Die imposanten Bilder sind das eine – aber was steckt eigentlich hinter der Musik bei der Eröffnung des Wiener Opernballs? Eine Spurensuche durch italienische Opern, Attentate auf Kaiser und leichtfüßige Balletteinlagen.
Wien. Ohne János Libényi hätte der Opernball 2019 anders ausgesehen. Auch wenn das der 1831 geborene ungarische Schneider wohl nicht im Sinne hatte, als er 1853 Kaiser Franz Joseph mit einem Messer attackierte. Nun, der Monarch wurde leicht verletzt, Libényi hingerichtet. Und Johann Strauß (Sohn) komponierte einen Marsch.
Und genau dieser erklang am Donnerstagabend, als das Jungdamen- und Jungherren-Komitee gegen Ende der Eröffnung noch einen großen Auftritt hatte. Und ja, man hat sich nicht verhört, wenn man meinte zwischendurch plötzlich ein paar Takte der alten Kaiserhymne zu hören – die Melodie von Joseph Haydn hat Strauß in seinen Marsch eingearbeitet.
Es war genau die Stelle, an der zwölf Debütanten in der Mitte des Parketts eine Premiere feierten – eine Hebefigur. Die jungen Männer umschlungen die Hüften ihrer Partnerinnen, hoben sie hoch und machten einige Drehungen. Eine „sehr riskante“ Hebefigur sei das, sagt Choreografin Maria Santner schon vor dieser Premiere, aber die Tänzer hätten nie Probleme damit gehabt. Und ja, Opernballorganisatorin Maria Großbauer sei begeistert gewesen. Generell hätten Santner und ihr Bruder Christoph freie Hand bei der Choreografie gehabt. Nur die Musik sei vorgegeben gewesen. Nun, der „Kaiser-Jubel-Marsch“ passte zum 150-Jahr-Jubiläum der Oper. Und „An der schönen blauen Donau“ als Abschluss ist sowieso Tradition.
In Empfang genommen wurden die Gäste dieses 63. Wiener Opernballs einmal mehr von Organisatorin Maria Großbauer. 2017 trat sie in die Fußstapfen von Desiree Treichl-Stürgkh. Ihr Kleid hat die steirische Designerin Lena Hoschek geschneidert. APA (HELMUT FOHRINGER)
Ballveteran Richard Lugner ließ sich dieses Mal von Elle "The Body" Macpherson (links) und "Moni" in einer weiß-glänzenden Robe begleiten. APA (HERBERT P. OCZERET)
Macpherson wählte eine schwarze Robe von "Nevana" aus Taft und Spitze, weil sie "schlicht und elegant" sei. Den Baumeister bezeichnete sie als "absolut charmant" und einen "wunderbaren Gastgeber". "Danke, dass du mich hergeholt hast", beschied sie Lugner. APA (HERBERT P. OCZERET)
Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Freundin Susanne Thier. Kurz hatte den nordmazedonischen Regierungschef Zoran Zaev zum Ball geladen und erwartete im Laufe des Abends zahlreiche weitere Besuche. Das Tanzen überlasse er anderen, die das besser können, meinte der Kanzler. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Opern-Diva Anna Netrebko in blauer Robe mit Meerjungfrauen-Silhouette von Rubin Singer. Die Starsopranistin eröffnete den Ball zusammen mit ihrem Ehemann Yusif Eyvazov. (c) APA (HELMUT FOHRINGER)
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit Ehemann Andreas Mikl. (c) APA/HELMUT FOHRINGER
Tochter Anna war als Debütantin im Einsatz. (c) www.imago-images.de (via www.imago-images.de)
Designerin Lena Hoschek zeigte sich den Fotografen in einer Eigenkreation. Wie das Kleid nahm auch der Blumenschmuck an diesem Abend auf Richard Wagners „Rheingold“ Bezug, das 1869 Premiere hatte. (c) APA (HELMUT FOHRINGER)
Conchita alias Tom Neuwirth in Latex und mit Glatze, ganz neu, wenn das kein Vorgeschmack auf das nächste Projekt ist. Der Sänger kam übrigens auf Einladung von Justizminister Josef Moser (ÖVP) zum Fest. APA (ANGELIKA KREINER)
