl auch deshalb entwickeln sie sich laut Kommission im Schnitt deutlich besser als im privaten Eigentum stehende Unternehmen. Als schwerwiegendes Gegenargument wird häufig die immer mühsamer werdende Regulierung genannt. Dabei geht die Tendenz gerade für KMU längst wieder in die andere Richtung.

Abgespeckte Regeln für KMU-Börsen

Bereits seit Jahresanfang haben Marktbetreiber wie die Wiener Börse die Möglichkeit, einen sogenannten „KMU-Wachstumsmarkt“, also eine KMU-Börse, einzurichten. Dabei handelt es sich um ein spezielles multilaterales Handelssystem. Die strengen Vorgaben für geregelte Märkte (Übernahmegesetz, Beteiligungspublizität, Regelpublizität, IFRS-Reporting etc) gelten für KMU-Börsen daher nicht. Allerdings müssen an KMU-Börsen gelistete Unternehmen die Vorgaben der – auch als mühsam empfundenen – Marktmissbrauchsverordnung befolgen. Genau hier hakt der jüngste Gesetzesvorschlag der Kommission ein. Geplant ist, bei drei ganz zentralen Compliance-Maßnahmen der Marktmissbrauchsverordnung für in KMU-Wachstumsmärkten gelistete Unternehmen Erleichterungen zu schaffen: (i) Die Frist für die Veröffentlichung von Directors‘ Dealings-Meldungen soll verlängert werden; (ii)  die Aufzeichnungspflichten beim Aufschub von Insiderinformationen sollen entfallen; und (iii) es soll ausreichen, eine permanente Insiderliste zu führen (statt jeweils beim Vorliegen einer konkreten Insiderinformation minutiös jeden Insider aufzeichnen zu müssen). Dies erleichtert den Begünstigten das Leben spürbar.

Schutz gegen Vorwurf der Marktmanipulation

Die Liquidität auf KMU-Börsen soll dadurch gefördert werden, dass Finanzintermediäre, die Liquidität bereitstellen, besser vor dem Vorwurf von Marktmanipulation geschützt werden. Dies durch Abschluss eines „liquidity provision contracts“ mit bestimmten verpflichtenden Vorgaben zwischen Finanzintermediär und gelistetem Unternehmen. Außerdem soll ein Mindest-Streubesitz vorgegeben werden, über dessen Höhe der Börsebetreiber entscheidet.

Die Einbeziehung von Aktien in ein multilaterales Handelssystem ist recht einfach und erfordert nicht zwingend einen Kapitalmarktprospekt. Häufig macht es aber Sinn, im Zuge des Börsegangs die Eigenkapitalbasis durch eine Kapitalerhöhung zu stärken. Für das öffentliche Anbieten von Aktien braucht man zwar einen Prospekt. Wer sich auf Österreich beschränkt und nicht mehr als 5 Millionen Euro einwerben will, kann aber seit einigen Jahren auf den sogenannten „Prospekt light“ zurückgreifen. Im Vergleich zu „echten“ Prospekten sind die inhaltlichen Anforderungen deutlich reduziert. Entsprechend sind auch die mit dem Gang an eine KMU-Börse verbundenen Einmalkosten zuletzt wieder spürbar gesunken. Weitere Erleichterungen für Folgeemissionen sind auf europäischer Ebene bereits auf Schiene. Außerdem plant die Kommission, mit einem sogenannten „transfer prospectus“ den späteren Umstieg von der KMU-Börse an einen geregelten Markt (etwa in den Amtlicher Handel der Wiener Börse) deutlich zu erleichtern.

Inländische multilaterale Handelssysteme

Vor diesem Hintergrund sollten sich KMU mit entsprechendem Finanzierungsbedarf nun vertieft mit der Variante Börsegang beschäftigen. Damit es eine echte KMU-Börse geben kann, muss die Bundesregierung nun ihrer Ankündigung, inländische multilaterale Handelssysteme auch für österreichische Aktiengesellschaften wieder „aufzusperren“, Taten folgen lässt. Die Wiener Börse hat darauf jedenfalls sehr rasch reagiert: Mit dem „direct market“ und dem „direct market plus“ sollen zwei neue Marktsegmente kommen, die speziell auf Jungunternehmen und den österreichischen Mittelstand zugeschnitten sind.

Zum Autor

RA Mag. Gernot Wilfling ist Partner bei Müller Partner Rechtsanwälte. Die Kanzlei ist Listing Agent der Wiener Börse. E-Mail: g.wilfling@mplaw.at

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.