Mehr als 1100 Menschen verlieren durch die Sanierung der Möbelhäuser Kika/Leiner ihren Job, viele von ihnen in St. Pölten. Die Betriebsräte zeigen Verständnis für die Sparmaßnahmen.
Nach bekanntwerden der Sparpläne für Kika/Leiner mit dem Abbau von 1100 Stellen ("Die Presse" berichtete) haben die Bürgermeister von St. Pölten, Matthias Stadler (SPÖ), und Wiener Neustadt, Klaus Schneeberger (ÖVP), in Aussendungen von einem "schweren Schlag", vor allem für die betroffenen Mitarbeiter, gesprochen. Die Betriebsräte der Möbelhäuser bedauern den harten Sparkurs zwar, zeigen aber gewisses Verständnis. Sie betonen, dass mit der Geschäftsführung bereits ein Sozialplan verhandelt werde. Und sind sich einig: Aus wirtschaftlichen Gründen müsse gespart werden, es gebe eine gute Gesprächsbasis.
Vier Standorte schließen
Offiziell bestätigt hat das Unternehmen bisher lediglich, dass vier Standorte und zwei kleinere Logistikzentren per Jahresende geschlossen werden. Eine genaue Zahl zum Stellenabbau wurde vorerst nicht bekanntgegeben. Die Mitarbeiter seien gestern nach Schließung der Filialen über die Sanierungspläne informiert worden.
Kika/Leiner ist kein Einzelfall. Der österreichische Handel ist in den vergangenen zehn Jahren von zahlreichen Großinsolvenzen und Übernahmen erschüttert worden. Einer der Auslöser war die Wirtschaftskrise 2008/09, aber auch der stark nach vorne drängende Online-Handel ist eine der Ursachen. Vor allem ältere, schlechter qualifizierte Frauen waren die größten Leidtragenden der Pleitewelle und mussten beim AMS angemeldet werden. APA/HERBERT PFARRHOFER
Bei der Quelle-Pleite verloren im Jahr 2010 rund 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job APA/rubra/RUDOLF BRANDSTÄTTER
Die Cosmos-Insolvenz kostete knapp 1200 Stellen. In Summe hatte der Elektrohändler mit 20 Filialen eine leere Fläche von 40.000 Quadratmetern hinterlassen. (c) APA
Zwei Jahre später meldete auch der Versandhändler Neckermann in Österreich Insolvenz an, 120 Beschäftigte mussten gehen. Auch Neckermann konnte dem Boom im Online-Handel nicht trotzen. (c) Reuters
Ebenfalls 2012 wurden die Schlecker-Filialen in Österreich von Rudolf Haberleitner übernommen und in Dayli umbenannt. Aber schon ein Jahr später musste Insolvenz angemeldet werden und 3500 Mitarbeiter, vorwiegend Frauen, standen ohne Job da. APA/GEORG HOCHMUTH
Im gleichen Jahr musste der Elektrohändler Niedermeyer Insolvenz anmelden, rund 600 Mitarbeiter mussten sich eine neue Stelle suchen. APA/HERBERT PFARRHOFER
Wiederum ein Jahr später, 2014, erwischte es ein weiteres Unternehmen aus der Elektrobranche. Der Wiener Computerhändler DiTech wuchs zu schnell und war letztendlich unprofitabel. 250 Mitarbeiter mussten wegen der Pleite gehen. APA/HERBERT NEUBAUER