Das ORF-Moderationsteam rund um Mirjam Weichselbraun und Barbara Rett trug Juergen Christian Hoerl. (c) ORF (Roman Zach-Kiesling)
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Auma Obama und Doris Schmidauer. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache (FPÖ) mit Ehefrau Philippa. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
80er-Jahre-Flair kam bei Nina Proll in einer blauen Samtrobe mit üppigen Applikationen der österreichischen Moderatorin und Designerin Silvia Schneider auf. (c) APA (HELMUT FOHRINGER)
Geigerin Lidia Baich und Staatsoperndirektor Dominique Meyer. (c) APA (HERBERT NEUBAUER)
"Soko Kitzbühel"-Darstellerin Kristina Sprenger in einem Kleid von Sposa Toscana mit Gerald Gerstbauer. (c) APA (HELMUT FOHRINGER)
Moderator Dominic Heinzl und Lebensgefährtin Sonja Sarközi. (c) APA/HELMUT FOHRINGER
Moderatorin Silvia Schneider in einer Eigenkreation. (c) APA/HELMUT FOHRINGER
Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Ehefrau Soyeon Kim. (c) APA/HELMUT FOHRINGER
Unternehmerin Ingrid Flick in einem Outfit von Emanuel Burger auf der Feststiege im Rahmen des Wiener Opernballes. (c) APA/HELMUT FOHRINGER
Barbara Meier in einer Robe von Eva Pleschinski an der Seite von Unternehmer Klemens Hallmann. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Otto Retzer mit Gattin Shirley. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Zurück in die politischen Reihen: Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Kollegin Susanne Wuest trug ein Kleid von Erdem. (c) www.imago-images.de (via www.imago-images.de)
Lotte Tobisch organisierte früher selbst den Opernball. (c) ORF (Roman Zach-Kiesling)
Jeannine Schiller gefiel sich in Grün. (c) www.imago-images.de (via www.imago-images.de)
US Botschafter Trevor Traina mit Ehefrau Alexis Swanson Traina. (c) www.imago-images.de (via www.imago-images.de)
Die schönsten Roben des Opernballs
Solotanz und „Wilhelm Tell“
So wie auch die Fanfare von Karl Rosner zu Beginn der Eröffnung, gefolgt von der Österreichischen Bundeshymne und der Europahymne. Und auch die „Fächerpolonaise“ von Carl Michael Ziehrer, zu der das Komitee einmarschierte, ist ein Klassiker der Wiener Ballkultur. Nach dem strikten und synchronen Auftakt folgte die Balletteinlage – „Morgenblätter“, ein Walzer von Johann Strauß (Sohn). Spielerisch leicht wirkte es, als die Solotänzerinnen und Solotänzer ihre Figuren zeigten, flankiert von Nachwuchstänzern der operneigenen Ballettakademie – und doch wurde in den ruhigeren Momenten spürbar, wie anstrengend die Performance sein muss. Da wird an der Seite tief ein- und ausgeatmet, ehe es mit der Choreografie der Pariser Ballettchoreografin Florence Clerc weiterging.
Die Ouvertüre von Gioachino Rossinis „Guillaume Tell“ – zu finden auf so ziemlich jedem Klassik-Sampler – schaffte dann die Überleitung zum Gesangsteil. Und diesen bestritt das Ehepaar Yusif Eyvazov und Anna Netrebko. „Niemand schlafe“, sang zunächst er – wenn es auch auf Italienisch um einiges eleganter klingt. „Nessun dorma“, vermutlich die meistgesungene Arie der Tenor-Klasse überhaupt, stammt aus Giacomo Puccinis „Turandot“ und lebt unter anderem von der Spannung, wie lang der Sänger das „e“ beim letzten „Vincerò!“ ziehen kann. Nun, Eyvazov kann es, wie er beim Ball wieder zeigte, recht lang.
