Sergio Marchionne ist tot. Nach einem chirurgischen Eingriff hatte sich sein Gesundheitszustand in den vergangenen Wochen massiv verschlechtert. Der Autokonzern und die italienische Politik trauern um den Spitzenmanager
Der langjährige Chef der Autobauer Fiat Chrysler und Ferrari, Sergio Marchionne, ist im Alter von 66 Jahren gestorben. Das teilte Fiat heute mit. Das Unternehmen und die italienische Politik trauern um den bekanntesten Spitzenmanager des Landes, der den Autokonzern vor der Pleite gerettet hat.
Die Unternehmerfamilie Agnelli, die über die Finanzholding Exor Mehrheitsaktionär von Fiat Chrysler (FCA) ist, sprach am Mittwoch ihr Mitgefühl aus. "Leider ist das passiert, was wir befürchteten. Unser Freund Sergio hat uns verlassen", sagte FCA-Verwaltungsratspräsident John Elkann. "Der beste Weg, um ihn zu würdigen, ist jene Werte von Menschlichkeit, Verantwortung und intellektueller Offenheit hochzuhalten, die typisch für Marchionne waren. Ich und meine Familie werden ihm immer für seine Leistungen dankbar sein", so Elkann.
Im italienischen Parlament wurde eine Schweigeminute zu Marchionnes Ehren gehalten. Italiens Ex-Premier Paolo Gentiloni kondolierte der Familie. "Danke für die Arbeit, die Anstrengung und die Resultate", twitterte Gentiloni.
Mit dem Tod von Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne endet eine Ära, die 2004 begonnen hat. Als der damals 51-jährige Marchionne sein Büro in Turin bezog, kannte ihn kaum jemand. Beim Zertifizierungs-Weltmarktführer SGS war er Chef, bevor er zu Fiat gerufen wurde. In Turin fand der Sohn eines Carabiniere aus der bergigen Abruzzen-Region, der mit 14 Jahren nach Kanada ausgewandert war, eine katastrophale Lage vor. Imago
Seit wenigen Tagen war der Verwaltungsratschef und letzte Patriarch der Dynastie der Fiat-Eigentümer Agnelli, Umberto Agnelli, gestorben. CEO Giuseppe Morchio, der anstelle des Verstorbenen zum neuen Fiat-Verwaltungsratschef aufrücken wollte, war aus Protest zurückgetreten, weil ihm die Agnelli-Erben den Karrieresprung verweigert hatten. Zwei Millionen Euro pro Tag verlor der Konzern, der an den Rande des Abgrunds geraten war. Marchionne stand vor einem Scherbenhaufen. Imago
Mit hartem Sparkurs und neuen Automodellen gab Marchionne dem Bankrott-Kandidaten seinen Stolz als italienische Traditionsfirma wieder zurück. REUTERS
Für den Mann mit dem runden Gesicht und der Brille, der gerne unkonventionell auftrat, aber intern mit harter Hand und kompromisslosem Verhalten regierte, war dies nur der erste Schritt. Nach einem Streit mit dem Wiener Manager Herbert Demel übernahm Marchionne 2005 persönlich die Führung der Fiat-Autosparte. Im Bild: Mit Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi Imago
Schon wenige Monate nach seiner Ankunft in Turin verkündete Marchionne seine Visionen: Künftig werde es nur noch fünf oder sechs große Autobauer auf der Welt geben. Seine Überlebensstrategie für den kriselnden Autobauer hat der selbstbewusste Manager, der auch vor einem hochkarätigen Auditorium im Wollpullover auftritt, knallhart umgesetzt. imago/Italy Photo Press
Er richtete das über 100 Jahre alte Unternehmen neu aus und führte es zurück in die schwarzen Zahlen. Vor allem die Kooperation mit dem US-Konzern Chrysler, den Fiat 2014 komplett übernommen hat, erwies sich als der erfolgreichste Drahtseilakt in Marchionnes spektakulärer Karriere. REUTERS
Sein überdurchschnittlicher Ehrgeiz brachte Marchionne vor allem Probleme mit dem linken Gewerkschaftsverband FIOM ein, der in Italiens Fiat-Produktionswerken das Sagen hat. REUTERS
