Weniger heißt nicht unbedingt besser arbeiten

Symbolbild Auckland, Neuseeland.
Symbolbild Auckland, Neuseeland. (c) imago/United Archives Internatio (Topography)
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Mit voll bezahlter Teilzeit gewinnt man Sympathiepunkte. Ob sie sich dauerhaft auszahlt, ist nicht nachgewiesen.

Es passiert nicht allzu oft, dass Unternehmer aus Neuseeland auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen. Andrew Barnes ist das gelungen. Der Inhaber und Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Perpetual Guardian führte im März testweise eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ein. Der „New Zealand Herald“ berichtete ausführlich über das Experiment.

Ein Team aus Wissenschaftlern der Universität Auckland begleitete die Testphase. Das Fazit: Man habe in der Belegschaft ein „massives Ansteigen“ des Engagements und der Zufriedenheit mit der Arbeit gesehen. Alle Aufgaben seien erledigt worden, die Produktivität der Beschäftigten sei nicht gesunken. Zwei Monate lang wurde die Arbeitswoche für die 240 Mitarbeiter auf vier Tage verkürzt, während sie ihr volles Salär behalten durften. Sie mussten an den vier Tagen keine Überstunden machen.

Klaus Hochreiter hat gute Chancen, zum österreichischen Andrew Barnes zu werden. In seiner Softwarefirma eMagnetix wird im Herbst die 30-Stunden-Woche eingeführt, auch dort bei vollem Lohnausgleich. Seit er den Testbetrieb der voll bezahlten Teilzeit medienwirksam ankündigte, rennen ihm die Bewerber die Tür ein. Und das heißt etwas, bei einer Firma, die abgelegen im oberösterreichischen Bad Leonfelden liegt, und in einer Branche, in der es an sich schon chronisch an Personal mangelt. Seine Mitarbeiter seien jetzt motivierter, ausgeruhter, fitter als früher, als sie noch voll gearbeitet hätten.

Für die Gewerkschaft, die seit Jahren eine Arbeitszeitverkürzung fordert, sind solche Geschichten die perfekte Werbung. Und auch den Unternehmen bringt das haufenweise Sympathiepunkte ein. Aber kann man aus solchen Einzelfällen den Schluss ziehen, dass weniger arbeiten produktiver macht – und damit auch volkswirtschaftlich zu empfehlen ist?

Zu dieser Frage gibt es viel anekdotische Evidenz, aber kaum wissenschaftliche Studien. Das deutsche Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung befragte 11.700 Unternehmen. Sie beurteilten Teilzeitarbeit mehrheitlich positiv. Produktivität und Motivation der Mitarbeiter würden steigen, das fördere Umsatz und Wettbewerbsfähigkeit der Firmen. Die Studie stammt allerdings aus dem Jahr 2007 und wurde nie aktualisiert.

Die Industrieländerorganisation OECD steht dem Teilzeittrend kritisch gegenüber: Lieber als weniger Arbeit für alle würde sie mehr Frauen in Vollzeitjobs sehen. Denn durch mehr Arbeit würden Beschäftigung, Einkommen und Konsum wachsen, das sei gut für die Volkswirtschaft. Mütter in Teilzeit würden oft ihre Qualifikation nicht voll ausnützen, sich seltener weiterbilden und in der Folge seltener Karriere machen. Das bedeutet weniger Wachstum.

Andrew Barnes geht lieber seinen eigenen Weg. Er habe dem Vorstand bereits vorgeschlagen, die Vier-Tage-Woche dauerhaft einzuführen.

E-Mails an: obfuscationcom" target="_blank" rel="">jeannine.binder@diepresse.com

Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich - ein Erfolgsmodell

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2018)

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