Am 28. Februar 1869 war es dicht bewölkt, kalt, stürmisch. Es regnete immer wieder. Wahrscheinlich wäre es kein guter Abend für den Wiener Opernball gewesen. "Neuen Freien Presse" am 28.2.1869
Das musste er auch nicht sein, denn das erste Haus am Ring eröffnete erst drei Monate später mit einer Premiere von Mozarts "Don Giovanni". 150 Jahre später fanden sich Zitate der Oper im Ballprogramm des Hauses wieder. Eröffnungsvorstellung im neuen Haus der Wiener Hofoper mit „Don Giovanni“, Innenansicht mit Blick auf die Bühne, 25. Mai 1869, zeitgenössisches Aquarell. Kunsthistorisches Museum (c) gemeinfrei
Dass das Jubiläum der Staatsoper an diesem Abend eine große Rolle spielte, erkannte man bereits an der Fassade. Eine mehrdimensionale Lichtkunstinstallation mit dem Titel "Arkestra of Light" der Grazer Künstler "OchoReSotto" wurde hier projiziert. Bildschnipsel von einflussreichen Komponisten, Dirigenten und besonderen Akteuren sollten die Vielfalt der musikalischen Epochen widerspiegeln. APA (HERBERT P. OCZERET)
Ein ungewöhnlicher Einstieg in die Walzernacht: Begrüßt wurden die Gäste heuer von einer Truppe der Gardemusik mit Regimentsmärschen aus dem Jahr 1869. APA (HERBERT NEUBAUER)
144 Debütantenpaare aus 13 verschiedenen Ländern bildeten später das Jungdamen- und Jungherren-Komitee. Unter ihnen etwa Anna Mikl, die Tochter von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Rachel, Samuel und Deborah Engelberg, die Kinder der Direktorin des Jüdischen Museums, Danielle Spera. APA (Herbert Neubauer)
Fernsehzuschauer kennen sie von der ORF-Show „Dancing Stars“. Die Geschwister Maria und Christoph Santner sind aber auch Weltmeister im Wiener Walzer, betreiben eine Tanzschule in Wels – und erarbeiteten die Choreografie für den „Kaiser-Franz-Josef-I.-Rettungs-Jubel-Marsch“ am diesjährigen Opernball. Reuters
Dass sie die 144 Paare – und sieben Ersatzpaare – des Jungdamen- und Jungherrenkomitees trainierten, war aber nicht ihre einzige Premiere. Denn im Grunde gingen sie selbst als Debütanten an die Aufgabe heran – bis heuer waren sie noch nie auf dem Opernball. Reuters
Das Wiener Staatsballett – mit den Ersten Solotänzern Olga Esina, Nikisha Fogo, Maria Yakovleva, Denys Cherevychko, Davide Dato und Solotänzer Jakob Feyferlik an der Spitze – und die Ballettakademie der Wiener Staatsoper tanzten zu "Morgenblätter" von Johann Strauß (Sohn) in einer eigens für den Opernball kreierten Choreographie von Florence Clerc. Reuters
Die Ouvertüre von Gioachino Rossinis „Guillaume Tell“ schaffte dann die Überleitung zum Gesangsteil. Und diesen bestritt das Ehepaar Yusif Eyvazov (im Bild) und Anna Netrebko. Reuters
„Sulle labbra se potessi, dolce un bacio, ti darei“ sang nach ihm Netrebko. Reuters
Das große Finale mit „O soave fanciulla“ aus Puccinis „La Bohème“ schmachtete Eyvazov seine Frau an, bis sie endlich „Io t'amo!“ sang und er mit „Amor! Amor! Amor!“ abschloss. Reuters
Das Ende gehörte dann wieder den Debütanten. Reuters
Die Bilder der Eröffnung
„Johann Strauß aus Italien“
„Sulle labbra se potessi, dolce un bacio, ti darei“ sang nach ihm Netrebko. Auch ohne große Italienischkenntnisse weiß man, dass es in „Il Bacio“ von Luigi Arditi ums Küssen geht. Oder spätestens dann, wenn die Sängerin Kusshände ins Publikum wirft. „Auf die Lippen, wenn ich könnte, würde ich dir einen süßen Kuss geben.“ Der Komponist selbst ist nicht ganz so bekannt – „eine Art Johann Strauß aus Italien“, erklärt Staatsoperndirektor Dominique Meyer.
Schließlich kam das große Finale mit „O soave fanciulla“ aus Puccinis „La Bohème“ – „O süßes Mädchen“ schmachtete Eyvazov seine Frau an, bis sie nach langem Hin und Her endlich „Io t'amo!“ singt und er mit „Amor! Amor! Amor!“ abschließt.
Geduldig haben die 144 Debütantenpaare am Rand ausgeharrt. Und können nun zum „Jubelmarsch“ für den Kaiser zeigen, wofür sie wochenlang geübt haben. „Please, keep the line“, die Aufforderung von Tanzmeister Dominik Truschner hatten sie viele Male gehört, damit es beim Ball selbst dann möglichst synchron zugeht.
Gegen Ende wird es locker
Die Gesichter der Debütanten – die Burschen zu Beginn konzentriert, die jungen Damen eher versteinert lächelnd – waren gegen Ende in der Regel schon um Einiges lockerer. Und spätestens beim „Donauwalzer“ ist die Anspannung vorbei – der offizielle Teil ist zu Ende. Das Parkett wird für alle freigegeben – bis zur Mitternachtsquadrille. Aber das ist wieder eine andere Geschichte . . .