Auch bei den Arbeitnehmern war Marchionne wegen seiner Vorgehensweise, die die Rolle der Gewerkschaften wenig berücksichtigt, nicht besonders populär. Die italienische Belegschaft befürchtete vor allem, dass nach der Chrysler-Übernahme fünf italienische Standorte schrittweise abgebaut und ins Ausland verlegt werden könnten. Scharfe Kritik zog sich Marchionne auch mit dem Beschluss zu, den Firmensitz von Turin nach London zu verlegen. Imago
2014 entthronte er den langjährigen Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo, der in der Formel 1 keine Erfolge mehr erntete, und übernahm selber das Ruder des Luxusauto-Konzerns. Ferrari wurde 2015 von FCA ausgliedert und 2016 mit Erfolg an die Mailänder Börse gebracht. APA
Nachdem sich Marchionnes Gesundheitszustand massiv verschlechtert hat und vorzeitig abgelöst werden musste, erklärte FCA-Verwaltungsratspräsident John Elkann (im Bild), hat in einem Schreiben an die Mitarbeiter: "Zuerst bei Fiat, dann bei Chrysler und zuletzt bei FCA war Marchionne der beste CEO, den man sich wünschen könnte. Für mich war er ein wahrer Mentor, ein Kollege und ein Freund. Wir haben uns in einer der dunkelsten Phase der Fiat-Geschichte kennengelernt. Dank seiner Intelligenz, seines Durchhaltevermögens und seiner Führungskapazitäten haben wird das Unternehmen retten können." imago/Insidefoto
Geschätzt und gefürchtet: Italiens Spitzenmanager Sergio Marchionne
Marchionne starb am Tag des Debüts seines Nachfolgers, des Briten Mike Manley. Der Italo-Kanadier Marchionne hätte eigentlich erst im April kommenden Jahres das Zepter an einen internen Nachfolger übergeben sollen. Fiat und Ferrari hatten dann aber am Samstag bekannt gegeben, dass der 66-Jährige die Posten des Vorstandschefs beim italienisch-amerikanischen Autobauer Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und bei der Tochter Ferrari aus gesundheitlichen Gründen abgeben müsse. Nach unerwarteten Komplikationen bei einer Operation in Zürich hatte sich der Zustand des Managers so stark verschlechtert, dass er seine Arbeit als Fiat-Chef sowie als Präsident und Vorstandschef von Ferrari nicht wieder aufnehmen konnte.
Visionär und harter Verhandlungspartner
Marchionne galt als Visionär, aber auch als harter Verhandlungspartner für Gewerkschaften und in der Formel 1. Mit markigen Sprüchen machte er sich weltweit einen Namen. Sein Tod wird von vielen Menschen in Italien als das Ende einer Ära gesehen. Der Italiener mit kanadischem Pass war 2004 an die Fiat-Spitze gerückt, als das Turiner Unternehmen kurz vor der Pleite stand. Zehn Jahre später fädelte Marchionne die Übernahme des ebenfalls schwer angeschlagenen US-Rivalen Chrysler ein.
Seit der Fusion der beiden Autobauer im Herbst 2014 stieg der Wert der Aktie um fast 350 Prozent - und damit so stark wie bei keinem anderen Unternehmen der Branche. Als wichtiges Vermächtnis Marchionnes gilt auch die Konzentration auf Nischenmarken. Zum Ende seiner Karriere bei FCA hatte der Manager sein letztes großes Ziel erreicht und die Schuldenfreiheit des Unternehmens für Ende Juni verkündet.
Marchionne wollte sich eigentlich 2019 von dem Posten bei Fiat verabschieden. Rückzugspläne bei Ferrari waren hingegen nicht bekannt.
An der Spitze von Fiat steht nun der Chef der US-Geländewagen-Tochter Jeep, Mike Manley. Neuer Ferrari-Chef wurde Louis Camilleri, der zuvor unter anderem leitende Positionen beim Tabakmulti Philip Morris innehatte.
Als Ferrari-Präsident galt Marchionne in der Formel 1 als kompromissloser Manager, der den Rennstall allerdings wieder in die Spur brachte. Das Team von Pilot Sebastian Vettel hatte er öffentlich mehrmals deutlich kritisiert.
Nach dem dramatischen Geschehen bei Fiat Chrysler stellt sich auch in heimischen börsenotierten Firmen die Frage: Wie viel Privatheit steht einem schwerkranken Firmenchef zu?
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