Es pflegt die Schwiegertochter, nicht der Sohn

73 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen.
73 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Die meisten Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut, die Regierung will dieses Modell forcieren. Den größten Teil dieser Arbeit übernehmen Frauen, bezahlt und unbezahlt. Verantwortliche sehen darin eine Schieflage.

Wien. Die Pflege dürfte nächstes Jahr eines der bestimmenden innenpolitischen Themen werden. Anfang Dezember hat die Regierung mit dem „Masterplan Pflege“ gezeigt, in welche Richtung die Pflegereform gehen soll. Für Ende 2019 hat sie ein fertiges Konzept und Gesetze angekündigt. Der Fokus liegt auf pflegenden Angehörigen und Pflege zu Hause. Damit stützt die türkis-blaue Koalition das vorherrschende Modell: Im Vorjahr wurden knapp 150.000 Personen zu Hause durch mobile Dienste gepflegt, 82.500 Menschen waren stationär in Pflegeheimen untergebracht. Das zeigen aktuelle Daten, die die Statistik Austria gestern veröffentlicht hat.

Nur teilweise in den Zahlen enthalten sind jene Menschen, die zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt werden, also „informell“. Sie machen aber mit 84 Prozent den Löwenanteil der pflegebedürftigen Menschen in Österreich aus. 45 Prozent der Pfleglinge werden daheim ausschließlich von Angehörigen betreut. 32 Prozent werden von mobilen Pflegediensten wie dem Hilfswerk unterstützt. In der politischen Diskussion würden die 24-Stunden-Pflege und die stationäre Betreuung „völlig überschätzt“, findet Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm.

73 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Aber warum eigentlich? „Das wüssten wir selbst gern“, sagt Anselm. Sie verweist darauf, dass auch in den Pflegeberufen die meisten Beschäftigten Frauen sind. Sie führt das auf gesellschaftliche Rollenbilder zurück, die in den Köpfen verankert seien. Männer würden zwar bei Bedarf ihre Ehefrauen pflegen. Aber bei Eltern oder Schwiegereltern machten das in der Regel die Frauen, Männer bringen sich eher bei der Organisation ein. Othmar Karas, Präsident des Hilfswerks (und österreichischer EU-Abgeordneter) sieht Frauen dreifach unter Druck: Bei der Kindererziehung, der Doppelbelastung durch Beruf und Familie und am Ende des Lebens durch die Pflege. „Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagte Karas am Montag auf einer Pressekonferenz.

Zwei Mrd. Euro Pflegekosten

Das Hilfswerk hat eine Studie beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in Auftrag gegeben, um die Forderung nach einem Ausbau der mobilen Pflege zu untermauern: Der Anstieg der Pflegekosten würde gedämpft, wenn man einen Fokus auf mobile Pflege legte, so das Fazit. Das Hilfswerk ist der größte Anbieter von mobilen Pflegediensten, vor Volkshilfe und Caritas. Mobile Pfleger unterstützen Bedürftige bei ihrer Körperhygiene, Beweglichkeitsübungen und sonstigen Aufgaben ihrer täglichen Routine. Heimhilfen helfen unter anderem bei Hausarbeit, Nahrungsaufnahme und Begleitung zu Arztbesuchen. Die jährlichen Nettoausgaben für die Pflege betragen laut Hilfswerk rund 2,1 Milliarden Euro. Darin sind der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand für alle Pflegedienste und die Förderung für die 24-Stunden-Betreuung enthalten (exklusive Pflegegeld). Der größte Brocken entfällt mit 1,4 Mrd. Euro auf stationäre Dienste, obwohl nur 16 Prozent der Pflegebedürftigen stationär in Heimen betreut werden.

Wird der Anteil der stationär in Heimen Betreuten um zehn Prozent erhöht, steigen die Pflegekosten bis zum Jahr 2030 auf gut vier Milliarden Euro, so das Wifo. Wird stattdessen der Anteil der mobil betreuten Menschen um zehn Prozent erhöht, wäre der Kostenanstieganstieg deutlich schwächer. Rund 455.000 Menschen in Österreich beziehen Pflegegeld, fünf Prozent nehmen eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch. (hie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2018)

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