Eine knappe Stunde hat der russische Präsident auf der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl verbracht. Die Koalition sieht den Besuch als »Geste der Wertschätzung gegenüber Österreich« und weist jede Kritik zurück.
Ist er das? Sein Helikopter vielleicht? Ah nein, nur ein Traktor.“ Zwischen zwei Buschenschanken, schwer bewaffneten Polizisten und Straßensperren ist eine deutsche Radtouristin an der südsteirischen Weinstraße am Samstagnachmittag unversehens in eine Nebenkulisse der Weltpolitik geraten: An den Rand des Besuchs von Wladimir Putin bei der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl im südsteirischen Gamlitz.
Mit der Unklarheit, wann jetzt wer wo ankommt, wird sie bis zur Abreise des russischen Präsidenten nicht allein bleiben: Kommt er per Helikopter oder im Autokonvoi? Wann genau stößt er zu der Gesellschaft, die am frühen Nachmittag von einem Empfang im Ortszentrum per Kutsche, Traktor und Taxi zur Buschenschank Tscheppe in den Weinbergen aufgebrochen ist?
Knappe vier Stunden. Keiner weiß es oder will es sagen: So wie sich die ganze Hochzeit in einem Limbus zwischen Staatsereignis und privater Festlichkeit bewegt, ist auch Putins Kurzbesuch – am Ende wird er keine vier Stunden auf österreichischem Boden verbracht haben – ein seltsames Zwischending: am Grazer Flughafen unterhält er sich zu Mittag einige Minuten mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), bevor er mit einem Konvoi aus Fahrzeugen der russischen Botschaft gen Süden rast.
Die Pyhrnautobahn A 9 wird eigens gesperrt, auch auf der Durchfahrt nach Gamlitz und in die Weinberge räumen Dutzende Polizisten dem Gast alle Straßen frei. Er fährt bis in die Gastwirtschaft vor, steigt dort – gemeinsam mit Bundespräsidentenwitwe Margot Klestil-Löffler, Kneissls Russlandbeauftragter – aus dem Auto, überreicht vom Hof aus einen Strauß gelber Blumen und verschwindet mit der Hochzeitsgesellschaft in der Buschenschank. Eine knappe Stunde bleibt er dabei, ist Gast bei der standesamtlichen Trauung, tanzt mit der Braut, bevor er auf dem gleichen Weg wieder verschwindet.
Was wird von diesem Besuch bleiben? Zum einen, natürlich, das internationale Signal: „Eine Geste der Wertschätzung gegenüber Österreich“, wie das Wording lautet, auf das sich die Vertreter der Koalition geeinigt haben, die die Hochzeit beehren. Neben Kurz sind vor allem FPÖ-Minister gekommen: Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Infrastrukturminister Norbert Hofer und Verteidigungsminister Mario Kunasek (selbst frisch verheiratet) sind in Tracht gekommen, eine öffentliche Stellungnahme wollte zu Beginn der Feier nur Kunasek abgeben: „Ich freue mich darauf, Putin kennenzulernen“, und „Österreich zeigt damit auch, und Karin Kneissl, dass wir mit jedem reden. Dass wir die Diplomatie wieder leben, im besten Sinne.“
Kostendiskussionen. Eine Begeisterung, die sowohl im In- als auch im Ausland nicht jeder teilt: Am Freitagabend ätzte etwa der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin via Twitter gegen Österreich: „Ich kommentiere das Gesellschaftsleben gewöhnlich nicht. Aber wenn sich das österreichische Außenministerium schon gezwungen sieht, sich angesichts eines 'privaten' Besuchs zu rechtfertigen und zu versichern, dass der außenpolitische Kurs unverändert bleibt, dann ist das schon eine interessante neue Form, die ein trauriges Lächeln hervorruft.“ Schon seit Bekanntwerden von Putins „privatem“ Besuch hatten ukrainische Politiker Kneissl kritisiert: Österreich hätte sich um jede Gelegenheit gebracht, im Konflikt mit Russland noch als neutraler Mittler aufzutreten.
Was Österreich noch bleiben wird, sind ganz banal: Kosten. Auch wenn sich die russische Botschaft und von Kneissl bezahlte private Sicherheitsdienste an dem Einsatz beteiligt haben: Die Polizei setzte mehrere Hubschrauber ein, zog hunderte Beamte aus mehreren Bundesländern zusammen. „Staatsgäste zu schützen ist unsere gesetzliche Aufgabe“, erklärt Polizeisprecher Fritz Grundnig. Die Kosten für den Einsatz ließen sich vorläufig nicht schätzen.
Kritik an den Kosten der „privaten Feier“ will die FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, ebenfalls Gast bei der Hochzeit der Außenministerin, so nicht stehen lassen: „Jede linke Krawalldemo kostet mehr“ und bringe Österreich weit weniger, sagt Gudenus der „Presse“.