Die Tücken des Handelsabkommens

Nissan kündigte einen Teilrückzug aus Großbritannien an.
Nissan kündigte einen Teilrückzug aus Großbritannien an.REUTERS
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Großbritannien ist eine Drehscheibe für den europäischen Vertrieb japanischer Produkte. Der EU-Austritt stellt Händler, Produzenten und Kunden auf eine harte Probe.

London/Wien. Der vor wenigen Tagen angekündigte Teilrückzug des japanischen Autoherstellers Nissan aus Großbritannien gibt einen Vorgeschmack auf ein Dilemma, mit dem sich viele Unternehmen – groß wie klein – nach dem Brexit konfrontiert sehen werden: Wie soll der Handel mit der EU nach dem EU-Austritt abgewickelt werden? Die Causa Nissan ist insofern speziell, als zu Monatsbeginn das Freihandelsabkommen EU/Japan (Jefta) in Kraft getreten ist: Für den japanischen Autohersteller hat es künftig mehr Sinn, einige in Japan produzierte Modelle zollfrei nach Europa zu verschiffen, anstatt sie in Großbritannien für den europäischen Markt herzustellen.

Doch das Problem betrifft auch Klein- und Kleinstunternehmen, die im Gegensatz zu Nissan, Mitsubishi und Co. nicht über die Ressourcen verfügen, um sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Geschätzte 900 japanische Unternehmen haben sich in Großbritannien niedergelassen, zahlreiche weitere Firmen wickeln ihren Europa-Vertrieb über britische Partner ab. Genau solche Arrangements stellen auch österreichische Unternehmer auf eine harte Probe. Einer der hierzulande Betroffenen ist Fardin Sefidpar, der in seinem Wiener Geschäft Whitefeather Mfg Co. Herrenbekleidung aus Japan verkauft.

Seine japanischen Lieferanten sind allesamt kleine Manufakturen, die ihren Verkauf in Europa seit Jahren über Zwischenhändler in Großbritannien organisieren. „Momentan weiß niemand, was passiert. Alle warten darauf, welchen Brexit es geben wird“, sagt Sefidpar zur „Presse“. Sollten die Briten am 29. März ohne einen Deal aus der EU ausscheiden, wären Sefidpar und seine Handelspartner mit einer absurden Situation konfrontiert: Während japanische Textilien dank Jefta seit 1. Februar zollfrei in die EU eingeführt werden dürfen, müsste die EU bei einem harten Brexit im Handel mit Großbritannien wieder Zölle einführen.

Zwei Hürden

Für Groß- und Zwischenhändler wäre ein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU ein gangbarer, wenn auch suboptimaler Ausweg aus der Misere. Europäische Endverbraucher, die gern in britischen Onlinegeschäften einkaufen, würden sich nichtsdestotrotz mit zwei Hürden konfrontiert sehen.

Hürde Nummer eins ist vergleichsweise niedrig: Fällt der erworbene Artikel unter das Handelsabkommen? Das für die Materie zuständige Zollamt Klagenfurt-Villach erteilt bezüglich der Zollnummer Auskunft, wenn ein Handelsabkommen fixiert und in Kraft getreten ist. Die zweite Hürde ist höher: Um in den Genuss der Zollerleichterung zu kommen, muss der Verkäufer ein spezielles Formular ausfüllen und beilegen, in dem er bestätigt, dass Großbritannien der Ursprung der Ware ist. Die Krux: Der Händler ist nicht dazu verpflichtet, sich diese Mühe zu machen. Und tut er es nicht, muss der Kunde in Österreich trotz Handelsabkommens Zoll zahlen.

Wie viele andere Branchenkollegen hofft Sefidpar darauf, dass Großbritannien selbst nach dem Brexit Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion bleibt. Und falls das nicht der Fall sein sollte? „Ich reise zwei Tage vor dem Brexit-Stichtag zu einer Messe nach Japan und werde dort mit meinen Lieferanten beraten.“ (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2019)

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