Beim insolventen Blumenhändler Holland Blumen Mark wurde 2014 der Großteil der Filialen von einem Mitbewerber übernommen. 200 der 330 Stellen wurden dadurch erhalten. (c) APA
Einer ebenfalls zu schnellen Expansion fielen zahlreiche Arbeitsplätze bei der oberösterreichischen Sporthandelskette Eybl/Sports Experts zum Opfer. Der britische Diskonter Sports Direct übernahm zwar den Sporthändler, dennoch kostete der Deal zwischen 2014 und 2017 rund 400 Jobs. (c) APA
Bei der Zerschlagung der Baumarktkette bauMax im Jahr 2015 gingen 500 Stellen verloren, 3200 Mitarbeiter wurden bei Filialübernahmen - u.a. von Obi und Hagebau - übernommen. APA
Die Übernahme der angeschlagenen Supermarktkette Zielpunkt durch das oberösterreichische Traditions-Handelshaus Pfeiffer endete nach zwei Jahren in einer Pleite. Anfang 2016 verloren 1500 Mitarbeiter ihren Job, 1200 Personen wurden im Rahmen von Filialübernahmen durch Mitbewerber weiterbeschäftigt. (c) Clemens Fabry
Bei der insolventen Autozubehörkette Forstinger wurden rund 120 Stellen gestrichen. 760 Jobs bei der Autozubehörkette Forstinger sind gesichert, weil die Gläubiger den Sanierungsplan angenommen haben. (c) Elke Mayr
Wegen der Insolvenz der Modekette Charles Vögele Österreich wackeln seit Anfang August rund 700 Arbeitsplätze. REUTERS
Der kriselnde Möbelhändler Kika/Leiner wurde im Juni 2018 von der Signa-Holding des Tiroler Investors Rene Benko übernommen. Nun legte der neue Eigentümer das Sanierungskonzept auf den Tisch. Neben Filialschließungen könnten 1100 Mitarbeiter von einem Jobabbau betroffen sein. REUTERS
Handel: In welchen Unternehmen die meisten Jobs abgebaut wurden
Allein in Niederösterreich könnten insgesamt bis zu 500 Arbeitsplätze verloren gehen, unter anderem sollen auch in der Zentrale in St. Pölten zahlreiche Arbeitsplätze wegfallen. Neben dem Leiner-Möbelhaus in Wiener Neustadt wird die Kika-Filiale in Vösendorf und ein Filialaußenlager in St. Pölten mit Jahresende geschlossen. Die Leiner-Gründungsstadt St. Pölten ist laut Stadler "bei den Kündigungen einer der am stärksten betroffenen Standorte".
"Schwerer Schlag für die Mitarbeiter"
Stadler: "Das ist ein sehr schwerer Schlag für die Mitarbeiter und ihre Familien, der uns zutiefst erschüttert". Er forderte die volle Unterstützung des Landes und der Bundesregierung für die betroffenen Mitarbeiter und auch für eine rasche Nachnutzung eventuell nicht mehr benötigter Infrastruktur ein. "Sehr bedauernswert ist auch die Tatsache, dass das seit Jahrzehnten für St. Pölten prägende Unternehmen von St. Pölten aus zu einem Möbelimperium aufgestiegen ist und nun ins Wanken geraten ist", meinte Stadler. Im Jahr 1910 wurde das erste Leiner Haus in St. Pölten gegründet.
Das mehr als 100 Jahre alte Unternehmen stand an der Kippe zur Insolvenz. Jetzt wurde es vorerst gerettet. Ein Überblick über die Meilensteine von Kika/Leiner. (c) Asamer
Rudolf Leiner senior übernimmt eine Bettfedernhandlung am Rathausplatz in St. Pölten und gründet den ersten Leiner. Kika/Leiner
Rudolf Leiner junior kehrt aus der Kriegsgefangenschaft zurück und beginnt mit dem Wiederaufbau des Geschäfts. Kika/Leiner
Die Expansion beginnt, zumindest in der Heimat. Leiner eröffnet in Wiener Neustadt seine zweite Filiale. (c) kika/Leiner
Leiner startet in Wien. Der Standort auf der Mariahilfer Straße wurde kürzlich an Benko verkauft. APA
Schwiegersohn Herbert Koch eröffnet den ersten Kika in Wien. Koch treibt das Wachstum der Gruppe wesentlich voran. APA
Kika/Leiner übernimmt den Konkurrenten Michelfeit, die Gruppe wird um sieben Häuser in Österreich und zwei in Ungarn erweitert. Die Expansion in das Ausland beginnt. APA
Zahlreiche neue Filialen im In- und Ausland. Die Expansion in Osteuropa wird ihren Höhepunkt mit mehr als 20 Standorten erreichen. (c) kika/Leiner
Das Unternehmen feiert sein 100-jähriges Bestehen. Hier Rudolf Leiner junior mit Gattin Frieda. Er hatte nach dem zweiten Weltkrieg den Grundstein für das Unternehmen gelegt. (c) kika/Leiner
Kika/Leiner wird für kolportierte 500 Millionen Euro an den südafrikanischen Steinhoff-Konzern verkauft. Herbert Koch fädelte den Deal mit Steinhoff ein. APA
Nach Berichten über Bilanzfälschungen bei Steinhoff moss Konzernchef Markus Jooste gehen. Der Aktienkurs von Steinhoff bricht ein. Das trifft auch Kika/Leiner. Steinhoff ist weltweit der zweitgrößte Möbelhändler. APA/AFP/ERIC PIERMONT
Die Gruppe kündigt an, vier weitere Standorte zu schließen. Weitere Schließungen seien nicht geplant, sagt Kika/Leiner-Chef Gunnar George. GEORG HOCHMUTH / APA / picturede
Der Tiroler Immobilieninvestor René Benko steigt bei Kika/Leiner ein. Damit ist eine Großinsolvenz vorerst abgewendet. APA/HANS KLAUS TECHT
Kika/Leiner: Ein Traditionshaus in Nöten
"Trotz der schmerzlichen Kündigungen muss man auch sagen, dass es noch schlimmer hätte kommen können", so Stadler. Immerhin habe das Management des Kika/Leiner-Eigentümers Signa dem Stadtchef bestätigt, dass in St. Pölten das Möbelhaus Kika im Süden und das Leiner-Stammhaus im Zentrum sowie die Zentrale erhalten bleiben sollen.
"Mitarbeiter seit Jahrzehnten beschäftigt"
In Wiener Neustadt werde mit dem Leiner-Möbelhaus in der Bahngasse eine "Institution" und ein "sehr wichtiger Betrieb" für die Innenstadt zugesperrt, meinte Bürgermeister LAbg. Klaus Schneeberger (ÖVP): "Die Schließung ist natürlich ein schwerer Schlag - vor allem für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Teil seit Jahren oder gar Jahrzehnten hier beschäftigt waren. Für sie müssen wir alles unternehmen, um sie zu unterstützen."
Was die weitere Entwicklung des Standortes betreffe, "bin ich bereits seit 14 Tagen in Gesprächen mit der Signa-Gruppe von Rene Benko", informierte Schneeberger. Durch die Nähe zu den Kasematten, dem "Herz" der bevorstehenden NÖ Landesausstellung 2019, "muss es unser aller Bestreben sein, hier rasch zukunftsträchtige Lösungen zu finden".
Tiroler Möbelhandel sucht "immer gute Fachkräfte"
Unterstützung kündigte bereits der Tiroler Möbelhandel an. Er will die vom Jobabbau betroffenen Mitarbeiter "im Rahmen seiner Möglichkeiten" übernehmen. Stefan Föger von der Wirtschaftskammer sagt: "Wir suchen immer gute Fachkräfte."
Der neue Kika/Leiner-Eigentümer Signa fährt einen harten Sanierungskurs: 1100 der 5100 Jobs gehen verloren. Leiner in Innsbruck und Wr. Neustadt, Kika in Vösendorf und Spittal/Drau sperren zu.
Kika/Leiner schließt vier Filialen. Der Skandal um Mutter Steinhoff gibt Sanierer Gunnar George den Persilschein für die Auslese. Die Fehler der Firma sind aber viel älter.
Der Tiroler Investor René Benko lässt nicht viel Zeit verstreichen: Einen Monat nach dem Kauf von Kika/Leiner tauscht er mehrere Vorstände und Aufsichtsräte aus.